Arzneimittel und Therapie

Heart Protection Study: Antioxidative Vitamine sind kein Schutz für Risikopatie

Aufgrund eines "wahrscheinlichen Nutzens" und eines eher unwahrscheinlichen Risikos wurde Menschen im mittleren und hohen Alter bislang die tägliche Einnahme einiger 100 mg Vitamin E, eventuell zusammen mit anderen antioxidativen Vitaminen, empfohlen. Die Heart Protection Study zeigte jedoch wie auch andere große randomisierte Studien keinen Nutzen der hoch dosierten Einnahme antioxidativer Vitamine bei koronaren Risikopatienten.

LDL-Cholesterol wird durch oxidative Veränderung noch atherogener; es kann sich besser in den Arterienwänden anreichern. Ein wichtiges Antioxidans in LDL-Partikeln ist Vitamin E. Zusammen mit Vitamin E befindet sich Betacaroten im Fettkern der LDL-Partikel. Betacaroten fungiert unter bestimmten Bedingungen ebenfalls als fettlösliches Antioxidans. Vitamin C, ein wichtiges wasserlösliches Antioxidans im Plasma, unterstützt die Wiedergewinnung von Vitamin E aus seiner oxidierten Form.

In mehreren Beobachtungsstudien waren die Gefäßerkrankungsrate und -sterblichkeit umgekehrt proportional zur Zufuhr antioxidativer Vitamine. Außerdem traten bei hoher Zufuhr antioxidativer Vitamine mit der Nahrung verschiedene Krebserkrankungen seltener auf. In größeren randomisierten Studien konnte allerdings noch kein Nutzen einer langfristigen Vitaminpillen-Einnahme gezeigt werden.

Jetzt wurde im Rahmen der Heart Protection Study die Wirkung einer fünfjährigen Einnahme von Vitamin E, Betacaroten und Vitamin C auf gefäßbedingte und nicht-gefäßbedingte Todesfälle und die Häufigkeit schwerer Erkrankungen untersucht. Die Studie hatte ein 2x2-faktorielles Design; einerseits wurden die Vitamine mit Plazebo verglichen, andererseits der CSE-Hemmer Simvastatin mit Plazebo. Die Ergebnisse der Simvastatin-Einnahme wurden getrennt berichtet (siehe DAZ 49/2002, S. 54).

Über 20 000 Menschen mit hohem koronarem Risiko einbezogen

Zwischen Juli 1994 und Mai 1997 wurden an 69 Kliniken in Großbritannien 20 536 Personen in die Studie aufgenommen. Sie waren 40 bis 80 Jahre alt und hatten ein hohes Risiko für einen koronaren Herztod in den nächsten fünf Jahren. Sie mussten nicht unbedingt an koronarer Herzkrankheit leiden, sondern konnten auch eine andere arterielle Verschlusskrankheit (zerebrovaskulär oder peripher), einen Diabetes mellitus oder einen behandelten Bluthochdruck haben. Patienten, die bereits hoch dosiert Vitamin E einnahmen oder bei denen eine solche Einnahme indiziert war, wurden ausgeschlossen.

In einer Run-in-Phase bekamen alle Teilnehmer antioxidative Vitamine. Diejenigen, die in dieser Zeit weder schwere Gefäßereignisse noch andere schwere Probleme hatten, erhielten anschließend randomisiert zur täglichen Einnahme entweder Kapseln mit 600 mg synthetischem Vitamin E, 250 mg Vitamin C und 20 mg Betacaroten (n = 10 269) oder ein Plazebo (n = 10 267).

Die Behandlung war für fünf Jahre geplant, und die Patienten wurden auch durchschnittlich fünf Jahre lang nachbeobachtet. Sie kamen nach 4, 8 und 12 Monaten und anschließend halbjährlich zu Untersuchungen in die Klinik. Bei etwa 5% der Teilnehmer wurden zu Beginn und nach drei Jahren die Vitamin-Konzentrationen im Blut bestimmt.

Primäre Zielkriterien waren:

  • Herzinfarkt oder Koronartod (= schwere Koronarereignisse)
  • Koronartod Zu den sekundären Zielkriterien gehörten schwere Koronarereignisse und schwere Gefäßereignisse (Koronarereignisse, Schlaganfälle, Revaskularisationsmaßnahmen) in den ersten beiden und in den letzten drei Behandlungsjahren sowie in verschiedenen Teilnehmergruppen.

    Ein Viertel der Teilnehmer waren Frauen. 28% der Patienten waren 70 Jahre oder älter. 41% hatten bereits einen Herzinfarkt erlitten, 24% andere Formen der KHK. 35% waren zu Beginn KHK-frei.

    Im Durchschnitt waren in beiden Behandlungsgruppen 83% der Patienten therapietreu. Sie hatten seit der letzten Untersuchung mindestens 80% der vorgesehenen Vitamin- oder Plazebokapseln eingenommen.

    In allen Zielkriterien kein signifikanter Unterschied

    Die Studie ergab für keines der untersuchten Kriterien einen signifikanten Unterschied zwischen Vitamin- und Plazebo-Gruppe:

    • In der Vitamin-Gruppe starben 1446 Patienten (14,1%), in der Plazebogruppe 1389 (13,5%).
    • An einem gefäßbedingten Tod starben 878 (8,6%) gegenüber 840 Patienten (8,2%), an einem nicht-gefäßbedingten Tod 568 (5,5%) gegenüber 549 (5,3%).
    • Die Koronarsterblichkeit in der Vitamin-Gruppe war nicht signifikant erhöht: Hier starben 664 Patienten am Koronartod (6,5%), in der Plazebo-Gruppe 630 (6,1%).
    • Mit Vitaminen behandelt, erlitten 1063 (10,4%) einen Herzinfarkt oder Koronartod, mit Plazebo behandelt 1047 (10,2%).
    • 511 Vitamin-Patienten und 518 Plazebo-Patienten (beide 5,0%) hatten einen Schlaganfall.
    • Bei 1058 Vitamin-Patienten (10,3%) und bei 1086 Plazebo-Patienten (10,6%) musste eine Revaskularisationsmaßnahme durchgeführt werden.
    • Die Rate der ersten schweren Gefäßereignisse unterschied sich weder in den ersten beiden noch in den folgenden Behandlungsjahren zwischen den Gruppen. Auch in Untergruppen (z. B. nach Geschlecht, Alter, Vorerkrankung) bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungen.
    • Die Vitamin-Einnahme hatte keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Krebserkrankungen und auf die Krankenhausaufnahme aufgrund bestimmter nicht-gefäßbedinger Krankheiten (z. B. chronisch-obstruktiver Lungenerkrankungen, Bonchialasthma, Katarakte).

    Die fünfjährige Einnahme eines Präparates aus 600 mg Vitamin E, 250 mg Vitamin C und 20 mg Betacaroten erwies sich in dieser Studie als sicher: Es gab keine signifikante Zunahme der Herzinfarkte, Schlaganfälle, Krebserkrankungen und anderer schwerer Ereignisse. Allerdings konnte trotz deutlich erhöhter Vitamin-Plasmakonzentrationen auch kein Nutzen der Vitamin-Gabe im Hinblick auf schwere Koronar- und Gefäßereignisse festgestellt werden.

    Selbst in den letzten Behandlungsjahren deutete sich noch kein Nutzen der Vitamine an. Die Teilnehmer werden weiterhin nachbeobachtet, um verzögert eintretende Wirkungen zu erfassen.

    Maßnahmen mit erwiesenem Nutzen empfehlen

    Die bislang übliche Empfehlung antioxidativer Vitamine für Menschen im mittleren und hohen Alter lässt sich aufgrund dieser Studienergebnisse nicht mehr rechtfertigen. Statt dessen sollte man Risikopatienten Behandlungen und Maßnahmen empfehlen, die erwiesenermaßen vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen. Dazu gehören Acetylsalicylsäure, CSE-Hemmer, ACE-Hemmer, Betablocker und Antihypertensiva, aber auch die körperliche Aktivität und die Raucherentwöhnung.

    Literatur

    Heart Protection Study Collaborative Group: MRC/BHF Heart Protection Study of antioxidant vitamin supplementation in 20 536 high-risk individuals: a randomised placebo-controlled trial. Lancet 360, 23 – 33 (2002). Yusuf, S.: Two decades of progress in preventing vascular disease. Lancet 360, 2 – 3 (2002).

  • Aufgrund eines "wahrscheinlichen Nutzens" und eines eher unwahrscheinlichen Risikos wurde Menschen im mittleren und hohen Alter bislang die tägliche Einnahme einiger 100 mg Vitamin E, eventuell zusammen mit anderen antioxidativen Vitaminen, empfohlen. Die Heart Protection Study zeigte jedoch keinen Nutzen der hoch dosierten Einnahme antioxidativer Vitamine bei koronaren Risikopatienten.

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