Praxis

T. Müller-BohnRezeptur und Defektur – Welche

Die Rezeptur gilt vielen Apothekern als wirtschaftlicher Verlustbringer und manchen nur noch als traditionsreiches Relikt vergangener Tage. Auf den ersten Blick erscheinen neue Aufgaben der patientenorientierten Dienstleistung als Konkurrenz zu diesen etablierten Tätigkeiten. Doch wie aktiv sind die Apotheken tatsächlich in der Herstellung? Ist diese Tätigkeit rentabel oder kann sie es werden? Welche Zukunftsperspektiven bietet die Rezeptur für die Apotheken und ihre Patienten?

Bis zum Jahr 2000 existierten nur wenige empirische Daten über den Umfang der Herstellungstätigkeit in deutschen Apotheken und somit kaum Material, um solche Fragen fundiert zu beantworten. Die Angaben über den Anteil der Rezepturen am Gesamtumsatz der Apotheken schwanken zwischen deutlich unter 1% [3] und bis zu etwa 2,9% [10, ermittelt aus den Daten der Tabelle 55.3], wobei nicht alle Autoren deutlich machen, ob Zytostatikazubereitungen mit erfasst werden. Über die Verteilung dieser Umsätze auf verschiedene Darreichungsformen, die Nutzung der Defektur und den zeitlichen Aufwand für die Herstellung lagen nur wenige Daten vor [1, 4].

Um diese Lücke zu schließen, wurde im Frühjahr 2000 in Kooperation mit dem Landesapothekerverband Niedersachsen eine Umfrage unter den Mitgliedsapotheken durchgeführt. Dabei wurden in einem Fragebogen grundsätzliche Aspekte der Herstellungstätigkeit in der Apotheke erfragt und in einem gesonderten Erhebungsbogen die Herstellungen einer Woche ermittelt. Angesichts der relativ umfangreichen Fragen kann der Rücklauf von 99 Fragebögen aus 2048 Apotheken (4,83%), die das Rundschreiben erhalten haben, durchaus zufrieden stellen.

Rahmenbedingungen der Herstellungstätigkeit

In den 99 Apotheken finden demnach die folgenden Herstellungstätigkeiten statt (mit Mehrfachnennungen, siehe auch Abb. 1):

  • In 77 Apotheken (77,7%) werden Halbfertigwaren als Defekturen hergestellt,
  • in 65 Apotheken (65,7%) werden Defekturen gemäß Standardzulassungen und
  • in 35 Apotheken (35,4%) gemäß 100er-Regel angefertigt.
  • In 64 Apotheken (64,6%) werden Stada-Zulassungen genutzt,
  • in 40 Apotheken (40,4%) Nichtarzneimittel und in drei Apotheken (3,0%) individuelle Zytostatikazubereitungen hergestellt.
  • In 35 Apotheken (35,3%) ist ein QMS zumindest im Aufbau, während
  • in 51 Apotheken (51,1%) kein solches System besteht.
  • In 13 weiteren Apotheken (13,1%) werden einzelne Konzepte des Qualitätsmanagements für die Herstellungstätigkeit genutzt, ohne dass ein umfassendes QMS realisiert ist.

Für die Herstellungstätigkeit in einer Kalenderwoche wenden in den Apotheken Approbierte durchschnittlich 1,7 Wochenstunden (Standardabweichung 2,7 Wochenstunden), das übrige pharmazeutische Personal durchschnittlich 11,6 Wochenstunden (StAbw. 9,2 WStd.) und das nicht-pharmazeutische Personal im Durchschnitt 0,8 Wochenstunden (StAbw. 2,3 WStd.) auf.

Rezepturaufkommen ist ungleichmäßig verteilt

Auf den Erhebungsbögen wurden in einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 6,26 Tagen insgesamt 2776 Rezepturen erfasst. Demnach wurden etwa 28 Rezepturen pro Woche und Apotheke hergestellt, wobei die Anzahl der Rezepturen pro Apotheke sehr ungleichmäßig verteilt ist, wie Abbildung 2 und Tabelle 1 zeigen. Der Modalwert der Verteilung beträgt 16, der Median 19 Rezepturen pro Woche. Damit ist die Verteilung deutlich rechtsschief, d. h., neben vielen Apotheken mit unterdurchschnittlicher Rezepturhäufigkeit gibt es einige Apotheken mit sehr vielen Rezepturen.

Apotheken mit Hautarzt im Umfeld stellen erwartungsgemäß mehr Rezepturen her als andere Apotheken. Doch besteht keine hochsignifikante Abhängigkeit zwischen Rezepturhäufigkeit und Vorhandensein eines Hautarztes. Es gibt auch sehr rezepturaktive Apotheken ohne Hautarzt.

Wenn die ermittelte durchschnittliche Rezepturanzahl repräsentativ ist, dürften die deutschen Apotheken pro Jahr insgesamt etwa 31 Mio. Rezepturen¹ herstellen. Diese Rezepturen verteilen sich auf eine große Vielfalt von Darreichungsformen, die in Tabelle 2 näher aufgeschlüsselt sind. Erwartungsgemäß bilden die halbfesten Dermatika die weitaus größte Gruppe.

Nachholbedarf für standardisierte Rezepturen

Die Tabelle 2 zeigt außerdem, wie sich die erfassten Rezepturen auf standardisierte Zubereitungen aus etablierten Vorschriftensammlungen (z. B. DAC, NRF) und auf frei komponierte Zubereitungen verteilen. Insgesamt stehen den 377 (13,6%) standardisierten Rezepturen 2399 (86,4%) frei komponierte Rezepturen gegenüber. Erstaunlicherweise dominieren in einigen Apotheken die standardisierten Rezepturen ganz deutlich gegen den überwiegenden Trend zu "freien" Rezepturen. Dies ist möglicherweise auf das besondere Engagement einzelner Kollegen bei den Verordnern zurückzuführen.

Von den 2776 Rezepturen wurden 350 (12,6%) auf Kundenwunsch ohne ärztliche Verordnung hergestellt. Offenbar wird die Rezeptur durchaus auch unabhängig von der ärztlichen Verordnung als Serviceleistung in der Bevölkerung wahrgenommen und genutzt.

Auf den Erfassungsbögen wurde über insgesamt 71 Probleme berichtet, die bei der Herstellung der 2776 Rezepturen auftraten. Diese verteilten sich auf 34 Apotheken und wurden zumeist nach Rücksprache mit dem Verordner gelöst. In zwei Fällen konnte die Rezeptur wegen eines Problems nicht hergestellt werden.

Defektur meist noch ausbaufähig

In 39 Apotheken (39,4%) wurden im Beobachtungszeitraum 93 Defekturen durch einfache Abfüllvorgänge hergestellt. Pharmazeutisch interessanter sind "echte" Herstellungsvorgänge, die über das Abfüllen hinausgehen: In 43 Apotheken (43,4%) wurden im Beobachtungszeitraum 117 Defekturen hergestellt, um diese später weiter zu verarbeiten. In 26 Apotheken (25,5%) wurden 72 Defekturen mit 965 abgabefertigen Packungen hergestellt. Dies ergibt durchschnittlich 37,1 Packungen pro tätiger Apotheke im Beobachtungszeitraum bzw. 13,4 Packungen pro hergestellter Charge.

Rezeptur ist ein zeitaufwändiger Service

Im Rahmen der Umfrage wurde nicht ausdrücklich nach dem Zeitaufwand für einzelne Herstellungsvorgänge gefragt, um die Teilnehmer nicht zu sehr zu belasten. Doch lässt sich die durchschnittliche wöchentliche Herstellungszeit in eine Beziehung zu der erfassten Rezepturzahl setzen, wobei sich zufällige Schwankungen aufheben dürften. Unter dieser Prämisse wurde errechnet, wie viele Herstellungsvorgänge² eine Person in der Apotheke pro Stunde ausführt. Die Ergebnisse für die verschiedenen Häufigkeitsklassen der Rezepturen zeigt Tabelle 3.

Der Mittelwert der herstellungsaktivsten Gruppen von 3,96 Herstellungen pro Stunde entspricht einer Bearbeitungszeit von 15,2 Minuten pro Herstellung. Damit arbeiten die besonders herstellungsaktiven Apotheken deutlich schneller als die Apotheken der ersten drei Gruppen, die ähnliche Mittelwerte für die Herstellungszeit aufweisen (z. B. 2,48 Herstellungen pro Stunde, entsprechend 24,2 Minuten pro Herstellung). Möglicherweise ist das Herstellungspersonal in der herstellungsaktivsten Gruppe besser geübt oder die Herstellungstätigkeit ist besser organisiert. In der Umfrage gehören aber nur sieben Apotheken in diese Gruppe mit mehr als 50 Rezepturen pro Woche. Ein so umfangreicher Rezepturbetrieb ist demnach machbar, aber für die meisten Apotheken derzeit unrealistisch.

Die ermittelten Durchschnittswerte für die einzelnen Apotheken reichen von 0,31 bis 11 Herstellungen pro Stunde. Dies entspricht 194 bzw. 5,5 Minuten pro Herstellung. Diese Zahlen veranschaulichen, wie groß die Unterschiede bei der Übung oder Strukturierung der Rezepturtätigkeit, aber auch im Schwierigkeitsgrad der Zubereitungen sein können.

Aktuelle Untersuchung bestätigt frühere Umfragen

Als Vergleichsmöglichkeiten für die erhobenen Daten bieten sich einige Befragungen der Referenzapotheken der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker aus den Jahren 1984, 1985 und 1991 [4] sowie eine Umfrage der Apothekerkammer Niedersachsen von 1994 [l] an. Außerdem hat die Apothekerkammer Westfalen-Lippe im Frühjahr 2001 ihre Mitglieder zu diesem Thema befragt [2, 9].

Die Befragungen der Arzneimittelkommission ergaben jeweils 23 bis 30 Rezepturen pro Woche, die Umfrage der Apothekerkammer Niedersachsen 35,3 und die der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 22,3 Rezepturen pro Woche. Der hier ermittelte Wert von etwa 28 Rezepturen pro Woche liegt damit innerhalb der Spannweite der Mittelwerte der anderen Untersuchungen.

Hinsichtlich der Verteilung der Darreichungsformen fallen Vergleiche schwer, da die Untersuchungen die Zubereitungen nach verschiedenen Kriterien systematisieren. Doch zeichnen sich in allen Befragungen ähnliche Trends für die häufigen Darreichungsformen ab.

Bei den eher seltenen Arzneiformen ergeben sich z. T. größere Abweichungen, was aber bei kleineren Stückzahlen auf zufällige Schwankungen zurückgeführt werden kann. Insgesamt bestärken diese Übereinstimmungen wechselweise die Aussagekraft der Untersuchungen. Dies ist kein statistischer Beleg für die Repräsentativität der Befragungen, aber immerhin ein gutes Argument.

Weitere Kriterien sind nur zwischen einzelnen Untersuchungen zu vergleichen, weil nicht alle hier gestellten Fragen auch in den Vergleichsuntersuchungen vorkamen. Beim Anteil der Herstellungen auf Kundenwunsch überraschten die Umfragen der Arzneimittelkommission durch sehr hohe Werte von 28,1% bzw. 29,4% – gegenüber hier 12,6%.

Die Umfrage der Apothekerkammer Westfalen-Lippe fällt durch eine erstaunlich geringe Rate standardisierter Rezepturen von nur 6% auf – gegenüber 13,6%. Die Anzahl der hergestellten Defekturen stimmt in den Befragungen der Arzneimittelkommission und der hier dargestellten Umfrage gut überein. Es ergeben sich etwa zwei Herstellungsvorgänge pro Woche, bezogen auf alle beteiligten Apotheken³.

Sonderfall Zytostatikazubereitungen

Bei der hier beschriebenen Untersuchung gehen – wie bei allen Befragungen, die sich an die Gesamtheit der Apotheken richten – Zytostatikazubereitungen mengenmäßig in der großen Zahl der klassischen Rezepturen nahezu unter, zumal diese wegen der erforderlichen umfangreichen Ausstattung nur in wenigen Apotheken hergestellt werden. Hinsichtlich ihres wirtschaftlichen Wertes sind die Zytostatikazubereitungen hingegen sehr beachtlich. Allerdings kann dieser Ertrag für die Apotheken und auch der große Nutzen der ambulanten Zytostatikatherapie für die Patienten und die Kostenträger fairerweise nicht der klassischen Rezeptur zugerechnet werden.

Zytostatika werden in eigens dafür ausgerüsteten Räumen mit speziellen Herstellungsgeräten zubereitet und sind damit sachlich und wirtschaftlich von der übrigen Herstellungstätigkeit zu trennen. Klassische Rezeptur und Zytostatikazubereitung müssen jeweils für sich allein bezüglich ihres Nutzens und ihrer Kosten hinterfragt werden. Diese Kosten-Nutzen-Analyse wird im Folgenden nur für die klassische Rezeptur und Defektur vorgenommen.

Wie lässt sich die Rentabilität ermitteln?

Jede Rentabilitätsbetrachtung besteht aus einer Kosten- und einer Erlösrechnung. Es wird ermittelt, welche Kosten eine Produktion verursacht und welche Erlöse für die Produkte zu erzielen sind. Schließlich ist zu fragen, unter welchen Bedingungen die Erlöse die Kosten übersteigen.

Die Erlöse der Rezeptur werden bei der geltenden Rechtslage durch die Arzneimittelpreisverordnung bestimmt. Wenn der Erlösrechnung die so erzielbaren Preise zugrunde gelegt werden, gelten die daraus abgeleiteten Konsequenzen nur, sofern diese Rechtsgrundlage unverändert bleibt. So lässt sich nicht ermitteln, ob die Herstellungstätigkeit nach allgemeinen ökonomischen Kriterien rationell ist oder wie sie bei einer anderen Preisbildung zu bewerten wäre. Außerdem ist so weder eine gesamtgesellschaftliche Kosten-Nutzen-Betrachtung noch eine Bewertung aus der Perspektive der Kostenträger möglich, vielmehr wird allein die Perspektive der Apotheke eingenommen. Reine Preisvergleiche zielen dagegen nur auf die Kostenträger.

Viele Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit der Rezeptur in der pharmazeutischen Literatur sind daher nur sehr begrenzt aussagefähig [als Beispiele: 5, 8]. Doch würde eine umfassende ökonomische Betrachtung auch den Rahmen dieses Beitrages sprengen, sodass auch hier die Rentabilität nur unter den genannten Einschränkungen abgeschätzt werden soll.

Lohnt sich die Rezeptur ... ?

Außerdem müsste in einer umfassenden Kalkulation zwischen Voll- und Teilkostenrechnung unterschieden werden und begründet werden, für welche Entscheidungen die Voll- bzw. die Teilkosten heranzuziehen sind. Mit einer solchen Kostenrechnung wäre zu quantifizieren, welche betriebswirtschaftlichen Verluste bei der typischen Einzelrezeptur entstehen. Damit würde die immer wieder beschworene Mischkalkulation zwischen der Herstellungstätigkeit und wirtschaftlich günstigeren Tätigkeiten in der Apotheke zahlenmäßig fassbar. Mit solchen Daten ließe sich dann auch politisch argumentieren, um einen angemessenen Ausgleich für verlustbringende Tätigkeiten zu fordern.

Doch anstelle solcher umfassender ökonomischer Betrachtungen sollen hier nur einfache Minimalbedingungen für eine rentable Herstellungspraxis abgeschätzt werden. Diese wenden sich primär an die einzelnen Apotheken und weniger an die Politik.

Dafür wird unterstellt, dass die Substanzaufschläge gemäß Arzneimittelpreisverordnung die Kosten der Prüfung der Ausgangsstoffe decken. Die Kosten der Herstellung wären dann allein aus dem Arbeitspreis zu finanzieren. Für eine typische halbfeste Zubereitung in der kleinsten Mengenkategorie beträgt der Arbeitspreis 3,07 Euro.

Aus der oben dargestellten Umfrage ergeben sich etwa 24 Minuten als durchschnittlicher Zeitbedarf für eine Herstellungstätigkeit in den zahlenmäßig weitaus überwiegenden Apotheken mit weniger als 50 Rezepturen pro Woche (Tab. 1 und Tab. 3). Als durchschnittliche Arbeitskosten sollen 18,26 Euro pro Stunde4 angenommen werden. Für 24 Minuten, d. h. eine Rezeptur, wären dies 7,30 Euro. Demnach würde jede Herstellung im Durchschnitt zu einem Verlust von 4,23 Euro allein aufgrund der Arbeitskosten führen. Darin sind weitere Kosten für die Rezepturgeräte, den Raum sowie Reinigung und Instandhaltung noch nicht enthalten. Unter diesen Voraussetzungen dürfte eine Rezeptur 10,1 Minuten dauern, wenn der Arbeitspreis die Arbeitskosten decken soll. Wenn auch weitere Kosten zu decken wären, müsste die Rezeptur noch schneller auszuführen sein.

... oder die Defektur?

Solche Bearbeitungszeiten dürften bei Individualherstellungen allenfalls in besonders günstigen Ausnahmefällen zu erreichen sein, sie liegen weit entfernt von den Durchschnittswerten der Umfragedaten. Doch könnten sie erreicht werden, wenn Defekturen chargenweise hergestellt und dann nur noch individuell etikettiert werden oder wenn Halbfertigwaren weiterverarbeitet werden. Die Halbfertigwaren könnten zuvor defekturmäßig hergestellt oder von der Industrie als Konzentrate bezogen werden, die dann z. B. mit der Salbengrundlage auf eine individuelle Dosierung zu verdünnen wären.

Demnach verspricht die Defektur ein ökonomisch interessantes Potenzial, das in einer detaillierten Kostenrechnung zu hinterfragen wäre und Gegenstand einer wissenschaftlichen Arbeit ist. Die ökonomischen Erfordernisse stehen im Einklang mit der pharmazeutisch begründeten Forderung, verstärkt standardisierte Rezepturen einzusetzen [6, 7, 11]. Solche Zubereitungen sind hinsichtlich ihrer Herstellung und Anwendung erprobt, ihr Einsatz ist auch in Zeiten Evidenz-basierter Therapien begründbar und nicht selten ein Ersatz für fehlende Angebote im Programm der Industrie.

Was bringt die Zukunft?

Doch zeigen die dargestellten Umfrageergebnisse, dass die Realität von diesen pharmazeutischen und ökonomischen Idealvorstellungen relativ weit entfernt ist. Denn der Anteil der standardisierten Verordnungen beträgt nur 13,6%. In den Apotheken wird das Instrument der Defektur nicht umfassend genutzt. Soweit überhaupt Chargen mit abgabefertigen Packungen hergestellt wurden, wird die "100er-Regel" mit einer durchschnittlichen Chargengröße von etwa 13 Packungen bei weitem nicht ausgenutzt.

Eine Voraussetzung für eine gute pharmazeutische und ökonomische Zukunft der Herstellungstätigkeit in Apotheken ist demnach, die Vorteile standardisierter Rezepturen in der Ärzteschaft mehr bekannt zu machen. Dann sollten aber auch die verfügbaren Möglichkeiten in den Apotheken stärker ausgeschöpft werden. Dies eröffnet für eine spätere Zukunft möglicherweise ungeahnte Perspektiven, beispielsweise durch die individualisierte Therapie, die aus der Pharmakogenetik erwachsen könnte. So kann die Rezeptur wesentlich zu der allseits geforderten Patientenorientierung beitragen.

Kastentext: Das Wichtigste in Kürze

  • Pro Woche und Apotheke wurden etwa 28 Rezepturen hergestellt.
  • Apotheken mit Hautarzt im Umfeld stellen mehr Rezepturen her als andere Apotheken.
  • Die Rezeptur wird auch unabhängig von der ärztlichen Verordnung als Serviceleistung in der Bevölkerung wahrgenommen und genutzt.
  • Die besonders herstellungsaktiven Apotheken arbeiten deutlich schneller.
  • Für eine typische halbfeste Zubereitung in der kleinsten Mengenkategorie beträgt der Arbeitspreis 3,07 Euro.
  • Eine Rezeptur, die die Arbeitskosten abdeckt, dürfte nur 10,1 Minuten dauern.

Kastentext: Danksagung:

Der Autor bedankt sich herzlich bei Prof. Dr. Richard Süverkrüp, Pharmazeutische Technologie der Universität Bonn, für die großzügige Unterstützung bei dieser Arbeit. Die hier dargestellte Umfrage hätte ohne das Engagement des Landesapothekerverbandes Niedersachsen und die Bemühungen in den teilnehmenden Apotheken nicht durchgeführt werden können. Der Autor bedankt sich daher sehr für die tatkräftige Unterstützung durch den ABDA-Vizepräsidenten Heinz-Günter Wolf, durch den Geschäftsführer des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, Dr. Peter Moormann, und durch die Teams der teilnehmenden Apotheken. Außerdem richtet sich der Dank an Prof. Dr. Volker Dinnendahl für die Daten der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker.

Hinweis: Diese Veröffentlichung ist Teil eines Dissertationsprojektes des Autors zur Wirtschaftlichkeit der Eigenherstellung in Apotheken.

Fußnoten

¹ Zum Vergleich: Der Arzneiverordnungs-Report 2001 weist für das Jahr 2000 in der gesetzlichen Krankenversicherung 23,5 Mio. Rezepturverordnungen aus [10, Tabelle 55.3]. Hinzu kämen Privatverordnungen und Kundenwünsche ohne Verordnung.

² Als Herstellungsvorgänge werden hierbei Rezepturen und Defekturen zusammengefasst. In beiden Fällen ist die Spannweite für den Zeitaufwand bedingt durch unterschiedliche Darreichungsformen erheblich, somit steht der Durchschnittswert für die tatsächliche Verteilung der Rezepturen und Defekturen und ihrer Darreichungsformen in der Umfrage. Dies dürfte realitätsnäher sein als eine fragwürdige Differenzierung in unterschiedliche Herstellungsvorgänge. In die Untersuchung gehen 2776 Rezepturen und 198 Defekturen ein, somit dominieren die Rezepturen deutlich.

³ Im Vergleich hierzu weist die Umfrage der Apothekerkammer Westfalen-Lippe eine erheblich größere Zahl aus. Aus [2] lassen sich etwa 138 Rezepturen pro Woche errechnen. Vermutlich ist dies die Anzahl der hergestellten Packungen, nicht der Herstellungsvorgänge, was ohne Kenntnis der Chargengrößen nicht umzurechnen ist. Außerdem schließt die Umfrage in Westfalen-Lippe als einzige Umfrage auch Krankenhausapotheken ein, was die Vergleichbarkeit weiter einschränkt.

4 Die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover hat 1998 für Arbeitskräfte in der Rezeptur durchschnittliche Arbeitskosten von 33 DM pro Stunde ermittelt (persönliche Mitteilung). Erhöht um 2%ige Gehaltserhöhungen pro Jahr würde dies 18,26 Euro pro Stunde für 2002 ergeben.

Literatur [1] Apothekerkammer Niedersachsen (1994), Auswertung der Umfrage der Apothekerkammer Niedersachsen, in: Mitteilungsblatt der Apothekerkammer Niedersachsen 43, 169. [2] Apothekerkammer Westfalen-Lippe (2001), "Maßgeschneiderte" Arzneimittel aus der Apotheke sind gefragt!, Pressemitteilung vom 25. 9. 2001. [3] Birrenbach, G. (1999), Magistralrezeptur in der Apotheke, Dtsch. Apoth. Ztg. 139, 3056 – 3060. [4] Dinnendahl, V., persönliche Mitteilung über Umfragen unter den Referenzapotheken der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker in den Jahren 1984, 1985 und 1991. [5] Garbe, C., H. Reimann, C. Sander-Bähr (1996), Die wirtschaftliche Rezeptur, Grundlagen und Beispiele der Preiskalkulation, in: Garbe, C., H. Reimann, C. Sander-Bähr, Rationelle dermatologische Rezeptur, Stuttgart. [6] Gesellschaft für Dermopharmazie (1999), Leitlinien zur dermatologischen Rezeptur, Dtsch. Apoth. Ztg. 139, 1442 – 1445. [7] Gloor, M. (2000), Behandlung mit Spezialitäten und Magistralrezepturen, in: Gloor, M., K. Thoma, J. Fluhr, Dermatologische Extematherapie, Berlin und Heidelberg. [8] Herzfeldt, C.-D. (1992), Kalkulation, in: Herzfeldt, C.-D., Defektur, Eschborn. [9] Imhoff-Hasse, S. (2001), Hoher Stellenwert von Rezeptur, Apoth. Ztg. 17, Nr. 41, 8. [10] Nink, K., H. Schröder (2001), Ergänzende statistische Übersicht, in: Schwabe, U., D. Paffrath (Hrsg.), Arzneiverordnungs-Report 2001, Berlin und Heidelberg. [11] Süverkrüp, R. (2000), Inhalte eines QMS – Herstellung, in: Süverkrüp, R., T. Müller-Bohn (Hrsg.), Qualitätsmanagement in der Apotheke, 1. Ergänzungslieferung, Stuttgart.

Die Rezeptur gilt vielen Apothekern als Verlustbringer und erscheint auch nicht so wichtig angesichts der umfangreichen neuen Aufgaben in der pharmazeutischen Betreuung der Patienten und Kunden. Eine aktuelle Untersuchung zeigt allerdings, wie aktiv die Apotheken derzeit in der Herstellung sind, und sie zeigt, dass es bei der Verlustrechnung große Unterschiede gibt. Bei Ausnutzung der Vorteile, die standardisierte Rezepturen bieten, könnte die Rezeptur in der Apotheke sogar finanziell eine gute Zukunft haben.

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