Technologie

C. Notheis et al.Aut idem bei Metoprolol retard

Zu den Rahmenbedingungen der Arzneimitteltherapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen zählen laut Sozialgesetzbuch V nicht nur Anforderungen an Wirksamkeit, Nutzen und Qualität eines Arzneimittels, sondern auch eine wirtschaftliche Arzneimittelverordnung durch die Ärzte. Bereits im Laufe des Jahres 2001 warf der Neuentwurf der Aut-idem-Regelung seine Schatten voraus, indem viele Ärzte an Stelle von Innovatorprodukten preisgünstigere Generika verschrieben. Im Apothekenalltag fiel zu diesem Thema insbesondere auf, dass viele Ärzte Beloc-Zok®, ein Metoprolol-Retardpräparat mit "neuartigem" galenischem Konzept, durch "herkömmliche" Metoprolol-Retardpräparate austauschten. Ein solcher Austausch erscheint jedoch aufgrund der völlig unterschiedlichen Galenik unvertretbar. Dies bestätigte eine Untersuchung, die im Rahmen einer Seminararbeit am Institut für Pharmazeutische Technologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt durchgeführt wurde.

Wirkprofil von Metoprolol

Metoprolol (Abb. 1) ist ein selektiver β-Blocker mit höherer Affinität zu den β1-Rezeptoren, die vorwiegend am Herzmuskel lokalisiert sind. Aufgrund dieser Kardioselektivität ist er teilweise frei von den Nebenwirkungen nichtselektiver β-Blocker.

Bei höheren Dosierungen hat Metoprolol allerdings auch einen Einfluss auf β2-Rezeptoren, welche an Bronchien und Blutgefäßen lokalisiert sind. Eine Anwendung von Metoprolol bei Asthma bronchiale oder bei peripheren Durchblutungsstörungen ist daher kontraindiziert [1, 2].

Metoprolol hat keine intrinsische sympathomimetische Aktivität und nur eine schwach ausgeprägte membranstabilisierende Wirkung. Nach peroraler Applikation wird der Wirkstoff nahezu vollständig und rasch aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert. Wegen eines ausgeprägten First-pass-Metabolismus liegt die systemische Verfügbarkeit allerdings nur bei ca. 35 bis 50%.

Das relativ lipophile Molekül hat eine kurze Plasmahalbwertszeit von 3 bis 4 Stunden. Betrachtet man die kardiale Wirkung, so beträgt die Wirkdauer im Mittel jedoch das 2- bis 3fache der Plasmahalbwertszeit, und im Falle der antihypertensiven Wirkung kann man sogar noch längere Wirkdauern erzielen [1].

Metoprolol zeigt Wechselwirkungen mit einigen anderen Medikamentengruppen, sodass bei multimorbiden Patienten streng auf die gesamte Medikation geachtet werden muss. So kann es z. B. die Wirkung von Insulin und oralen Antidiabetika verstärken oder verlängern und die Warnzeichen einer Hypoglykämie verschleiern oder abmildern, weshalb eine regelmäßige Kontrolle des Blutzuckerspiegels unabdingbar ist.

Bei gleichzeitiger Gabe von trizyklischen Antidepressiva, Narkotika, Barbituraten, Phenothiazinen, Glyceroltrinitrat, Diuretika, Vasodilatatoren und anderen blutdrucksenkenden Mitteln kann es zu einem verstärkten Blutdruckabfall kommen.

Bei der gleichzeitigen Gabe von Metoprolol und Calciumantagonisten können Herzrhythmusstörungen auftreten, ebenfalls können sich die kardiodepressiven Wirkungen von Metoprolol und diversen Antiarrhythmika addieren.

Wegen möglicher überschießender Hypertension sollten MAO-Hemmer nicht zusammen mit Metoprolol angewendet werden, aus gleichem Grund ist auch eine Komedikation mit Clonidin nur unter besonderen Bedingungen möglich. Adrenalin, Noradrenalin oder andere sympathomimetisch wirkenden Substanzen wie sie z. B. in Hustenmitteln, Nasen- oder Augentropfen enthalten sind, können ebenfalls in Kombination mit Metoprolol zu einem beträchtlichen Blutdruckanstieg führen.

Vor einem operativen Eingriff in Allgemeinnarkose oder vor der Anwendung peripherer Muskelrelaxanzien muss der Arzt über die Behandlung mit Metoprolol informiert werden, da sich die Wirkungen dieser Präparate addieren können [2, 3, 4].

Handelspräparate

In handelsüblichen Fertigarzneimitteln wird Metoprolol in Form zweier seiner Salze eingesetzt, diese sind Metoprolol(hemi)succinat in der Beloc-Zok® Präparateserie der Firma AstraZeneca und Metoprolol(hemi)tartrat in allen übrigen Fertigarzneimitteln des deutschen Marktes [2, 3].

Bedingt durch die unterschiedlichen Molekülmassen kommt es zu unterschiedlichen Mengen der Metoprololsalze in den Tabletten. Eine Dosierung von 95 mg Metoprolol(hemi)succinat entspricht im Metoprololgehalt jedoch letztendlich einer Dosierung von 100 mg Metoprolol(hemi)tartrat.

Metoprolol(hemi)tartrat-Fertigarzneimittel sind zugelassen zur Therapie der koronaren Herzkrankheit, funktioneller Herz-Kreislauf-Störungen, arterieller Hypertonie, tachykarder Herzrhythmusstörungen, zur Reinfarkt- und Migräneprophylaxe und zur Akutbehandlung des Herzinfarktes (Tab. 1).

Beloc-Zok®, die einzige Präparateserie mit dem Salz Metoprolol(hemi)succinat, darf über diese Indikationen hinaus außerdem bei stabiler, chronischer, nur gering bis mäßig ausgeprägter Herzinsuffizienz angewendet werden, besitzt also im Vergleich zu den Metoprolol(hemi)tartrat-Formulierungen ein erweitertes Indikationsfeld (Tab. 2) [3, 4, 5].

Galenische Konzepte

Anhand des unterschiedlichen Freisetzungsverhaltens können die Metoprolol-Präparate des deutschen Marktes [5] in drei Gruppen unterteilt werden:

  • schnell freisetzende Präparate, die den Wirkstoff innerhalb kurzer Zeit an ihre Umgebung abgeben.
  • Retardpräparate mit einem "herkömmlichen" Retardüberzug aus Eudragit® RS/RL, die den Wirkstoff über einen längeren Zeitraum freisetzen.
  • Retardpräparate mit "neuartigem" galenischem Konzept, d.h. mit überzogenen Mikropellets oder wirkstoffhaltigen Polymermatrices.

Beloc-Zok® Tabletten gehören in die letztgenannte Gruppe. Sie werden aus zahlreichen ca. 0,5 mm großen, von einer Polymerhülle umgebenen Pellets aufgebaut. In Kontakt mit Wasser zerfällt die Tablette und gibt augenblicklich die Pellets frei. Die Polymerhülle der Pellets quillt und ermöglicht das Eindringen des Wassers in den Kern. Hierdurch wird der Wirkstoff gelöst, erreicht annähernd die Sättigungsgrenze und diffundiert langsam durch die Polymermembran.

Der im Pellet entstehende Konzentrationsgradient ist während des gesamten Auflöseprozesses relativ konstant und flach, da die Diffusionskonstante des Wirkstoffs innerhalb des Pellets wesentlich höher ist als in der gequollenen Polymermembran [6]. Streng genommen liegt hier eine Freisetzungskinetik 1. Ordnung vor. Da die Wirkstoffkonzentration an der Innenseite der Polymermembran aber als konstant zu betrachten ist, solange im Inneren noch ungelöster Wirkstoff vorliegt, handelt es sich insgesamt nahezu um eine Freisetzungskinetik 0. Ordnung (Abb. 2).

Die Generikapräparate mit "neuartiger" Retardierung, welche ebenfalls eine Freisetzungskinetik 0. Ordnung postulieren, haben eine andere Galenik: Bei ihnen ist der Wirkstoff in eine Polymermatrix eingebettet. Nach peroraler Einnahme quillt die Matrixtablette durch die Verdauungssäfte schnell auf, und es bildet sich an der Oberfläche eine Quellschicht aus, durch die der Wirkstoff nur langsam diffundieren kann.

Da die Konzentration des gelösten Wirkstoffes innerhalb der Matrix als konstant betrachtet wird, liegt auch hier nahezu eine Freisetzungskinetik 0. Ordnung vor. Die Matrix wird während der Passage des Magen-Darm-Traktes überwiegend durch Erosion abgebaut, Reste werden mit den Fäzes ausgeschieden.

Applikation

Die Einnahme oraler Metoprolol-Präparate sollte zu oder nach der Mahlzeit erfolgen. Bei schnell freisetzenden peroralen Präparaten soll die Tagesdosis auf zwei Gaben verteilt werden. Bei Retardtabletten genügt bei den meisten Indikationen eine einmalige Gabe (Tab. 1 und 2). Um einen zu starken Abfall der Herzfrequenz zu umgehen, soll die Dosis langsam gesteigert werden, beginnend bei 25 bis 50 mg ein- bis zweimal täglich.

Hauptsächlich bei Patienten mit Erkrankungen der Herzkranzgefäße ist zu beachten, dass bei Beendigung der Therapie die Dosis langsam über 1 bis 2 Wochen vermindert wird, damit es nicht zu kardiovaskulären Problemen (Rebound-Hypertonie, pektanginöse Beschwerden bis hin zum Herzinfarkt, Arrhythmien) kommt.

"aut idem"

Die Aut-idem-Regelung schreibt die Abgabe eines kostengünstigen Arzneimittels in dem Fall vor, in dem der Arzt den Austausch nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat. Das abgegebene Arzneimittel muss im Vergleich zum verordneten Original folgende Eigenschaften besitzen [8]:

  • Wirkstoffgleichheit,
  • Identität der Wirkstärke,
  • Identität der Packungsgröße,
  • gleiche oder austauschbare Darreichungsform,
  • Zulassung für den gleichen Indikationsbereich,
  • Preisgünstigkeit,
  • keine pharmazeutische Bedenken im Einzelfall.

Im Falle der Metoprolol-Retardpräparate stellt sich neben der Zulassung für einen bestimmten Indikationsbereich insbesondere die Frage nach der "austauschbaren Darreichungsform".

Dieser Begriff ist durch die Aut-idem-Regelung jedoch nicht eindeutig definiert, was ein relativ hohes Risikopotenzial darstellt, denn der Austausch zweier Präparate gleicher Darreichungsform (z. B. "feste orale Darreichungsform") ohne Berücksichtigung der "therapeutischen Vergleichbarkeit" bzw. des Freisetzungsverhaltens der Darreichungsform kann das Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum stark verändern.

Für den Fall der Metoprolol-Retardformulierungen ist die Gefahr, dass es zum Austausch eines Präparates mit neuartiger Retardierung durch ein Präparat mit herkömmlicher Retardierung kommt, relativ groß:

Laut offiziellem Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Umsetzung der Aut-idem-Regelung nach § 129 Abs. 1 und Abs. 1a SGB V (BAnZ. Nr. 103, S. 12401 v. 8. Juni 2002) fielen Metoprolol-Präparate zwar nicht in die "Listung der Hinweise zur Austauschbarkeit von Darreichungsformen unter Berücksichtigung ihrer therapeutischen Vergleichbarkeit nach § 129 Abs. 1a des SGB V, Anlage 5". Mit dem Inkrafttreten der Aut-idem-Regelung standen Metoprolol-Retardarzneiformen also nicht als untereinander austauschbare Darreichungsformen zur Diskussion [9].

Die o.g. Listung wird jedoch vierteljährlich seitens der Spitzenverbände der Krankenkassen überarbeitet. Ein wichtiges Kriterium ist hierbei die Preisgünstigkeit bzw. die Festlegung der oberen Preislinie anhand der Großen Deutschen Spezialitätentaxe (Lauer-Taxe).

Nach Überarbeitung der unteren Preisdrittel für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2002 tauchen in der Listung auch Metoprolol-Retardpräparate in Form der Salze Metoprololsuccinat und -tartrat als austauschbare Darreichungsformen auf [10]. Seitdem ist es mit handelsüblichen Softwareprogrammen möglich, nach Eingabe eines definierten Metoprolol-Retardpräparates in die Suchmaske mit einer Aut-idem-Abfrage nach einem vergleichbaren Präparat zu suchen.

Exemplarisch wurde dies mit metodura® Z 100 mg, einem Retardpräparat mit "neuartiger" Retardierung der MerckDura GmbH, unter Verwendung einer apothekenüblichen Software durchgeführt. Nach Eingabe des Präparatenamens und Betätigung der Aut-idem-Taste wurde eine Liste austauschbarer Präparate angegeben (siehe Abb. 3), welche neben einigen Präparaten mit "neuartigem" Retardierungsprinzip" auch weitere, wie z. B. Metok ABZ 100 mg retard, Metohexal® 100 retard, Metobeta® 100 Retard und Metoprolol 100 Retard 1A Pharma, alles "herkömmliche" Retardpräparate als vermeintlich austauschbare Darreichungsformen enthält.

Verfährt man analog mit dem Präparat Beloc-Zok®, so erscheinen hingegen erwartungsgemäß weder Generika mit "neuartiger" noch mit "herkömmlicher" Retardierung, was durch die erweiterte Indikation der Herzinsuffizienz für Beloc-Zok® bedingt ist.

Das aufgeführte Beispiel zeigt eindeutig, dass die Austauschbarkeit von Darreichungsformen sich bisher nicht konsequent an einer "therapeutischen Vergleichbarkeit" orientiert. Die möglichen Folgen einer Gleichstellung von "therapeutischer Vergleichbarkeit" mit der "austauschbaren Darreichungsform" kann jedoch bereits durch verschiedene In-vitro-Versuche am Beispiel von Metoprolol-Retardpräparaten des deutschen Marktes veranschaulicht werden, wie es die vorliegende Testreihe beweisen soll.

Materialien und Methoden

Prüfpräparate

Präparate mit "herkömmlichem" Retardierungsprinzip Azumetop® retard 200 mg, Azupharma GmbH & Co., Ch.B.: 93032 Meprolol® 200 mg Retard, TAD Pharma GmbH, Ch.B.: 2010175 Metoprogamma® 200 retard, Wörwag Pharma, Ch.B.: 010121 Metoprolol AL 200 retard, Aliud® Pharma, Ch.B.: 94803 Metoprolol retard-ratiopharm® 200, Ratiopharm GmbH, Ch.B.: B00067 Meto-Tablinen® retard, Lichtenstein Pharmazeutica GmbH & Co, Ch.B.: 54000037 metodura® retard, MerckDura GmbH, Ch.B.: 72595A

Präparate mit "neuartigem" Retardierungsprinzip Beloc-Zok® mite 47,5 mg, AstraZeneca GmbH, Ch.B.: CM8331A4 Beloc-Zok® 95 mg, AstraZeneca GmbH, Ch.B.: CM9298A3 Beloc-Zok® forte 195 mg, AstraZeneca GmbH, Ch.B.: CM1044A1 metodura® Z 50 mg, MerckDura GmbH, Ch.B.: 73222A metodura® Z 100 mg, MerckDura GmbH, Ch.B.: 73216A metodura® Z 200 mg, MerckDura GmbH, Ch.B.: 73220A Metohexal® Z 100 mg retard, Hexal AG, Ch.B.: 22U004 Meto-ISIS® NT 100 mg retard, Alpharma Isis GmbH & Co KG, Ch.B.: 48954.01.00 Metoprolol-ZK AL 100 retard, Aliud® Pharma, Ch.B.: 15001 Metoprolol n von ct® 100 retard, ct-Arzneimittel GmbH, Ch.B.: B04784 Metoprolol-ratiopharm® O.K. 100, Ratiopharm GmbH, Ch.B.: A06404 Metoprolol ZOT Stada® 100 mg retard, Stada Arzneimittel AG, Ch.B.: 0611

Als Referenzsubstanz wurde (Ī)-Metoprololtartrat (Charge 41K1098, SIGMA-Aldrich Chemie GmbH, Steinheim, Deutschland) verwendet.

In-vitro-Freisetzung Um die Freisetzungsprofile der verschiedenen Präparate grob zu charakterisieren, erfolgte vorab eine Testreihe mit 95 mg bzw. 100 mg Dosierungen in künstlichem Dünndarmsaft (SIFsp pH 6,8 USP 24) unter Verwendung der Blattrührer-Apparatur nach Ph. Eur. 1997, Kapitel 2.9.3 "Wirkstofffreisetzung aus festen Arzneiformen" (DT 6, Erweka GmbH, Heusenstamm, Deutschland).

Alle weiteren Untersuchungen erfolgten mit jeweils n = 3 Tabletten mit der Reciprocating Cylinder Methode (USP apparatus 3, BIO-DIS® RRT 8, Caleva Ltd., Dorset, England) unter Verwendung von je 220 ml Medium und einer Diprate von 10 dpm. Die Versuchsdauer betrug 1440 min. Nach festgelegten Zeitabständen wurden Proben mittels einer Spritze entnommen, über einen 0,45 µm PTFE-Filter filtriert und photometrisch analysiert.

Verwendete Medien, pH-Werte und Passagezeiten Zur Charakterisierung des Freisetzungsverhaltens am Ort der größten systemischen Wirkstoffabsorption, dem mittleren Jejunum, wurde eine komplette Testreihe in SIFsp USP 24 mit einem pH-Wert von 6,8 durchgeführt. Um die gesamte Passage durch Magen und Dünndarm zu simulieren, wurden anschließend alle Präparate mittels einer physiologisch basierten pH-Gradientenmethode [11] untersucht.

Die Verweilzeiten in den verschiedenen Medien, welche die Passagezeiten durch verschiedene Segmente des Gastrointestinaltraktes widerspiegeln sollen, ergeben sich aus Mittelwerten verschiedener gammaszintigraphischer Studien [12,13]. Um die gastrointestinalen Verhältnisse im nüchternen Zustand zu simulieren, wurden 5 verschiedene kompendiale Medien verwendet (Tab. 3).

Ergebnisse

Anhand der Vorversuche mit der Blattrührer-Apparatur nach Ph. Eur. 97 und einer Messreihe mit der Reciprocating Cylinder Methode in einem pH-Gradienten (Abb. 4) wurde festgestellt, dass das Freisetzungsverhalten der Generika "neuartiger" Retardierung nicht merklich voneinander abweicht.

Da sich die Tabletten samt Primär- und Sekundärverpackung in Form und Größe nicht voneinander unterscheiden und auch die Daten aus den Fachinformationen komplett übereinstimmten, wurde daraus geschlossen, dass es sich vermutlich um eine identische Lohnfertigung handelt, und die weiteren Untersuchungen wurden daher exemplarisch an metodura® Z durchgeführt.

Beim Vergleich der in einem pH-Gradienten erzeugten Freisetzungsprofile mit den in SIFsp generierten konnte für kein untersuchtes Fertigarzneimittel eine signifikante pH-Abhängigkeit der Wirkstofffreisetzung ausgemacht werden. Deshalb wurde es im Verlauf der Versuchsreihe nicht für zwingend notwendig gehalten, zusätzlich den postprandialen Zustand zu simulieren, in dem veränderte pH-Bedingungen zu erwarten sind.

Die Standarddosierung von Metoprolol beträgt 100 mg des Tartrates bzw. 95 mg des Succinates. Aus diesem Grund wurden in Voruntersuchungen und in den ersten Freisetzungsversuchen Arzneimittel mit diesen Dosierungen untersucht.

Die Freisetzungsprofile des Innovatorproduktes Beloc-Zok® 95 mg und des Generikums metodura® Z 100 mg, erzeugt unter Verwendung eines pH-Gradienten, zeigen keinen signifikanten Unterschied (Abb. 5).

Die Freisetzungskurven sind nahezu identisch.

Auch sechs willkürlich gewählte "herkömmliche" Retardpräparate, die unter Verwendung des pH-Gradienten verglichen wurden zeigen untereinander kaum Unterschiede (Abb. 6), was vermuten lässt, dass es sich um Produkte aus identischer Lohnfertigung handeln könnte.

Eine Gegenüberstellung von "herkömmlichen" Retardpräparaten und "neuartigen" Retardpräparaten mit vergleichbarer Dosierung, wie sie einer Aut-idem-Fragestellung entsprechen würde, wird für Beloc-Zok® forte, metodura® Z 200 mg und metodura® retard gezeigt (Abb. 7).

Gegenüber Beloc-Zok® forte und metodura® Z 200 mg zeigt metodura® retard ein stark abweichendes Freisetzungsverhalten: In der Anfangsphase wird relativ schnell eine hohe Wirkstoffmenge freigesetzt, während die Freisetzung im weiteren Verlauf immer schwächer wird und nach ca. 8 Stunden nahezu stagniert.

Diskussion

Die Beurteilung der Bioäquivalenz und somit auch der Austauschbarkeit zweier wirkstoffgleicher Präparate kann grundsätzlich auf der Basis von klinischen, pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Studien oder von In-vitro-Studien erfolgen.

Metoprolol ist ein gut löslicher und gut permeabler Wirkstoff und somit ein typischer Vertreter der Klasse 1 des Biopharmazeutischen Klassifizierungssystems (BCS) [14]. Es wird relativ gleichmäßig aus dem gesamten Magen-Darm-Trakt resorbiert [7]. Man kann daher davon ausgehen, dass bei Metoprolol-Präparaten die Wirkstofffreisetzung aus der Darreichungsform ein entscheidendes Kriterium für die Bioverfügbarkeit darstellt. Demzufolge können bereits In-vitro-Studien wichtige Kriterien zur Beurteilung der Bioäquivalenz liefern.

Betrachtet man die In-vitro-Freisetzungsprofile der untersuchten Präparate, so unterscheiden sich diese im Fall von Beloc-Zok® und metodura® Z nicht wesentlich. Vergleicht man In-vitro-Freisetzungsprofile mit Plasmaspiegeln aus einer Pharmakokinetik-Studie [4, 15], so bestätigen die In-vivo-Daten (anhand derer die Generika auch die bezugnehmende Zulassung erhielten) den Trend der Messergebnisse.

Daher bestehen aus biopharmazeutischer Sicht keine Einwände gegen einen Austausch der beiden Präparate. Allerdings kann dieser Austausch nicht durch den Apotheker erfolgen, da Beloc-Zok® in allen Dosierungen eine erweiterte Indikation besitzt und deshalb aus rechtlichen Gründen nicht im Rahmen von aut idem durch ein Generikum ersetzt werden darf.

Die Indikationen der übrigen Generika mit "neuartiger" Retardierung und von metodura® Z stimmen jedoch überein, weshalb diesbezüglich einem Austausch nichts entgegensteht. Ein solcher verbietet sich jedoch, wenn das verschriebene Präparat bereits im unteren Preisdrittel liegt.

Auch innerhalb der Gruppe der Retardpräparate mit "herkömmlicher" Retardierung à 200 mg spricht aus biopharmazeutischer Sicht nichts gegen einen Austausch der verschiedenen Generika, da die Unterschiede in den Freisetzungsprofilen minimal sind.

Ganz anders sieht es allerdings bei einem Vergleich "herkömmlich" retardierter und "neuartig" retardierter Präparate aus. Beide Retardarzneimittelgruppen zeigen ein komplett unterschiedliches Freisetzungsverhalten und können nicht gegeneinander ausgetauscht werden (Abb. 7).

Beloc-Zok® und metodura® Z setzen den Wirkstoff kontrolliert gleichmäßig über etwa 24 h frei und sorgen so bei einer Dauermedikation mit einmal täglicher Applikation einen relativ konstanten Blutplasmaspiegel. "Herkömmlich" retardierte Präparate, wie z. B. metodura® retard, setzen den Wirkstoff nach einem anderen Mechanismus frei, der vom Wirkstoffrestgehalt in der Tablette abhängig ist: Zu Beginn der Freisetzung, wenn die Wirkstoffkonzentration in der Tablette maximal ist, erfolgt eine verstärkte Freisetzung.

Mit Abnahme der Wirkstoffkonzentration in der Tablette nimmt das Ausmaß der Freisetzung ab. Für den Patienten bedeutet dies, dass in den ersten Stunden nach Einnahme der Tablette der Blutplasmaspiegel ein Maximum erreicht, das im Laufe des Tages wieder abklingt. Es ist häufig nötig, die Dosis trotz Retardierung auf zwei Einnahmen pro Tag zu verteilen, um einerseits gefährliche Plasmaspiegelspitzen zu vermeiden und andererseits eine Wirkung über den gesamten erwünschten Zeitraum zu erlangen.

Aufgrund dieser Tatsache kann ein fälschlicher Austausch der beiden Gruppen von Retardpräparaten zu völlig veränderten Plasmaspiegeln mit den damit verbundenen Wirkungen bzw. Nebenwirkungen führen, was besonders bei multimorbiden Patienten sogar lebensbedrohend sein könnte.

Insgesamt ist also festzustellen, dass bei jeglichem Austausch sorgfältig auf die Freisetzungskinetik zu achten ist. Dies ist jedoch weder in der Apotheke noch in der Arztpraxis unter derzeitigen Bedingungen möglich, obwohl Aut-idem-Programme diesen Eindruck erwecken, wie das hier gewählte Beispiel deutlich zeigt (siehe Abb. 3).

Aus Gründen der Kostenersparnis werden untere Preisdrittel festgelegt, ohne vorab die "therapeutische Vergleichbarkeit" der darin aufgeführten Präparate festzustellen. Dieses Verfahren, das sicherlich nicht nur bei Metoprolol-Retardpräparaten angewandt wird, ist unvertretbar.

Danksagung

Die experimentellen Arbeiten zu dieser Untersuchungsreihe wurden im Rahmen einer Seminararbeit im Sommersemester 2002 an der Universität Frankfurt unter Beteiligung von Juliana Baliz, Marc Hugo, Sophie Lieb und Thomas Rösler durchgeführt, bei denen sich die Autoren an dieser Stelle herzlich bedanken möchten.

Außerdem danken wir den Firmen Aliud® Pharma GmbH & Co. KG, Laichingen, AstraZeneca GmbH, Wedel und MerckDura GmbH, Darmstadt für die Überlassung von Untersuchungs- und Informationsmaterial sowie den übrigen genannten Herstellern für die uns überlassenen Fachinformationen und weiterführende Literaturangaben.

Die Aut-idem-Regelung, die dem Apotheker vorschreibt, zu Lasten der GKV verordnete teure Arzneimittel durch wirkstoffgleiche preisgünstige Präparate zu ersetzen, schließt von Fall zu Fall auch den Austausch der Darreichungsform ein. Am Beispiel von Metoprolol-Retardformulierungen mit völlig unterschiedlicher Galenik und folglich auch andersartiger Wirkstofffreisetzung zeigt eine Arbeitsgruppe der Universität Frankfurt auf, dass ein solcher Austausch unvertretbar sein kann.

Bluthochdrucktherapie Unter Bluthochdruck (Hypertonie) versteht man einen anhaltenden arteriellen Blutdruck oberhalb von 140 mm Hg systolisch und 90 mm Hg diastolisch [1]. Ein zu hoher Blutdruck findet seine Ursachen zum einen in einem erhöhten peripheren Widerstand, zum anderen im erhöhten Herzzeitvolumen, aber auch eine Kombination aus beidem kann eine Ursache für erhöhten Blutdruck sein.

Es werden grundsätzlich primäre und sekundäre Hypertonie unterschieden. Der sekundären Hypertonie geht eine pathologische Organveränderung voraus. Die Ursachen der primären Hypertonie, an der ca. 90% aller an Bluthochdruck leidenden Menschen erkrankt sind, sind noch nicht im Einzelnen geklärt. Daher erfolgt eine symptomatische medikamentöse Therapie, welche durch eine eingeschränkte Kochsalzzufuhr, Senkung des Alkoholkonsums oder die Einstellung des Rauchens unterstützt werden kann.

In der ersten Stufe der Therapie kommen β-Blocker, Diuretika, Calciumantagonisten und ACE-Hemmer als Monotherapeutika zum Einsatz. Zeigt sich nicht der gewünschte Erfolg, werden in der zweiten Stufe der Therapie Zweierkombinationen aus Diuretikum und β-Blocker, Calciumantagonist oder ACE-Hemmer oder aus Calciumantagonist mit β-Blocker oder ACE-Hemmer eingesetzt.

In der dritten Therapiestufe werden Dreierkombinationen aus Diuretika, β-Blocker und Vasodilatator oder Diuretika, ACE-Hemmer und Calciumantagonisten oder Diuretika, Vasodilatator und Clonidin oder Methyldopa angewendet.

Metoprolol spielt eine wichtige Rolle in der Behandlung der primären Hypertonie. Die Wirksamkeit von Metoprolol-Präparaten ist durch zahlreiche Studien belegt und beruht in der teilweisen Blockade der β-Adrenozeptoren und der damit verbundenen Beeinflussung des Sympathikus.

β-Blocker β-Adrenozeptor-Antagonisten oder β-Blocker hemmen kompetitiv β-Adrenozeptoren in den sympathischen Nervenendigungen, was zu einer stärkeren Kontraktion des Herzmuskels führt. Die β-Adrenozeptoren lassen sich in β1-, β2-, β3-Rezeptoren unterteilen.

Durch die Blockade von β1-Rezeptoren wird die positiv inotrope und chronotrope Wirkung der Catecholamine Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin am Herzen aufgehoben. Als Folge werden in Abhängigkeit von der Höhe des Sympathikustonus die Erregungsleitung im AV-Knoten verlangsamt und die Herzfrequenz und das Schlagvolumen verringert, sodass die Herzarbeit reduziert wird und die Plasma-Renin-Aktivität sinkt. Der Widerstand in den peripheren Gefäßen bleibt bei Langzeittherapie im Allgemeinen unverändert oder verringert sich.

Durch die Blockade von β2-Rezeptoren wird die erschlaffende Wirkung der Catecholamine an der glatten Muskulatur (Gefäße) gehemmt und damit eine Erhöhung des Tonus induziert [1].

Außerdem unterdrücken β-Adrenozeptor-Antagonisten – wiederum durch β-Rezeptorblockade – Stoffwechseleffekte der Catecholamine wie Glykogenolyse und Lipolyse. Therapeutisch erwünscht ist bei den meisten kardiovaskulären Indikationen die selektive β1-Blockade.

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