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- DAZ 34/2002
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Arzneimittel und Therapie
Erhöhter Homocystein-Spiegel: Risikofaktor für eine Demenz?
Demenzerkrankungen, allen voran der Morbus Alzheimer, nehmen in einer alternden Gesellschaft zu und werfen große gesundheitspolitische, persönliche und wirtschaftliche Probleme auf. Da Therapie und Pflege von Demenzkranken sehr aufwendig sind und nur unzureichend bewältigt werden können, wendet man sich verstärkt der Frage zu, ob Demenzerkrankungen zu verhindern sind.
Um präventive Maßnahmen zu ergreifen, müssen Risikofaktoren gesucht werden. Einige dieser Faktoren sind bereits bekannt: Ein kardiovaskuläres Risikoprofil und/oder ein bereits erlittener Schlaganfall vergrößern die Wahrscheinlichkeit, an einer vaskulären Demenzerkrankung und am Morbus Alzheimer zu erkranken.
Ein wichtiger Risikofaktor für vaskuläre Erkrankungen ist ein hoher Homocystein-Spiegel. So konnte gezeigt werden, dass erhöhte Homocystein-Werte mit einem erhöhten Risiko für atherosklerotische Erkrankungen einhergehen. Diese Beobachtungen führten nun zur Hypothese, dass hohe Homocystein-Werte auch ein Risikofaktor für Demenzerkrankungen sind.
Häufiger Demenzerkrankung bei hohen Homocystein-Werten
Für die prospektive Studie wurden 1092 Teilnehmer im Durchschnittsalter von 76 Jahren ausgewählt. Diese Probanden waren bereits vor Jahren in die Framingham-Studie aufgenommen worden, sodass ihre Daten über einen langen Zeitraum hinweg bekannt waren. Unter anderem lagen auch die Plasmahomocystein-Werte vor. Diese wurden altersabhängig in vier Quartile eingeteilt: Quartil 1 entsprach dem niedrigsten, Quartil 4 dem höchsten Homocystein-Spiegel.
Zu Studienbeginn zeigte keiner dieser Probanden Anzeichen einer Demenzerkrankung. Nach acht Jahren hatten 111 Studienteilnehmer eine Demenzerkrankung entwickelt, davon 83 eine Alzheimer-Demenz. Unter Berücksichtigung diverser Risikofaktoren (Alter, Geschlecht, Apolipoprotein-E-Genotyp, Rauchverhalten, kardiovaskuläre Risikofaktoren etc. sowie den Plasmawerten von Vitamin B12, B6 und Folsäure) wurde statistisch der Zusammenhang zwischen der Häufigkeit einer Demenzerkrankung und dem Homocystein-Wert ermittelt.
Dabei zeigte sich, dass das Risiko einer Demenzerkrankung und speziell eines Morbus Alzheimers mit einem Homocystein-Spiegel im 4. Quartil 1,9fach höher lag als mit einem Homocystein-Spiegel in den Quartilen 1 bis 3. Dabei entsprach eine Erhöhung des Serumhomocystein-Wertes um 5 µmol/l einer Risikozunahme von 40%. Bei Homocystein-Spiegeln über 14 µmol/l war das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung beinahe verdoppelt.
Substitution von B-Vitaminen und Folsäure?
Die Substitution von Folsäure, alleine oder in Kombination mit Vitamin B12 und B6, kann den Homocystein-Spiegel senken. In den USA wird bereits der Verzehr folsäureangereicherter Nahrungsmittel wie Getreideprodukte (Frühstücksflocken, Verwendung bestimmter Mehlsorten etc.) empfohlen. Ob durch eine diätetische Absenkung des Homocystein-Spiegels allerdings auch die Inzidenz von Demenzerkrankungen gesenkt werden kann, muss erst in weiteren kontrollierten, prospektiven Studien nachgewiesen werden.
Kastentext: Homocystein
Die Aminosäure Homocystein entsteht als kurzzeitiges Zwischenprodukt aus dem Methylgruppendonator Methionin und wird normalerweise rasch mit Hilfe von Folsäure, Vitamin B6 und B12 in Methionin zurückverwandelt oder mithilfe von Vitamin B6 zu Cystathion weiter verstoffwechselt. Bislang sind noch keine einheitlichen Normwerte für Homocystein festgelegt.
Im Hinblick auf die potenziell negativen Folgen erhöhter Homocystein-Werte neigt man heute dazu, die Normwerte eher tiefer anzusetzen, einigen Empfehlungen zufolge liegt der Grenzwert bereits zwischen 8 µmol/l und 10 µmol/l; bei Werten > 14 µmol/l liegt eine Hyperhomocysteinämie vor. Die Plasmahomocystein-Werte steigen im Alter an.
Die Ursachen für erhöhte Homocystein-Spiegel sind nur unzureichend bekannt; infrage kommen u. a. genetische Faktoren sowie eine Unterversorgung mit Folsäure und den Vitaminen B6 und B12. Hohe Homocystein-Werte sind Risikofaktoren für eine Karotis-Atherosklerose, für Thromboembolien, für einen Schlaganfall und werden ferner mit cerebraler Mikroangiopathie, endothelialer Dysfunktion und erhöhtem oxidativem Stress assoziiert. In Tierversuchen wurde eine neurotoxische Wirkung erhöhter Homocystein-Konzentrationen nachgewiesen.
Literatur
Seshadri S., et al.: Plasma homocysteine as a risk factor for dementia and Alzheimer's disease. N. Engl. J. Med. 346, 476 - 483 (2002). Loscalzo, J.: Homocysteine and dementias. N. Engl. J. Med. 346, 466 - 468 (2002).
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