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- DAZ 18/2005
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Selbstmedikation
Mundgeruch – das stinkt mir!
Zwei Aspekte spielen hierbei eine Rolle. Erstens wird über den Geruch auch die Sympathie bewertet. Wenn ich jemanden "nicht riechen kann", bedeutet das im übertragenen Sinne, dass ich ihn nicht leiden kann. Und welcher höfliche Mensch sagt das seinem Gegenüber ins Gesicht? Zweitens ist der Geruch ein Aspekt der Körperhygiene. Und jemandem zu sagen, er sei ungepflegt und "dreckig", gehört ebenfalls zu den Dingen, die lieber verschwiegen werden.
Mundgeruch (Foetor ex ore) ist ein objektiver, manchmal auch nur subjektiv vom Patienten empfundener unangenehmer, störender oder ungewöhnlicher Geruch der Ausatemluft. In der Apotheke werden Lutschpastillen oder Mundwässer gewünscht, die den Geruch überdecken sollen. Den Patienten direkt darauf ansprechen, fällt schwer. Problemlos beraten kann man nur, wenn der Kunde sein Problem offen anspricht.
Mundgeruch nach bestimmten Speisen und Genussmitteln
Eine typische Ursache für Mundgeruch ist der Genuss bestimmter, z. B. stark gewürzter Speisen, Knoblauch, Zwiebeln oder Meerrettich, Alkohol oder Nicotin. Die entscheidende Frage an den Kunden lautet hier: "Tritt der Mundgeruch im Zusammenhang mit dem Essen oder Trinken auf?" oder "Haben Sie eine Idee, was die Ursache Ihres Mundgeruchs ist?" Der Kunde weiß häufig, "wonach er riecht" oder welcher unangenehme Geruch an ihm haftet.
Es ist in diesem Fall kein Problem darüber zu sprechen, denn es gilt doch als Zeichen des erlesenen Geschmacks, zum Abendessen in sein Lieblingsrestaurant zu gehen, ob zum Spanier oder Inder. Durch Vermeiden der Gewürze könnte man natürlich auch den Mundgeruch vermeiden. Dafür ist es meist zu spät. Damit Arbeitskollegen und andere Mitmenschen nicht unnötig leiden müssen, finden hier alle scharfen Lutschbonbons und Gurgelwässer Verwendung, die den Geruch überdecken können.
Mundwässer mit Pfefferminz- oder Nelkenöl (z. B. Nur 1 Tropfen®, Odol®) wirken wie die meisten Gurgellösungen mit Salbei- oder Eukalyptusölen (z. B. Salviathymol®) für diesen Zweck desodorierend. Chlorophyll-Komplexe (z. B. Stozzon®) werden eingesetzt mit der Vorstellung, dass Chlorophyll unangenehme Aromastoffe bindet. Auch hier werden zugemischte ätherische Öle den Geruch vornehmlich überdecken. Zum Glück verliert sich der Geruch nach einigen Stunden von selbst. Ähnliches gilt für den typischen Geruch der Ausatemluft durch Alkohol oder Nicotin.
Wenn der Geruch unerwünscht oder verräterisch ist, sollte auf das Genussmittel verzichtet werden. Ein knoblauchartiger Mundgeruch kann auch vorübergehend bei der Anwendung von Dimethylsulfoxid (DMSO, in Dolobene® Gel) auftreten. Der Geruch ist auf Dimethylsulfid, ein Stoffwechselprodukt von DMSO, zurückzuführen.
Nebenwirkung des Fastens
"Aber ich habe doch gar nichts gegessen!" – Nimmt man diese Aussage ernst, ergibt sich ein weiterer Grund für Mundgeruch. Beim Fasten, vor allem bei ausbleibender Kohlenhydratzufuhr, schaltet der Stoffwechsel um auf die Verdauung von Eiweißen, im Notfall des körpereigenen Muskeleiweißes. Auf dem Stoffwechselweg der Ketonkörpersynthese entsteht dabei als Nebenprodukt Aceton, das mit der Ausatemluft ausgeschieden wird und dabei einen unangenehmen Geruch ausströmt.
Dieser Vorgang läuft ab bei extremer Stoffwechsellage von Diabetikern, deren Körper aus Mangel an verfügbarer Glucose mit der Eiweißverdauung beginnen. Derselbe Stoffwechselweg wird ausgenutzt bei Extremdiäten, wie z. B. der Atkins-Diät, bei der nur Eiweiß und Fette als Nahrung zugelassen sind. Er findet aber auch statt bei über Stunden ausbleibender Nahrungsaufnahme und drohender Hypoglykämie.
Kunden sind darauf hinzuweisen, dass Extremdiäten nicht empfehlenswert sind. Für den gesunden Stoffwechsel ist eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr notwendig. Die Regeln für eine gesunde Gewichtsreduktion empfehlen den Verzicht auf Einfachzucker und vor allem auf Fette und die Bevorzugung von ballaststoffreichen und damit auch kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln, wie Gemüse, Obst und Salat. Regelmäßige Mahlzeiten in Form von drei kalorisch ausreichenden Mahlzeiten sind einzuhalten. Damit löst sich auch das Problem des Mundgeruchs.
Mangelnde Zahn- und Mundhygiene
Wenn Mundgeruch zum Problem wird, sind meist noch andere Ursachen im Spiel. Eine häufige Ursache ist mangelnde Zahn- und Mundhygiene. Nahrungsreste in Zahnzwischenräumen, Hohlräumen oder unter festsitzendem Zahnersatz werden im Mund bakteriell abgebaut und strömen einen fauligen Geruch aus. Die Lösung des Problems hier erfolgt nicht durch Lutschen von Bonbons, die den Bakterien noch Vorschub geben, oder durch Gurgeln mit desodorierenden Mundwässern, sondern durch gezielte Mundreinigung. Zur Mundreinigung gehört:
- eine Zahnbürste, die nicht älter als einen Monat sein sollte,
- eine Zahnpasta, die die Reinigungswirkung unterstützt,
- regelmäßiges Zähneputzen nach den Mahlzeiten, mindestens morgens und abends vor dem Schlafengehen,
- Reinigung der Zahnzwischenräume mit Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürsten von geeigneter Größe,
- Reinigung der Zunge,
- eventuell Reinigung des nicht-festsitzenden Zahnersatzes mit einer Zahnbürste.
Die empfohlene Dauer beim Zähneputzen beträgt immer noch drei Minuten. Diese Zeit wird nur selten eingehalten. Im Schnitt putzen sich erwachsene Deutsche nur einmal täglich ca. eine Minute lang die Zähne. Die regelmäßige Verwendung von Fluoridgelen oder fluoridhaltigen Gurgellösungen eignet sich zur Kariesprophylaxe.
Zur Unterstützung der mechanischen Zahnreinigung eignen sich antiseptische Gurgellösungen. Sie reduzieren vorübergehend die Keimzahl im Mundraum. Mundschleimhaut- und Zahnfleischinfektionen können ausheilen. Mit Chlorhexidin-haltigen Gurgellösungen (0,1 bis 0,2%ig) sollte zwei bis dreimal täglich eine Minute lang im Mundraum gegurgelt bzw. gespült werden. Eine regelmäßige Anwendung wäre ideal, um bakterielle Mundschleimhaut- und Zahnfleischentzündungen zu behandeln und zu vermeiden.
Allerdings kommt es bei Daueranwendung zu reversiblen Zahn- und Zungenverfärbungen, so dass die Anwendungsempfehlung auf drei Wochen beschränkt ist. Povidon-Iod weist ein sehr breites Wirkspektrum auf. Es besitzt allerdings einen sehr unangenehmen Geschmack. Es ist kontraindiziert bei Patienten mit Hyperthyreose und manifesten Schilddrüsenerkrankungen. Adstringenzien und Antiphlogistika werden in Gurgellösungen eingesetzt mit der Vorstellung, dass diese die obersten Hautschichten abdichten und die Sekretion aus dem entzündeten Gewebe hemmen. Die verwendete Konzentration des Salbeiöls, der Myrrhen- oder Ratanhiatinktur sind allerdings so niedrig, dass sie eher wie ein Mundwasser wirken und nur zur "Erfrischung" des Atems eingesetzt werden können.
Erkrankungen im Mund-Rachen-Raum
Wenn weder bestimmte Speisen noch eine schlechte Mund- und Zahnhygiene als Ursache für Mundgeruch herangezogen werden können, ist eine zahnärztliche und ärztliche Abklärung ratsam. Ein Zahnarzt kann Zahnvereiterungen oder Zahnfleischerkrankungen diagnostizieren, die ebenfalls mit Geruchsbildung einhergehen. Eine Behandlung erfolgt durch den Zahnarzt. Zur Vorbeugung von weiteren Zahnfleischentzündungen können antiseptische Gurgellösungen mit Chlorhexidin, Hexetidin, Povidon-Iod oder Wasserstoffperoxid-Lösung eingesetzt werden. Von der 3%igen Wasserstoffperoxid-Lösung wird zur Anwendung ein Esslöffel in einem Glas Wasser verdünnt.
Eine Tonsillitis, ein Tonsillarabszess oder Geschwüre im Mund-Rachen-Raum können mit übel riechender Ausatemluft verbunden sein. Eine Erkrankung, die erst durch den Geruch auffällt, ist die so genannte "Stinknase" (Ozaena, Rhinitis atrophicans cum foetore), die mit einer Atrophie der Nasenschleimhaut, Borkenbildung und der Absonderung eines übel riechenden Sekrets einhergeht. Den starken Geruch nehmen die Patienten selbst nicht wahr. Sie erleben jedoch, dass alle Freunde sich zurückziehen, und leiden an sozialer Isolation. Ein eher süßlicher Geruch tritt auf bei Diphtherie oder einer Angina Plaut-Vincenti. In allen Fällen sind eine ärztliche Diagnose und ursächliche Therapie erforderlich.
Erkrankungen innerer Organe
Auch bei Erkrankungen innerer Organe kann der Geruch der Ausatemluft verändert sein. Ärzte unterscheiden einen fauligen Geruch (z. B. bei Gangrän, Abszess, Bronchiektasen, Ösophagus-Divertikel), sauer-fauligen Geruch (bei Magenerkrankungen, z. B. chronischer Gastritis, Magenkarzinom), urinösem Geruch (bei Urämie) und den Geruch nach frischer Leber (Foetor hepaticus bei Lebererkrankungen). Ein weiterer typischer Geruch ist der Geruch nach Aceton, der bei Stoffwechselveränderungen während des Fastens oder beim diabetischen Koma auftritt.
Intoxikationen
Ein Mundgeruch nach Bittermandel ist weniger wichtig für den Apothekenalltag, aber interessant für den Krimifreund. Bei diesem Menschen liegt eine Blausäure bzw. Zyankalivergiftung vor. Bei einer Vergiftung mit Phosphor hat der Patient einen Mundgeruch nach Knoblauch. Bei einem aromatischen Mundgeruch kann an Drogengebrauch oder Vergiftung mit zyklischen Kohlenwasserstoffen gedacht werden.
Dr. Kirsten Lennecke, Sprockhövel
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