Arzneimittel und Therapie

Porphyrie: Eine Krankheit mit vielen Facetten

Die Porphyrie ist eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, die aufgrund ihres seltenen Auftretens zu den Orphan-Krankheiten zählt. Dabei hat die "Rarität" als "Krankheit der Könige" schon den Lauf der Geschichte beeinflusst und durch Vincent van Gogh Eingang in die Kunst gefunden.

Die Porphyrie tarnt sich mit Symptomen, die denen anderer Erkrankungen ähneln, sodass sie häufig erst spät erkannt wird. Oft zeugen Narben auf dem Bauch der Porphyrie-Patienten von so manch vergeblicher Operation. Dabei ist die frühzeitige richtige Diagnose bei dieser Stoffwechselstörung sehr wichtig, da z.B. falsche Medikamente lebensbedrohliche Porphyrie-Attacken, bei denen Porphyrine den Körper überfluten, auslösen können.

Porphyrine sind organische Verbindungen, in deren Zentrum ein Metall als Zentralatom gebunden ist. Wird Magnesium in den Porphyrinrahmen eingebaut, so entsteht Magnesiumporphyrin, besser bekannt als Chlorophyll. Dieser Stoff ermöglicht Pflanzen die Photosynthese und gibt ihnen die grüne Farbe. Wird in den Porphyrinrahmen dagegen Eisen eingebaut, so entsteht Eisenporphyrin oder Häm, das den roten Blutkörperchen und damit unserem Blut die rote Farbe verleiht.

Lebenswichtige Bausteine bringen Farbe ins Leben

Ob in der Pflanzenwelt oder beim Menschen, die Metallporphyrine werden in Proteine eingebaut, in denen sie lebenswichtige Aufgaben im Energiestoffwechsel, beispielsweise den Sauerstofftransport, übernehmen. Mithilfe von Enzymen werden die Porphyrine im Körper ständig auf- und abgebaut. Bei einem genetischen Defekt liegt den Enzymen ein fehlerhafter Bauplan vor, sodass der Aufbau der Porphyrine gestört ist. Diese Stoffwechselerkrankung nennt man Porphyrie.

Porphyrie: eine vielschichtige Erkrankung

Die Porphyrie stellt jedoch nicht eine, sondern vielmehr eine Gruppe von Erkrankungen dar. Abhängig davon, an welcher Stelle des achtstufigen Hämaufbaus die genetisch bedingte Störung auftritt, unterscheidet man acht Arten der Porphyrie. Diese werden – je nachdem, ob der Fehler in der Leber oder im Knochenmark vorliegt – in hepatische und erythropoetische Porphyrien eingeteilt. Bei den hepatischen Porphyrien wird wiederum eine Unterscheidung in akut und chronisch vorgenommen. Alle Arten dieser Stoffwechselerkrankungen haben eines gemein: Die Porphyrine oder deren Vorstufen überfluten den Körper, was sich in einer großen Bandbreite an Symptomen – von leicht bis lebensbedrohlich äußern kann.

Die akut intermittierende Porphyrie

Die akut intermittierende Porphyrie ist die häufigste akute Porphyrie. Ihr liegt ein genetischer Defekt zugrunde, der die Aktivität des Enzyms PBG-Desaminase auf die Hälfte reduziert. Diese Störung allein reicht jedoch nicht aus, um eine Attacke auszulösen. Vielmehr müssen – je nach Ausprägung des Defektes – weitere aktivierende Faktoren dazu kommen. Die akut intermittierende Porphyrie zeigt sich fast ausschließlich nach der Pubertät und häufiger bei Frauen als bei Männern. Dabei bricht die Erkrankung nur bei etwa 10 bis 20% der Genträger überhaupt aus.

In Mitteleuropa lebt ungefähr einer von 1700 Menschen mit der Anlage für die akut intermittierende Porphyrie, wie eine Untersuchung französischer Blutspender ergab. Die Häufigkeit anderer Porphyrien liegt etwa bei 1:50000 bis 1:100000. Aufgrund ihres extrem seltenen Auftretens zählt die Porphyrie zu den "Orphan-Erkrankungen".

Gene und äußere Einflüsse als Ursache

Zu den Auslösern von Porphyrie-Attacken gehören vor allem Medikamente, besonders Schlafmittel, Epilepsiemedikamente, bestimmte Schmerzmittel und Antibiotika sowie Hormone, wie sie beispielsweise in der "Pille" enthalten sind. Allerdings können auch natürliche Hormonschwankungen im weiblichen Zyklus die Erkrankung zum Ausbruch bringen. Diäten oder Fastenkuren können ebenfalls Porphyrie-Attacken zur Folge haben. Weitere Auslöser sind Alkohol, Infektionen und seelische oder körperliche Stress-Situationen, beispielsweise Operationen. Damit zeigt sich die Porphyrie als klassisches Beispiel für das Zusammenwirken von Genen und äußeren Einflüssen.

Porphyrie wird oft nicht erkannt

Bricht die Erkrankung aus, so wird sie oft nicht erkannt. Dies liegt zum einen daran, dass Ärzte (fast) nie mit dieser seltenen Stoffwechselerkrankung in Berührung kommen und sie daher gar keinen "Verdacht schöpfen". Auf der anderen Seite treten die vielfältigen Symptome der Porphyrie häufig auch bei anderen – oft weniger ernsten – Erkrankungen auf; und bei der akut intermittierenden Porphyrie können lange symptomfreie Phasen zwischen den einzelnen Attacken liegen. Manche Menschen erleiden alle zwei Monate einen Porphyrie-Anfall, andere nur einmal im Leben.

Bekannte Symptome – (fast) unbekannte Krankheit

Auch wenn die akut intermittierende Porphyrie nicht leicht zu erkennen ist, sollte beim Auftreten der folgenden Symptome an diese seltene Stoffwechselerkrankung gedacht werden:

  • Akute (kolikartige) Bauchschmerzen, die sich bis zu Darmverschluss-Symptomen verstärken können, in Kombination mit Erbrechen, Verstopfung, Rückenschmerzen, Rotverfärbung des Urins, Bluthochdruck, Herzrasen, Atemlähmung.
  • Neurologische und psychiatrische Symptome wie Muskelschwäche, Missempfindungen der Haut, z.B. Kribbeln (Parästhesien), Lähmungen in Armen oder Beinen, epileptische Krampfanfälle, komatöse Zustände, Verwirrtheit, Halluzinationen etc., Angst, Depressionen etc.

Starke Bauchschmerzen treten besonders häufig auf. Die aufgeführten neurologischen und psychiatrischen Symptome gehen bei rechtzeitiger und richtiger Therapie normalerweise zurück, können jedoch in seltenen Fällen chronisch werden.

Besonderes Augenmerk ist auf Patienten im Alter zwischen 20 und 30 Jahren sowie auf Frauen in der prämenstruellen Phase zu richten, die mehrere Symptome gleichzeitig aufweisen. Außerdem sollte bei Patienten, die wiederholt wegen Unterleibsschmerzen, neurologischen, psychiatrischen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen behandelt wurden, an akut intermittierende Porphyrie gedacht werden. Schließlich haben zahlreiche Patienten eine "Odyssee von Arzt zu Arzt" hinter sich, bevor die richtige Diagnose gestellt wird.

Lebensbedrohlich: die falsche Diagnose

Dabei ist eine frühzeitige Diagnose und Behandlung nicht nur zur Vermeidung von Folgeschäden von großer Bedeutung. Gerade bei der Porphyrie stellt jede falsche Behandlung eine besonders große Gefahr dar, da die Gabe falscher Medikamente lebensbedrohliche Porphyrie-Attacken auslösen kann.

Besteht der Verdacht auf Porphyrie, so ist eine Untersuchung auf Porphyrinvorläufer und Porphyrine im Urin bzw. in Blut und Stuhl erforderlich. Bei etwa 25% der Patienten ist bereits die auffällig rote Farbe des Urins (nach längerem Stehenlassen) ein Indiz für die Erkrankung. Wenn, beispielsweise aufgrund von akut intermittierender Porphyrie in der Familie, von einem entsprechenden genetischen Defekt ausgegangen werden kann, so besteht die Möglichkeit, sich mithilfe der molekularen Gendiagnostik Gewissheit zu verschaffen.

Vorsorge und die richtige Therapie: Für ein "fast" normales Leben

Experten empfehlen Personen, die das "Porphyrie-Gen" tragen – unabhängig davon, ob sie bereits akute Attacken erlitten haben –, einen Ausweis bei sich zu führen, der behandelnde Ärzte auf die seltene Stoffwechselerkrankung aufmerksam macht und den Patienten auch in Notfällen vor der Gefahr durch porphyrie-auslösende Medikamente schützt.

Die Kenntnis des Auslösers der akut intermittierenden Porphyrie und dessen sofortiges Absetzen ist natürlich von großer Bedeutung bei der Therapie der Erkrankung. Für die gezielte medikamentöse Behandlung akuter Porphyrie-Attacken gilt noch immer die Aussage der Konsensus-Konferenz von 1994: "Die Gabe von Häm (Normosang) und die Zufuhr großer Mengen an Kohlenhydraten sind spezifische Therapieformen. Die Therapie mit Häm ist wesentlich wirksamer als die mit Kohlenhydraten." Das Orphan-Medikament Hämarginat hemmt das erste Enzym bei der Hämsynthese und damit auch die Bildung der Porphyrinvorstufen und Porphyrine.

Die Vermeidung der Porphyrieauslöser sowie die frühzeitige Diagnose und Therapie der seltenen Stoffwechselkrankheit kann den betroffenen Menschen also ein (fast) normales Leben ermöglichen.

Die Porphyrie ist eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, die aufgrund ihres seltenen Auftretens zu den so genannten "Orphan-Krankheiten" zählt. Dabei hat diese Stoffwechselstörung als "Krankheit der Könige" schon den Lauf der Geschichte beeinflusst und durch Vincent van Gogh Eingang in die Kunst gefunden.

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