Arzneimittel und Therapie

Rheumatische Erkrankungen: Sind proteolytische Enzyme wirksame Antiphlogistika?

In Deutschland sind acht orale Enzympräparate zur antiphlogistischen Behandlung zugelassen. Eine Datenbankrecherche ergab sieben randomisiert-prospektive Therapiestudien zur antiphlogistischen Wirksamkeit bei rheumatischen Erkrankungen. Aufgrund schwerer methodischer Mängel und umfangreicher Begleitbehandlungen sind die Studien allerdings wenig aussagekräftig. Ein überzeugender Wirksamkeitsnachweis steht noch aus.

Die am häufigsten verordnete Substanzgruppe bei degenerativen und entzündlichen rheumatischen Erkrankungen sind nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR). Auf der Suche nach nebenwirkungsärmeren therapeutischen Alternativen wurden proteolytische Enzyme "wiederentdeckt". Das Konzept der Enzymbehandlung stammt aus den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Im Tierversuch konnten proteolytische Enzyme künstlich hervorgerufene entzündliche Prozesse hemmen. Als sich erste positive Ergebnisse am Menschen in nachfolgenden Studien nicht bestätigten, erfolgte in den USA und Großbritannien die Marktrücknahme. In Deutschland blieben Enzym-Mischungen bei vielen entzündlichen und nicht entzündlichen Erkrankungen im Handel. In den letzten Jahren wurden einige klinische Studien hierzu durchgeführt.

Orale Enzympräparate für die antiphlogistische Therapie

In einer systematischen Datenbankrecherche wurden Therapiestudien gesucht, die Auskunft über die antiphlogistische Wirksamkeit einer oralen Enzymtherapie bei rheumatischen Erkrankungen geben. Hierfür wurden zunächst alle in Deutschland zugelassenen Präparate ermittelt, die

  • eines oder mehrere proteolytische Enzyme enthalten;
  • oral eingenommen werden;
  • zur antiphlogistischen Behandlung zugelassen sind.

Ihre Inhaltsstoffe wurden identifiziert und gelistet. Acht Enzympräparate wurden ermittelt (Tab. 1), die zur antiphlogistischen Behandlung verschiedener Krankheitszustände zugelassen sind. Das einzige Monopräparat enthält Serrapeptase (Aniflazym®); die übrigen sind Mischungen, in denen acht verschiedene proteolytische Enzyme in wechselnder Zahl verwendet werden. Nur zwei Präparate – Mulsal® N und Phlogenzym® – sind ausdrücklich zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen zugelassen.

Sieben Studien zu drei Präparaten

Die Therapiestudien-Recherche auf der Basis der acht ermittelten Präparate ergab sieben Studien zu drei Präparaten: vier zu Phlogenzym®, zwei zu Wobenzym® und eine zu Mulsal® N. An fünf Studien war Mucos Pharma finanziell oder personell beteiligt. In einer Studie wurde ein Enzympräparat plazebokontrolliert getestet, in den übrigen sechs Studien bekamen die Patienten der Kontrollgruppe ein nicht-steroidales Antirheumatikum (in fünf Studien Diclofenac und in einer Studie Indometacin).

Der überwiegende Anwendungsbereich waren degenerative Gelenk- und Skelettveränderungen (zum Beispiel drei Studien bei Kniegelenkarthrose). Nur in einer Studie war die Indikation eine entzündlich-rheumatische Erkrankung: Die Patienten litten an einer Spondylitis ankylosans, der Bechterew-Krankheit.

Erhebliche methodische Mängel

Alle Studien waren prospektiv-randomisiert, sechs doppelblind und eine einfachblind. Alle Studien wiesen schwere methodische Mängel auf:

  • In fünf Studien fehlten Angaben zur Art der Randomisation.
  • In keiner Veröffentlichung wurde erwähnt, ob die Verblindung eingehalten wurde.
  • In fünf Studien fehlten sämtliche demographischen und krankheitsbezogenen Daten zur Zusammensetzung von Verum- und Kontrollgruppe. In einer Studie litten elf Patienten der Kontrollgruppe (27,5%) und sieben der Enzymgruppe an schwerer Arthrose (17,5%), was an der Vergleichbarkeit der Gruppen zweifeln lässt. In dieser Studie war außerdem die Abbruchrate in der Wobenzym®-Gruppe mit 20% ungewöhnlich hoch.
  • In drei Studien erfolgte die Auswertung per Protokoll anstelle einer Intention-to-treat-Analyse.

Fünf Studien fanden im Rahmen von stationären Heilverfahren an rehabilitativen Einrichtungen statt, wobei die übliche Standardtherapie (physikalisch, physiotherapeutisch, rehabilitativ) in beiden Behandlungsarmen beibehalten wurde. Dies schränkt die Nachweisbarkeit von Unterschieden zwischen Verum- und Kontrollgruppe naturgemäß ein.

Wie wirksam solche mehrwöchigen Behandlungsprogramme waren, zeigt der Rückgang der Symptome nach dem Lequesne-Index in beiden Behandlungsarmen einer Studie nach drei Wochen auf rund ein Viertel des Ausgangswerts. Das beweist jedoch nicht die Äquivalenz der antiphlogistischen Begleitmedikationen (NSAR bzw. Enzyme), sondern nur, dass die stationäre Heilmaßnahme zu einer Verbesserung geführt hat.

Ergebnisse

Die einzige plazebokontrollierte Studie ergab nach drei Wochen keinen Unterschied zwischen Verum und Plazebo in der subjektiven Schmerzbeurteilung. Nur mit einem unüblichen Verfahren konnte eine kleine Überlegenheit der Wobenzym®-Gruppe errechnet werden. In fünf Studien wurde eine Äquivalenz zwischen Enzym- und NSAR-Therapie festgestellt. Wegen der umfangreichen Begleitbehandlung sind die Ergebnisse jedoch wenig aussagekräftig.

In der letzten Studie reduzierte Indometacin die Schmerzsymptomatik einer Spondylitis ankylosans nach einer Woche und nach einem Monat signifikant stärker als Mulsal® N, nach sechs Monaten schnitt dagegen das Enzympräparat besser ab. Geht man davon aus, dass die antiphlogistische Wirkung der Arzneimitteltherapie schnell eintritt, sind die frühen Ergebnisse von größerem Interesse.: Zu diesem Zeitpunkt ist auch der Einfluss der eher langfristig wirkenden physikalisch-physiotherapeutischen Behandlung noch gering.

Viele offene Fragen

Es fehlt nicht nur ein Wirksamkeitsnachweis für die orale Enzymbehandlung, auch Pharmakokinetik und Wirkmodus bleiben unklar: Nur Spuren der oral eingenommenen Enzyme erreichen unverändert die Blutbahn. Warum die exogen zugeführten Enzyme angesichts der viel größeren Menge körpereigener Pankreasenzyme zusätzlich wirken sollen, ist ebenfalls unklar. Solche Unsicherheiten führen zur Tendenz der möglichst hohen Dosierung; in den Studien wurden zwischen 6 und 32 Enzymtabletten pro Tag eingenommen.

Eine höhere Verträglichkeit der Enzym- gegenüber der NSAR-Therapie ist nicht bewiesen: In einer retrospektiven Auswertung von 2139 Patienten hatten gleich viele Patienten der Enzym- wie der NSAR-Gruppe die Behandlung wegen Nebenwirkungen abgebrochen (0,95% gegen- über 1,0%). Nach Anwendung proteolytischer Enzyme wurden wiederholt anaphylaktische Reaktionen beschrieben.

Literatur

Heyll, U., et al.: Proteolytische Enzyme als therapeutische Alternative zu nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) in der antiphlogistischen Therapie degenerativer und entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Med. Klinik. 98, 609 – 615 (2003).

In Deutschland sind acht orale Enzympräparate zur antiphlogistischen Behandlung zugelassen. Eine Datenbankrecherche ergab sieben randomisiert-prospektive Therapiestudien zur antiphlogistischen Wirksamkeit bei rheumatischen Erkrankungen. Aufgrund schwerer methodischer Mängel und umfangreicher Begleitbehandlungen sind die Studien allerdings wenig aussagekräftig. Ein überzeugender Wirksamkeitsnachweis steht noch aus.

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