Arzneimittel und Therapie

Osteoporoseforschung: Vitamin K1 normalisiert den gestörten Knochenstoffwechs

Die Tatsache, dass der Knochen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit an Masse verliert, beschäftigt die Kosmosforschung seit langem. Die Osteoporoseforschung ist daher ein gegenwärtiger und zukünftiger Schwerpunkt der internationalen Raumfahrtmedizin. Dabei interessieren auch Wirkstoffe, die in der Lage sind, den bei Raumfahrern gestörten Knochenstoffwechsel wieder zu normalisieren und damit die Gefahr spontaner Frakturen zu reduzieren. Mit diesem Ziel wurden auf dem russischen Raumschiff Mir Experimente auch mit Vitamin K1 durchgeführt.

Der Ausgangspunkt für diese Experimente mit Vitamin K1 liegt bei französischen Forschern der Jean Monnet Universität von Saint-Etienne. Diese untersuchten gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland und Russland den Knochenstoffwechsel von zwei Kosmonauten des Raumschiffes Mir während einer 180-tägigen Raumfahrtmission. Dabei interessierten sich die Raumforscher nicht nur dafür, wie die biochemischen Vorgänge im Knochen in der Schwerelosigkeit vor sich gehen, sondern auch, ob es möglich ist, diese Vorgänge durch Gabe von Vitamin K günstig zu beeinflussen. Diese Überlegung erwies sich als überaus glücklich. Die Gabe von Vitamin K während des Raumfluges "normalisierte" den gestörten Knochenstoffwechsel der Raumfahrer fast bis auf den Zustand vor Beginn des Raumfluges.

Regulierung der Blutgerinnung

Vitamin K1 ist für die Medizin schon seit langem interessant, allerdings in einer etwas anderen Richtung: zur Beeinflussung der Blutgerinnung. Diese Wirkung von natürlich vorkommenden und synthetisch hergestellten K-Vitaminen führte auch zu deren Anwendung bei Blutgerinnungsstörungen. Die Ursache dieses gerinnungsregulierenden Vitamin-K-Effektes liegt darin, dass es die an der Blutgerinnung beteiligten Eiweiße in ihre wirksame Form überführt. Ähnliche Vorgänge, wie bei den Eiweißen der Blutgerinnungskaskade, löst das Vitamin K auch im Stoffwechsel des Knochens aus. Die Vitamin-K-abhängigen Eiweiße des Knochenstoffwechsels werden vom Körper benötigt, um lebensnotwendige Calciumionen mit hoher Affinität zu binden. Erst durch diesen Vorgang kommt es zu einer normalen Blutgerinnung bzw. zu einem normalen Knochenstoffwechsel. Dieses vom Vitamin K regulierte und für die Knochenmineralisation notwendige Eiweiß wird als Osteocalcin bezeichnet. Ohne ausreichenden Vitamin-K-Spiegel wird Osteocalcin nur unzureichend carboxyliert und in die funktionell wirksame Form überführt. Das (gamma)-carboxylierte Osteocalcin benutzten deshalb auch die Raumforscher als Marker für den Knochenstoffwechsel bei ihren Weltraumexperimenten. Dabei stellten sie fest, dass eine Vitamin-K-Supplementierung, also eine Gabe von Vitamin K zusätzlich zur Nahrung, den bei Raumfahrern erniedrigten Anteil an (gamma)-carboxyliertem Osteocalcin wieder normalisiert.

Ist Vitamin K für die Knochengesundheit nötig?

Nicht nur die Gemeinsamkeiten der biochemischen Vitamin-K-Wirkung auf die Blutgerinnung und den Knochenstoffwechsel, sondern auch klinische Fakten sprechen für eine Anwendung von Vitamin K bei Störungen des Knochenstoffwechsels. Im vergangenen Jahr wurde eine umfangreiche Studie an über 70 000 Frauen im Alter von 38 bis 63 Jahren veröffentlicht, in der ein signifikant niedrigeres Risiko von Oberschenkelhalsfrakturen bei ausreichender Zufuhr von Vitamin K festgestellt wurde. In gleicher Weise wurde unter Vitamin-K-Gaben bei Osteoporosepatienten eine Zunahme der Knochendichte erzielt.

Umgekehrt zeigten Osteoporosepatienten erniedrigte Vitamin-K-Spiegel im Serum, und auch bei Frauen mit Oberschenkelhalsfrakturen wurden kurz nach der Fraktur erniedrigte Serum-Vitamin-K-Spiegel gemessen. Ähnlich verhält es sich mit dem Spiegel an (gamma)-carboxyliertem, also funktionell aktivem Osteocalcin, der in solchen Fällen erniedrigt ist. Die Patienten zeigen ähnliche Befunde wie die Raumfahrer vor und nach der Gabe von Vitamin K.

Einflussfaktoren auf den Knochenstoffwechsel

Welche Konsequenzen sind nun aus diesen neueren Entwicklungen um das Vitamin K für die Medizin abzuleiten? Anlässlich des Weltosteoporosetages im letzten Jahr konnte man an vielen Stellen lesen, dass die Weltgesundheitsorganisation die Osteoporose weltweit als eine der zehn bedeutendsten Erkrankungen eingestuft hat. Die Spätkomplikationen einer Osteoporose, die teiltraumatischen oder atraumatischen Knochenbrüche, verursachen zur Zeit noch Kosten, die pro Jahr in die Milliarden gehen. Für die Therapie der Osteoporose stehen zur Zeit schon eine Reihe wirksamer Medikamente zur Verfügung, auch das in Bezug zum Knochenstoffwechsel bisher besser bekannte Vitamin D. Dieses Vitamin greift jedoch an einer anderen Stelle des Knochenstoffwechsels an als das Vitamin K. Während Vitamin K das Osteocalcin, also die calciumbindende Matrix (Grundstruktur) des Knochens, reguliert, hat das Vitamin D einen anderen Mechanismus.

Dieses Vitamin reguliert zum einen die Aufnahme von Calcium aus dem Darm und die Wiederaufnahme dieses für die Mineralisation des Knochens notwendigen Elementes. Zusätzlich hat Vitamin D noch einen weiteren Effekt: Es beeinflusst die Zellen, die am Auf- und Abbau des Knochens beteiligt sind. Die beiden Vitamine greifen also an verschiedenen Stellen des Knochenstoffwechsels an; d. h. beide sind "Verbündete", die auf unterschiedlichen Wegen das gleiche Ziel verfolgen: eine ausreichende Knochendichte und damit Knochenbelastbarkeit zu erreichen.

Kastentext: Vitamin-K-Gruppe

Die Vitamine der K-Gruppe besitzen als Grundkörper das 2-Methyl-naphtho-1,4-chinon. Entsprechend der in Position 3 angefügten Seitenkette werden Vitamin K1, K2 und K3 unterschieden. Das physiologische K-Vitamin ist das Menachinon. Es kann durch Phytomenadion, das in grünen Pflanzenteilen vorkommt, ersetzt werden.

Durch Abspaltung des Phytylrestes von Phytomenadion durch Bakterien der menschlichen Darmflora entsteht Menadion, das im Organismus teilweise in Menachinon umgewandelt wird. Die Verbindungen der Vitamin-K-Gruppe sind beim Menschen und bei höheren Tieren unter anderem für die Bildung der Gerinnungsfaktoren verantwortlich. Bei Mangel an Vitaminen der K-Gruppe kommt es zu Blutgerinnungsstörungen, die zu lebensgefährlichen Blutungen führen können.

  • Seitenkette: Phytyl-Rest, Name: Phytomenadion, Phyllochinon, Vitamin K1, eingetragenes Warenzeichen: Kanavit, Konakion, Phytomenadion-Rotexmedica
  • Seitenkette: 4 Isoprenreste, Name: Menachinon-4, Vitamin K2(20)
  • Seitenkette: 6 Isoprenreste, Name: Menachinon-6, Farnochinon, Vitamin K2(30)
  • Seitenkette: 7 Isoprenreste, Name: Menachinon-7, Vitamin K2(35)
  • Seitenkette: H, Name: Menadion, Vitamin K3

Kastentext: Vitamin-K-Mangel beim Menschen?

Der tägliche Bedarf des Menschen an Vitaminen der K-Gruppe wird auf 1 bis 4 mg geschätzt. Der Bedarf kann auch teilweise durch die Bakterienflora des menschlichen Darmes (Syntheseleistung etwa 1,5 mg/d) gedeckt werden. Ein nahrungsbedingter Vitamin-K-Mangel ist selten. Durch unzureichende Aufnahme aus dem Darm und durch unzureichende Ausnutzung im Körper sowie aufgrund von Nebenwirkungen einer Reihe von Arzneimitteln z. B. nach Antibiotikatherapien kann es zu Vitamin-K-Mangelsymptomen (Blutungen, "blaue Flecken") kommen.

Auch Fettresorptionsstörungen oder Lebererkrankungen bedingen ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-K-Mangel. Diskutiert wird auch ein erhöhter Bedarf während des Wachstums, unter der Schwangerschaft, bei der Wundheilung, bei Infektionen und auch unter Stressbelastung.

Vitamin K1 kommt an sich ausreichend in grünen Pflanzen vor. Die beste Nahrungsquelle für Vitamin K sind grüne Blattgemüse wie Spinat, Broccoli, Kohl und Kopfsalat. Andere sehr gute Quellen sind Rinderleber, Sojabohnen und grüner Tee. Wichtige Lieferanten sind aber auch Eidotter, Hafer, Vollweizen, Kartoffeln, Tomaten, Spargel, Butter und Käse. Geringere Werte werden in Rind- und Schweinefleisch gefunden, in Schinken, Milch, den meisten Früchten und vielen anderen Gemüsesorten.

Die Tatsache, dass der Knochen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit an Masse verliert, beschäftigt die Kosmosforschung seit langem. Dabei interessiert man sich nicht nur dafür, wie die biochemischen Vorgänge im Knochen in der Schwerelosigkeit vor sich gehen, sondern auch, ob es möglich ist, diese Vorgänge durch Gabe von Vitamin K günstig zu beeinflussen. Die Gabe von Vitamin K1 während des Raumfluges "normalisierte" den gestörten Knochenstoffwechsel der Raumfahrer fast bis auf den Zustand vor Beginn des Raumfluges.

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