Arzneimittel und Therapie

Singultus: Was hilft gegen Schluckauf?

Schluckauf sucht einen in den ungünstigsten Situationen heim. Er kommt überfallartig, widersteht vielen gut gemeinten Behandlungsempfehlungen und geht genauso plötzlich, wie er gekommen ist. Höchste Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen: Was ist ein Schluckauf und wozu ist er gut? Gibt es erfolgreiche Strategien gegen das Hicksen? Was macht man, wenn der Schluckauf länger anhält?

Der Schluckauf ist eine zeitlich fein abgestimmte Folge von Ereignissen: Auf eine unwillkürliche Zusammenziehung der Atemmuskulatur (des Zwerchfells) folgt nach etwa 35 Millisekunden ein Verschluss der Stimmritze. Das Hicksgeräusch entsteht, weil der Luftstrom der Einatmung auf die Stimmritze prallt.

Bereits das Kind im Mutterleib hickst, lange bevor eine Atembewegung einsetzt. Zum Schluckauf kommt es regelmäßig, sobald das Zwerchfell ausgebildet ist. Bis zur 26. Intrauterinwoche ist der Schluckauf sogar die vorherrschende Bewegungsform des Zwerchfells. Danach nimmt seine Häufigkeit ab.

Hat der Schluckauf einen Sinn?

Der Schluckauf scheint der Überrest eines primitiven Reflexes zu sein. Über den Zweck des Schluckaufs beim Ungeborenen wird spekuliert: Verhindert das Hicksen, dass Fruchtwasser in die Lunge eindringt, oder bereitet es die Zwerchfellmuskulatur auf das spätere Atmen vor?

Die Arbeitsgruppe von Christian Straus beobachtete viele Übereinstimmungen zwischen dem Schluckauf und der Kiemenbelüftung primitiver Lungenatmer, wie Lungenfischen, Hornhechten und vielen Amphibien. Diese Tiere schützen ihre Lunge vor Wasser, indem sie es durch die Kiemen spritzen. Dabei pressen sie die Mundhöhle zusammen und schließen die Stimmritze.

Eine ähnliche Bewegungsabfolge beobachtet man beim trinkenden Säugling: Während des Saugens schließt sich die Glottis, damit keine Milch in die Lunge gelangt. Der Schluckauf könnte ein Nebenprodukt dieses nützlichen Systems sein. Vom Neugeborenen- bis zum Erwachsenenalter nimmt das Hicksen dramatisch ab: Neugeborene leiden 3000-mal häufiger an Schluckauf als Erwachsene. Bei Erwachsenen betrifft zumindest krankhafter Schluckauf deutlich mehr Männer als Frauen (Verhältnis mindestens 4 : 1).

Wann wird Schluckauf zur Krankheit?

Normalerweise ist Schluckauf ein vorübergehendes Ereignis. Er hört in der Regel nach wenigen Minuten spontan auf. Krankhaft und quälend wird er, wenn er lange Zeit persistiert. Von persistierendem Schluckauf spricht man, wenn er über 48 Stunden andauert. Chronisch heißt er, wenn er über vier Wochen anhält.

Beim persistierenden und beim chronischen Schluckauf unterscheidet man idiopathische Formen (ohne erkennbare Ursache) und organisch bedingte Formen. Eine organische Ursache kann vom ZNS oder vom Verdauungstrakt ausgehen. In den meisten Fällen lässt sich keine eindeutige Ursache des Schluckaufs finden.

Schluckauf nach kalten Getränken

Häufige Schluckauf-Auslöser sind Temperaturwechsel, kalte Getränke und besonders große Mahlzeiten. Schluckauf kann durch eine Dehnung des Magens ausgelöst werden, sei es durch Nahrung, Flüssigkeit oder Luft. Diese Dehnung löst den Schluckauf wahrscheinlich durch Stimulation der gastrischen Äste des Nervus vagus oder durch direkte Reizung des Zwerchfells aus.

Schluckauf kann außerdem durch Arzneimittel, Drogen oder Alkohol ausgelöst werden, aber auch psychogen oder zentralnervös bedingt sein. Einem lang anhaltenden Schluckauf können Erkrankungen oder Tumoren in Kopf- und Halsregion, im Mediastinum ("Mittelfell"), in der Speiseröhre oder im Bauchraum zugrunde liegen.

Tricks gegen den Hicks

Es gibt vielfältige Empfehlungen, wie man einen Schluckauf-Anfall beenden kann. Praktisch alle nichtmedikamentösen Maßnahmen verändern den vagalen Input zum postulierten supraspinalen Schluckaufzentrum. Erfahrungsgemäß sind sie nur in der frühen Phase (< 48 Stunden) erfolgreich, beim chronischen Schluckauf dagegen fast immer wirkungslos.

  • Empfohlen wird beispielsweise, die Atmung zu unterbrechen oder zu stimulieren: – die Luft anhalten – niesen nach Einwirkung von Pfeffer
  • tief eingeatmete Luft im Brustkorb zusammendrücken (Valsalva-Manöver).
  • Auch das Trinken von Eiswasser oder das Schlucken von Eis soll helfen. Dabei wird der Verlauf des Nervus vagus in der Nähe der Speiseröhre ausgenutzt. Durch die Nervabkühlung sinkt die Herzfrequenz.
  • Das Gaumenzäpfchen oder der Rachen kann gereizt werden, zum Beispiel mit einem Plastikkatheter.
  • Ein heftiger Zug an der Zunge kann Schluckauf beenden, ist allerdings sehr schmerzhaft.
  • Indem man die Finger in die Ohren steckt, nutzt man die Tatsache aus, dass der Nervus vagus Teile des Gehörgangs sensibel versorgt.
  • Eine Radikalmethode ist die digitale Rektalmassage, die neueren Berichten zufolge anderen physikalischen Maßnahmen überlegen sein soll.

Der therapeutische Effekt des Angsteinjagens ist gering, weil das Erschrecken meist misslingt.

Gefährliche Manöver

Nicht zur Nachahmung empfohlen sind wegen gefährlicher Nebenwirkungen folgende Methoden:

  • Druck auf die Augäpfel bei geschlossenen Lidern. Es besteht die Gefahr der Netzhautablösung.
  • Massage an der Karotisgabelung. Wandständige Plaques könnten sich ablösen.

Medikamente gegen den Schluckauf

Die Behandlung des chronischen Schluckaufs konzentriert sich auf die ursächliche Störung. Wenn man vermutet, dass dem Schluckauf eine Störung im Verdauungstrakt zugrunde liegt, können Protonenpumpenhemmer, wie Omeprazol, eingesetzt werden. Früher kam auch das Gastrokinetikum Cisaprid zur Anwendung, das nicht mehr im Handel ist. Die Verringerung der Magensäureproduktion und die Erleichterung der Magenentleerung sollen den afferenten Reiz von der Peripherie zum "Schluckaufzentrum" unterdrücken.

Bei Schluckauf mit zentralnervöser Ursache wird das zentrale Muskelrelaxans Baclofen oder das Antiepileptikum Gabapentin eingesetzt. Beide sollen die Erregbarkeit verringern und die Auslösbarkeit des Schluckaufreflexes unterdrücken.

Schluckauf ohne bekannte Ursache wird zunächst mit Omeprazol behandelt. Hält der Schluckauf an, wird mit Baclofen und bei Bedarf zusätzlich mit Gabapentin kombiniert. Die früher übliche Dreierkombination aus Cisaprid, Omeprazol und Baclofen ist heute um das Gastrokinetikum verarmt. Da kein Ersatzpräparat zur Verfügung steht, kann nur zu vielen kleinen Mahlzeiten und zum Meiden kohlensäurehaltiger Getränke geraten werden.

Schluckauf sucht einen in den ungünstigsten Situationen heim. Er kommt überfallartig, widersteht vielen gut gemeinten Behandlungsempfehlungen und geht genauso plötzlich, wie er gekommen ist. Höchste Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen: Was ist ein Schluckauf und wozu ist er gut? Gibt es erfolgreiche Strategien gegen das Hicksen? Was macht man, wenn der Schluckauf länger anhält?

Ein armer Schlucker Der vermutlich längste chronische Schluckauf wurde beim US-Amerikaner Charles Osborn berichtet: Er litt im Jahr 1984 bereits über 60 Jahre lang an Schluckauf.

Bei anhaltendem Schluckauf drohen durch die ständigen Kontraktionen Komplikationen. Die Betroffenen können nicht richtig atmen, essen und trinken. Erschöpfungszustände, Hämatome, Wundinfektionen sowie das Aufplatzen von Wunden nach Operationen kommen vor.

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