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- AZ 34/2004
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Arzneimitteltherapie: Großer Mehrbedarf an Arzneiverordnungen
Die KBV hat analysiert, wie hoch der Mehrbedarf für eine qualitativ optimale Versorgung der Patienten bei sieben weit verbreiteten Krankheiten liegt und dies am 10. August in Berlin veröffentlicht. Allein bei diesen Krankheiten ergebe sich ein Mehrbedarf an Arzneimitteln im Wert von 2,24 Milliarden Euro, wenn auch die Kranken therapiert werden, die derzeit nicht in ärztlicher Behandlung sind. Da bei weiteren zehn wichtigen Erkrankungen frühere Berechnungen aktualisiert wurden und ein zusätzlicher Bedarf von 3,950 Milliarden Euro resultiert, ergibt sich insgesamt ein Mehrbedarf von 6,193 Milliarden Euro (siehe Tabelle).
Nach Worten von Apothekerin Dietrich ist das eine vorsichtige Berechnung, die eher von niedrigen Erkrankungshäufigkeiten, hoch angesetzten Kosten der tatsächlichen Therapien sowie jeweils von kostengünstigsten Therapieoptionen ausgeht. Da die Ausgaben für die untersuchten Krankheiten laut GKV-Arzneimittelindex in der Praxis sogar noch darunter liegen, erklären die niedergelassenen Ärzte, sie bewegten sich bei der Behandlung einiger Krankheiten an der Grenze zur Rationierung.
Wo Mehrausgaben nötig sind
KBV-Arzneimittelexpertin Dietrich hat errechnet, dass beispielsweise für die leitliniengerechte Behandlung von koronaren Herzkrankheiten 864 Millionen Euro, von Osteoporose 590 Millionen Euro und von Depressionen 442 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr aufgebracht werden müssten. Die medikamentöse Therapie von Asthma bronchiale schlägt demnach mit 123 Millionen Euro, von Alzheimer/Demenz mit 88 Millionen Euro und von Tumorschmerzen mit 80 Millionen Euro zu Buche.
Soll- versus Ist-Kosten
Den Mehrbedarf ermittelte die Apothekerin durch den Vergleich der Soll- mit den Ist-Kosten. Für den Ist-Zustand wiederum stützte sie sich auf den GKV-Arzneimittelindex (welcher statistische Zahlen zu dem Teil des Arzneimittelmarktes gibt, der zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV, verordnet wird), darüber hinaus auf den Arzneiverordnungsreport sowie auf eine Analyse des Arzneimittelumsatzes pro Indikation im Jahr 2003 des Marktforschungsinstituts IMS Health. Für die Soll-Kosten bestimmte sie die Patientenzahl anhand epidemiologischer Daten und wählte aktuelle Therapieleitlinien unter Berücksichtigung adäquater Dosierungen und Ansprechraten. Bei der Kostenberechnung möglicher Therapieregime wurde zudem je nach Qualität der Datenlage gewichtet, was in Absprache mit der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft geschah.
Beispiel Asthma
So liegt die Prävalenz (der Anteil der Erkrankten innerhalb der Bevölkerung) zum Beispiel bei Asthma bronchiale bei zehn Prozent der Kinder und bei fünf Prozent der Erwachsenen. Bezogen auf die GKV sind dies rund 3,69 Millionen Menschen. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Schweregrade der Erkrankung kommt KBV-Arzneimittelexpertin Dietrich auf Sollkosten für Antiasthmatika für dieses Jahr in Höhe von 818 Millionen Euro. Tatsächlich betrugen die Ausgaben für diese Medikamente in 2003 gerade einmal 695 Millionen. Allein bei dieser Indikation wurde so ein Mehrbedarf von 123 Millionen Euro jährlich für eine optimale Versorgung ermittelt.
Nachholbedarf auch bei Osteoporose ...
Noch höher liegt der zusätzliche Bedarf an Arzneimitteln bei Osteoporose, würden alle Patienten leitliniengerecht therapiert. Hier liegt die Prävalenz bei 2,5 Millionen Patienten mit manifester Osteoporose, 2,25 Millionen GKV-Versicherte leiden daran. Für deren Behandlung ergeben sich Sollkosten für 2004 von 1014 Millionen Euro, die auf die Kombination von Calcium und Vitamin D mit Alendronat, Etidronat, Risedronat, Raloxifen, Fluoride, hochdosiertem Vitamin D oder (nur zu einem geringen Anteil) mit Hormonersatzpräparaten entfallen. Analgetika wurden hier nicht berücksichtigt. Die tatsächlichen Ausgaben jedoch blieben in 2003 mit 424 Millionen Euro deutlich dahinter zurück. Allein bei dieser Krankheit resultiert ein Mehrbedarf an Arzneimitteln im Wert von 590 Millionen Euro.
... und bei der Therapie von Tumorschmerzen
Einen Mehrbedarf konstatieren die Ärzte auch bei der leitliniengerechten Therapie von Tumorschmerzen. Hier gehen Experten von einer Prävalenz von mindestens 220 000 Patienten aus, von denen mindestens 60 Prozent an einer fortgeschrittenen Krankheit leiden und Opiate benötigen (Stufe 3 nach dem Schema der Weltgesundheitsorganisation). Wie Apothekerin Dietrich sagte, ist dies die vorsichtigste Schätzung, die tatsächliche Zahl der Erkrankten in diesem Stadium liege tatsächlich viel höher.
Orientiert an WHO-Angaben und Leitlinien entfällt der Löwenanteil der Jahrestherapiekosten des Tumorschmerzes auf retardiertes Morphin, Fentanyl TTS liegt an zweiter Stelle, mit deutlichem Abstand folgen Buprenorphin (sublingual und transdermal), Oxycodon und Hydromorphon. Die Soll-Kosten für die Schmerz-Behandlung liegen bei 301 Millionen Euro, tatsächlich wurden in 2003 nur 221 Millionen Euro ausgegeben, sodass eine Lücke von 80 Millionen klafft. Die KBV-Arzneiexpertin wies auf die konservative Schätzung der Soll-Kosten unter anderem wegen niedriger Dosierungen hin. Vermutlich lägen diese Kosten um das Vierfache höher.
Aktuelle Analyse
Für zehn weitere Krankheiten (atopische Dermatitis, obstruktive Lungenkrankheit/COPD, Hepatitis C, Hypertonie, Migräne, Morbus Fabry, Morbus Gaucher, multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis und pulmonale Hypertonie) hat Dietrich eine frühere Analyse wegen der neuen Arzneimittelpreisverordnung aktualisiert. Hier besteht ein zusätzlicher Bedarf von 3,95 Milliarden Euro. Insgesamt sind laut KBV-Analyse 6,193 Milliarden Euro nötig, um alle angesprochenen Patienten qualitativ optimal zu versorgen.
Zusammenfassung des finanziellen Mehrbedarfs an Arzneimitteln in Deutschland
Quelle: KBV
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