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Arzneimittel und Therapie
Kopfschuppen: Wenn Pilze auf der Kopfhaut wuchern
Schätzungsweise 40 Prozent aller Europäer sind einmal im Leben von Kopfschuppen betroffen. Hauptursache ist eine fettige Kopfhaut. Entfettende Schuppenshampoos auf der Basis anionischer Tenside schaffen hier Abhilfe. Vor der Empfehlung eines solchen Shampoos sollte jedoch immer die individuelle Betrachtung des Betroffenen stehen, denn Schuppen können auch als Symptom sehr verschiedener Hauterkrankungen auftreten.
Die überschießende Vermehrung saprophythischer Hautpilze, die bei Seborrhoikern vor allem in den Sommermonaten auftritt, lässt sich mit kosmetischen Schuppenshampoos kaum in den Griff bekommen. Bei Schuppen aufgrund einer atopischen Dermatitis oder Psoriasis verstärken entfettende Shampoos und Haarwässer die Beschwerden.
In manchen Fällen sind auch erst irritierende Pflegemaßnahmen für das juckende und schuppende Kopfhautekzem verantwortlich. Dann sollten nur milde Shampoos auf Syndetbasis angewandt werden.
Schuppen sind nicht gleich Schuppen
In durchschnittlich 27 Tagen werden alle Zellen der menschlichen Haut vollständig erneuert. Die "alten" Zellen wandern aus der Tiefe an die Oberfläche. Als Hornzellen werden sie vom Stratum corneum, der obersten Schicht der Epidermis, abgestoßen. Erst wenn sich Hornzellen zu Zellklumpen verbinden, werden sie als Schuppe sichtbar. Form, Oberfläche und Größe der Schuppen geben Hinweise auf ihre Ursache.
Erscheinungsformen von Schuppen nach Größe und Form:
- pityriasiforme: feine, kleie-oder mehlartige Schuppen, z. B. bei Pityriasis rosea, Pityriasis versicolor (Kleiepilzflechte)
- plättchenförmige-psoriasiforme: glimmerartig spiegelnde Schuppen, z. B. bei Schuppenflechte
- ichthyosiforme: rundliche bis viereckige linsengroße oder größere Schildchen, die im Zentrum festsitzen und sich vom Rand her ablösen, z. B. bei Ichtyosis vulgaris, einer erblichen Verhornungsstörung mit "Fischhaut"
- kleinlamellöse: konfettigroße Schuppen
- großlamellöse Schuppen
- exfoliative: folienartig abblätternde Schuppen
Fette Haut besonders betroffen
Lösen sich ölige, gelbliche Schuppen in größeren Zellverbänden von der Kopfhaut, die gerötet ist, nässende Stellen aufweist oder juckt, handelt es sich meist um eine seborrhoische Dermatitis. Ursache der entzündlichen Hautveränderung ist eine verstärkte Talgproduktion.
Talgdrüsen, die auf der Kopfhaut ringförmig um einen Haarfollikel liegen, produzieren ein fetthaltiges Gleit- und Schmiermittel. Jede Bewegung des Haares presst eine kleine Portion Fett heraus, die Haut und Haare benetzt. Gesunde Kopfhaut und Haare brauchen Fett in dieser feinen Dosierung.
Durch überschießende Talgabsonderung beim seborrhoischen Hauttyp werden Kopfhaut und Haare aber von einem deutlich sichtbaren Fettfilm überzogen. Entstehende kleine Entzündungsherde führen dazu, dass Hornzellen nur unvollständig ausreifen, zu früh zu Zellverbänden verklumpen und als Schuppen abgeschilfert werden.
Entfettende Schuppenshampoos hemmen übermäßige Talgbildung
Die Tätigkeit der Talgdrüsen wird von den Geschlechtshormonen gesteuert: Androgene fördern die Talgproduktion, Estrogene hemmen sie. So treten die Probleme mit fettender Kopfhaut meist in der Pubertät zum ersten Mal auf und nehmen im Alter wieder ab. Mit Einnahme antiandrogen wirksamer Kontrazeptiva, wie sie gegen Akne eingesetzt werden, normalisiert sich auch der Zustand der Kopfhaut.
Bei Seborrhö sind häufige Kopfwäschen, mindestens alle zwei Tage erforderlich. Entfettende Schuppenshampoos, denen häufig Schwefel zugesetzt ist, hemmen die übermäßige Talgbildung. Teerzubereitungen wirken ebenfalls zuverlässig, werden aber wegen ihres unangenehmen Geruchs seltener eingesetzt. Ein kanzerogenes Risiko ist bei Teerprodukten nicht völlig auszuschließen.
Für das in vielen Schuppenshampoos enthaltene Selendisulfid konnte eine Hemmung der epidermalen Zellteilungsrate als Wirkmechanismus belegt werden. Bei stark schuppender Kopfhaut bleibt der Behandlungserfolg allerdings oft aus, denn die seborrhoische Haut ist ein idealer Nährboden für Bakterien und Pilze. Im Sommer begünstigen ein feucht-warmes Klima und starkes Schwitzen die Keimbesiedlung.
Kopfhaut als Reservoir für Hefepilze
Vor allem der lipophile Hefepilz Malassezia furfur (syn. Pityrosporum ovale), der als Saprophyt zur normalen Hautbesiedelung des Menschen gehört, kann sich unter diesen Bedingungen stark vermehren.
Es ist noch nicht geklärt, wie es zur plötzlichen exzessiven Vermehrung des Pilzes auf der behaarten Haut und zum Ausbruch der Kleiepilzflechte (Pityriasis versicolor) bei bestimmten Menschen kommt. Voraussetzung scheint eine Prädisposition bei diesen Personen zu sein. Besonders betroffen sind Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder bestimmten Grunderkrankungen wie z. B. Diabetes.
Eine lokale antimykotische Behandlung sollte immer durchgeführt werden, denn der behaarte Kopf bildet ein Erregerreservoir, von dem aus die Erkrankung Hals, Arme und den oberen Körperstamm befallen kann. Dann bilden sich schmerzlose Effloreszenzen in Form linsengroßer, schuppender, gelblich bis bräunlich gefärbter Flecke. Gelegentlich sind sie über das Hautniveau erhaben, selten besteht ein leichter Juckreiz.
Da die Bildung und Verteilung des Hautpigments Melanin unter dem Einfluss des Pilzes gestört ist, kommt es auf gebräunter Haut teils zur fleckenförmigen Überpigmentierung, vorwiegend aber zur Depigmentierung. Schon früher wurde vermutet, dass der Hefepilz zusätzlich als Strahlenfilter wirkt und eine Pigmentierung der betroffenen Stellen beim Bräunen unterdrückt. Kürzlich konnten Wissenschaftler der Universität Giessen den potenten UV-Filter Pityriacitrin aus der Pilzkultur isolieren.
Der Nachweis von Malassezia furfur kann durch gelbgrüne Fluoreszenz bei Woodlicht-Untersuchung oder mikroskopische Betrachtung eines angefärbten Abrisspräparats der befallenen Haut geführt werden.
Bei einigen Patienten befällt der Pilz auch die Haarwurzeln auf Brust und Rücken und führt zu einem akneähnlichen Krankheitsbild, der Pityrosporum Follikulitis. Diese betrifft besonders Frauen im Alter von 30 bis 40 Jahren. Neben den genannten Faktoren scheint auch die Einnahme von Corticosteroiden, Kontrazeptiva sowie eine Antibiotikatherapie den Ausbruch der Erkrankung zu begünstigen.
Medizinisches oder kosmetisches Shampoo?
Zur topischen Behandlung der Kleiepilzflechte werden Lösungen der Azol-Antimykotika Ketoconazol, Econazol, Bifonazol und Clotrimazol oder Ciclopiroxolamin eingesetzt. Ketoconazol eignet sich besonders als Wirkstoff für Shampoos, die gleichzeitig für eine effiziente Reinigung und Entfettung der Kopfhaut sorgen.
Unter dem Namen Terzolin® ist beispielsweise eine zweiprozentige Ketoconazol-Lösung zur Behandlung der seborrhoischen Dermatitis und der Kleiepilzflechte sowohl der Kopfhaut als auch des Körpers zugelassen. Die Anwendung sollte bei Befall mit Malassezia furfur täglich über fünf Tage, bei Seborrhö zweimal wöchentlich über zwei bis vier Wochen erfolgen.
Die Lösung wird in das feuchte Haar einmassiert und nach einer Einwirkzeit von drei bis fünf Minuten gründlich ausgewaschen. Augenbrauen und behaarte Körperpartien sollten mitbehandelt werden, der Kontakt mit den Augen vermieden werden. Zur Rezidivprophylaxe empfiehlt sich eine Anwendung alle sieben bis vierzehn Tage über drei bis sechs Monate.
Seit der Entlassung aus der Verschreibungspflicht hat sich dieses medizinische Shampoo trotz des relativ hohen Preises in der Selbstmedikation bewährt. Als unerwünschte Wirkung kann die Behandlung zum Austrocknen oder "Stumpfwerden" der Haare führen.
Keine Aussagen zur Effizienz kosmetischer Shampoos
Dieses soll mit milderen Ketoconazol-haltigen Schuppenshampoos, die jetzt als Kosmetikum zu einem günstigeren Preis auf dem Markt sind, vermieden werden. Da die Azol-Antimykotika nicht in der Negativliste der Kosmetik-Verordnung aufgeführt sind, ist deren Einsatz in Kosmetika zulässig.
Allerdings ist die Wirkstoffkonzentration bei diesen Shampoos nicht deklariert. Medizinische Zweckbestimmungen dürfen nicht genannt werden und das Shampoo muss der allgemeinen Verkehrsauffassung als Kosmetikum entsprechen.
Während die Wirksamkeit der zweiprozentigen Ketoconazol-Lösung in mehreren randomisierten Doppelblindstudien belegt ist, kann über die Effizienz der kosmetischen Shampoos keine Aussage gemacht werden.
Wahrscheinlich ist die niedrigere Wirkstoffkonzentration zur Behandlung hartnäckiger und rezidivierender Kopfschuppen durch Hefepilze nicht ausreichend. Auch das in vielen Schuppenshampoos enthaltene Zinkpyrithion hemmt die Vermehrung von Hefepilzen nur in geringem Maß.
Mit dem medizinischen Ketoconazol-Shampoo konnte dagegen in einer plazebokontrollierten Studie eine 84-prozentige Abheilungsrate und ein rückfallfreies Intervall von mehr als acht Wochen erreicht werden. Für Patienten, bei denen die Diagnose Kleiepilzflechte gesichert ist, bleibt das medizinische Ketoconazol-Shampoo sicher Mittel der Wahl.
Wird die Pilzinfektion nicht behandelt, so nimmt sie einen chronischen Verlauf mit wiederholten akuten Ausbrüchen vor allem in den Sommermonaten. Da bei hartnäckigem Pilzbefall auch Schäden an der Haarwurzel drohen, kann dann eine systemische Therapie mit Ketoconazol, Fluconazol oder Itraconazol notwendig sein.
Mit Schuppen zum Arzt
Bei Kopfschuppen in Verbindung mit trockener Kopfhaut, Juckreiz oder Entzündungsherden sollte ein Hautarzt konsultiert werden. Häufigste Ursache vor der Pubertät ist bei diesem so genannten sebostatischen Hauttyp die atopische Dermatitis (Neurodermitis).
Auf dem behaarten Kopf wird die Erkrankung mit Corticosteroiden in Form von Cremes oder Lösungen und zahlreichen Rezepturen aus Steinkohlenteer, Ichtyol, Resorcin, Salicylsäure und Schwefel behandelt. Rein alkoholische Lösungen wirken zu stark austrocknend, deshalb werden ölige Zubereitungen vorgezogen.
Wenn Kinder unter Kopfschuppen leiden, sollte generell der Arzt aufgesucht werden. Bei ihnen kann eine durch Fadenpilze ausgelöste Tinea capitis vorliegen. Eine Sonderform ist der Favus oder Flechtengrind, der im Säuglingsalter auftritt. Die Erkrankung ist durch grau-gelbliche Kopfhautläsionen und einen sehr unangenehmen Geruch gekennzeichnet. Seltener ist die Mikrosporie, eine hochansteckende Besiedlung mit Dermatophyten.
Die Schuppen sind mehlartig und die Haare brechen zwei bis drei Millimeter über der Kopfhaut ab, was dem Kopf das Aussehen einer "Gemähten Wiese" verleiht. Die Haare müssen entfernt werden, die antimykotische Behandlung erfolgt innerlich mit Griseofulvin oder Itraconazol.
In manchen Fällen sind Kopfschuppen Symptom erblicher Verhornungsstörungen, so genannter Keratodermien. Hier kommen Retinoide innerlich zum Einsatz.
Meist sind Schuppen nur ein kosmetisches Problem, dem mit geeigneten Haarpflegemitteln beizukommen ist. Eine individuelle Beratung ist wichtig, denn schuppende Kopfhaut tritt als Symptom verschiedener Erkrankungen auf. Häufig liegt der Schuppenbildung eine hartnäckige Pilzinfektion zugrunde. Hier können im Rahmen der Selbstmedikation Shampoos und Lösungen mit Azol-Antimykotika eingesetzt werden. Machen sich zusätzlich Beschwerden, wie Juckreiz und Entzündungen auf der Kopfhaut bemerkbar, sollte der Hautarzt zu Rate gezogen werden.
Da die Zellteilungsrate um das Sechs- bis Neunfache erhöht ist, wandern die Hautzellen sehr viel schneller aus der Tiefe an die Oberfläche der Haut und verhornen nicht mehr ausreichend. Wenn die Schuppenflechte in leichter Ausprägung ausschließlich auf dem behaarten Kopf (Psoriasis capitis) in Erscheinung tritt, kann es auch für den Hautarzt schwierig sein, die Erkrankung von einem seborrhoischen Ekzem zu unterscheiden.
Häufig sind jedoch typische abgegrenzte Psoriasisherde am Haaransatz zu erkennen. In seltenen Fällen führt die Schuppenflechte zu Haarausfall. Behandelt wird meist mit Dithranol, häufig in Verbindung mit Salicylsäure. Auch Retinoide kommen zum Einsatz.
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