Berichte

Dichtung und Wahrheit bei der Bewertung von Studien

Seit vielen Jahren gibt es in Bayern die so genannte Seminarfortbildung, bei der in unmittelbarer Ortsnähe ca. 20 Kolleginnen und Kollegen von Multiplikatoren geschult werden. Auch in diesem Frühjahr wurden wieder 45 Veranstaltungen zwischen Altötting und Würzburg angeboten, diesmal hatte Dr. Markus Zieglmeier, Apotheke des Städt. Krankenhauses München-Bogenhausen, das Thema ausgearbeitet und die Multiplikatoren vorbereitet. Besonders auch unter dem Aspekt von aut idem werden Apotheken durch Pharmareferenten mit Hochglanzfoldern und klinischen Studien eingedeckt, deren Aussagen die Wirksamkeit der jeweiligen Fertigarzneimittel belegen sollen. Aber welche Studien sind aussagekräftig, wie viele Patienten/Probanden sind für eine gesicherte Wirksamkeit erforderlich, was ist eine Multicenterstudie oder eine Metaanalyse usw.? Darüber wurden die bayerischen Apotheker mit diesem Seminar informiert.

Für die qualitative Beurteilung von klinischen Studien können die in Tabelle 1 aufgeführten, zusammengefassten Kriterien herangezogen werden. In Bezug auf die Seriosität der Quelle sollte auch bewertet werden, über welches Renommee die vorgelegten wissenschaftlichen Zeitschriften verfügen, Beispiele für hochwertige Organe sind New England Journal of Medicine, The Lancet, British Medical Journal, arznei-telegramm und Arzneimittelbrief. Ein wesentliches Qualitätsmerkmal ist ferner die Struktur der Publikation (siehe Tab. 2).

Im methodischen Teil ist es erforderlich, dass Ausführungen darüber gemacht werden, ob die Studie placebokontrolliert (Fragestellung meist Wirksamkeit der Prüfsubstanz, evtl. niedrigere Fallzahl möglich) oder verum-kontrolliert (Vergleich mit einem etablierten Fertigarzneimittel, immer höhere Fallzahl nötig) ist.

Die Fallzahlen in der klinischen Prüfung belaufen sich in der Phase 1 (gesunde Probanden, Verträglichkeit, Pharmakokinetik) meist auf 10 bis 30 Personen, in der Phase 2 (Patienten, Dosisfindung) auf 100 bis 300, in der Phase 3 (Patienten, Wirksamkeit, Sicherheit) auf mehr als 1000 Personen. Nach der Zulassung tritt man in die Phase 4 ein, in der Vergleichsstudien und Anwendungsbeobachtungen in unterschiedlicher Patientenzahl erfolgen.

Bei der Randomisierung ist zu beachten, dass eine zufällige Zuweisung der Studienteilnehmer in die Studiengruppen (z. B. Verum- oder Placebogruppe) und keine Eingriffsmöglichkeiten für den Arzt oder die Studienteilnehmer bestehen. Das Ziel ist eine demographische Vergleichbarkeit der Gruppen. Einschluss- und Ausschlusskriterien sind sorgfältig zu beachten, da durch diese Manipulationen möglich sind. Verblindung erfolgt entweder einfach blind (d. h. nur der Teilnehmer weiß nicht, ob er Verum oder Placebo bekommt) oder doppeltblind, d. h. auch der Prüfarzt weiß nicht, welches der beiden der Teilnehmer bekommt.

Multizentrische Studien werden in mehreren Prüfzentren durchgeführt und haben den Vorteil einer kürzeren Studiendauer durch die höhere Fallzahl, aber den Nachteil der Erhöhung der Variablen durch die nichtidentische Methodik. Im Crossover-Design werden Verum und Placebo abwechselnd eingenommen, d. h. jeder Patient/Proband ist seine eigene Kontrolle. Die Reihenfolge Placebo – Verum bzw. Verum – Placebo muss aber randomisiert sein. Die Auswaschphase muss bei Crossover-Studien so lange sein, dass keine carry-over-Effekte auftreten können.

Ein Sonderfall einer medizinischen Arbeit ist die Metaanalyse. Dabei handelt es sich um die Auswertung mehrerer Originalarbeiten zum selben Thema. Damit können zwar manchmal notwendige extrem hohe Fallzahlen erreicht werden, aber die zusammengefassten Arbeiten können methodisch sehr unterschiedlich und damit wenig vergleichbar sein.

Die Teilnehmer des Seminars erhielten noch wertvolle Tipps und Tricks für eigene Recherchen (Tab. 3) und wurden mit einschlägiger Literatur bekannt gemacht.

Da die Seminararbeit nicht nur aus Zuhören sondern auch aus aktiver Mitarbeit besteht, konnten die Teilnehmer an gut ausgewählten, im Niveau sehr unterschiedlichen Arbeiten und Studien (Gelomyrtolstudie, Hox - Alpha-Broschüre, Simvastatinstudie, Agnus castus-Arbeit, Nahrungsergänzung mit Schwarzkümmelöl bei Allergien) den gelernten Stoff anwenden und ihr Wissen vertiefen. Wer das Seminar besucht hat, wird sicher mit kritischeren Sinnen die von Pharmareferenten überlassenen Arbeiten und Folder bewerten. Kastentext: Literaturtipps - Irmela Wagner, Lutz Heide: Bewertung klinischer Studien. In: Sonja Weinzierl: Praxis der Arzneimittelinformation Govi Verlag (Mai 2002) - Judith Günther: Anleitung zur Bewertung klinischer Studien. Deutscher Apotheker Verlag - H.-P. Beck-Bornholdt, H.-H. Dubben: Der Hund, der Eier legt. Erkennen von Fehlinformation durch Querdenken. rororo

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