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Feuilleton
Homöopathie: Samuel Hahnemann in Braunschweig
Neue Wege der Medizin und Pharmazie
Als junger Arzt war Samuel Hahnemann (1755 –1843) von den Möglichkeiten und Erfolgen der Therapie tief enttäuscht worden und hatte fortan in verschiedenen Richtungen nach neuen Wegen für eine bessere Medizin gesucht. Dabei kam auch die praktische Seite nicht zu nur kurz: 1781 eignete er sich in der Dessauer Mohren-Apotheke gründliche Kenntnisse der Pharmazie an (die Tochter des Apothekers heiratete er im Jahr darauf).
Andererseits holte er sich Anregungen aus der Fachliteratur und war zeitweise sogar hauptberuflich als Übersetzer und als Verfasser medizinisch-pharmazeutischer Werke tätig. So publizierte er 1788 die nach ihm benannte Weinprobe auf Bleizucker, 1790 die deutsche Ausgabe der "Materia medica" des schottischen Arztes William Cullen und 1793 den 1. Teil seines Apothekerlexikons (4. und letzter Teil 1799).
Während dessen hat er seinen Wohnsitz des öfteren gewechselt und seine ärztliche Praxis notgedrungen immer wieder unterbrochen. 1795 kam er ins Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, wo er mit seiner schnell wachsenden Familie nacheinander in Wolfenbüttel, Braunschweig und Königslutter wohnte.
Das Obersanitätskollegium gestattete ihm die Niederlassung als Arzt, und der Landesherr erließ ihm sogar die dafür üblichen Gebühren, weil er "durch seine Schriften und sonst schon als ein geschickter Chemicus und Arzt bekannt" war.
Similia similibus
1790 hatte Hahnemann im Selbstversuch die Wirkungen der Chinarinde auf einen gesunden Probanden erforscht und an sich Symptome wahrgenommen, die als typisch für das Krankheitsbild "Fieber" (nach damaliger Definition keine erhöhte Körpertemperatur, sondern das Syndrom der Malaria) galten; demnach verursachte die Arznei beim Gesunden die gleichen Symptome, die sie beim Kranken zum Verschwinden bringt.
Seine persönlichen Erfahrungen verarbeitete Hahnemann in dem Aufsatz "Versuch über ein neues Prinzip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen", der auf die Formulierung des Simile-Prinzips hinauslief:
"Similia similibus curentur" – Ähnliches soll mit Ähnlichem behandelt werden.
Der Aufsatz erschien 1796, als Hahnemann Braunschweig gerade wieder verlassen und nach Königslutter umgezogen war; daher ist anzunehmen, dass er ihn während seiner Braunschweiger Zeit geschrieben und zur Publikation eingereicht hatte.
Warum Hahnemann nicht für längere Zeit in Braunschweig geblieben war, ist unbekannt. Immerhin scheint er anfangs andere Pläne verfolgt zu haben, denn am 1. Oktober 1795 hatte er dort ein Haus mit Garten vor dem Fallersleber Tor gekauft, das er nach seinem Umzug mit Verlust wieder veräußerte.
Falls er in Braunschweig berufliche Schwierigkeiten gehabt haben sollte, so kam er nun in Königslutter von dem Regen in die Traufe, denn durch seine Praxis fühlten sich sowohl der dortige Stadtphysikus als auch der Apotheker geschädigt, während Hahnemann den beiden fachliche Inkompetenz unterstellte – für ihn nichts Neues in seiner Biographie und auch nicht der letzte Fall dieser Art.
Homöopathische Zentralapotheke
Hahnemanns immer wieder aufflackernden Auseinandersetzungen mit anderen Ärzten und insbesondere mit Apothekern wiederholten sich in ähnlicher Form bei den Anhängern seiner Lehre, die seit den 1820er-Jahren schnell an Zahl zunahmen.
Als Anwender unkonventioneller Arzneimittel hatten die homöopathischen Ärzte es sich zur Gewohnheit gemacht, ihre Arzneien selbst zu dispensieren. Aber je mehr sich die Homöopathie ausbreitete, desto mehr empfanden die Apotheker dies als einen Eingriff in ihr ureigenes Berufsfeld; nach und nach spezialisierten sich auch einzelne Apotheker auf die homöopathische Arzneimittelherstellung.
In Braunschweig löste die Medizinalbehörde das Problem recht geschickt, indem sie 1834 eine homöopathische Zentralapotheke einrichtete, an deren geschäftlichem Betrieb die bereits bestehenden Apotheken proportional beteiligt wurden, während ein von ihnen angestellter Apotheker (Provisor) die fachliche Leitung übernahm.
Nach mehreren Umzügen fand die homöopathische Zentralapotheke 1890 im Eckhaus Hagenmarkt/Stecherstraße, wo nun die Hahnemann-Gedenktafel angebracht ist, ihr letztes Domizil. 1937 wurde sie geschlossen, weil sie nicht mehr benötigt wurde: Homöopathische Arzneimittel spielten aus pharmazeutischer Sicht keine Sonderrolle mehr, sondern waren in das Sortiment der Apotheken integriert.
Potenzieren durch Verschütteln
Das Projekt zur Schaffung der Gedenktafel hat im Wesentlichen der Braunschweiger Apotheker Dr. Wigand Bohlmann initiiert und auch finanziell unterstützt. Bereits 1997 hat der mit der Ausführung beauftragte Braunschweiger Bildhauer Magnus Kleine-Tebbe (Jg. 1966) das Tonmodell für das Flachrelief mit dem nahezu lebensgroßen Porträt angefertigt, das nun in Bronze gegossen und an seinem Bestimmungsort angebracht wurde.
Hahnemann, der an seiner Glatze mit dem lockigen Haarkranz gut zu erkennen ist, hält zwischen seinen Händen einen senkrechten Zylinder; vermutlich potenziert er gerade eine Tinktur durch Verschütteln.
Vor ihm liegen Drogen aus den drei Naturreichen, nämlich Apis, Belladonna und (möglicherweise) Tartarus; die Pflanze nimmt, entsprechend dem Anteil der Pflanzen im Arzneischatz, den weitaus größten Platz ein. Hinter Hahnemann steht ein Patient mit verbundenem Kopf, der mit seiner erhobenen Hand die Bitte um Heilung unterstreicht.
Übrigens: Das 200-jährige Jubiläum der Homöopathie war 1996 durch Ausstellungen und ein Symposium groß gefeiert worden. Nun laufen die Planungen für Veranstaltungen zum 250. Geburtstag Hahnemanns.
Sonderdruck aus: Salzgitter-Jahrbuch 19/20 (1997/98), 40 S., 16 Abb., 5,50 Euro.
Zu beziehen bei: Karen Lohoff, Max-Planck-Str. 22, 38228 Salzgitter, ekkalohoff@t-online.de
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