Infektionskrankheiten

Tollwut – noch immer ein tödliches Risiko

Vor wenigen Monaten rückte die Tollwut in das Interesse der deutschen Medien. Tollwutviren wurden durch die Transplantation von Organen auf die jeweiligen Organempfänger übertragen. Dort lösten sie die schwere Erkrankung aus. Der folgende Beitrag vermittelt dem Apotheker das nötige Wissen für Beratungsgespräche in der Offizin.

Die Tollwut (medizinisch auch Rabies oder Lyssa genannt) ist weltweit verbreitet. Nach Schätzungen der WHO werden jährlich rund 35.000 Erkrankungen beim Menschen registriert. Mit einer erheblichen Dunkelziffer ist insbesondere in Asien und Afrika zu rechnen.

Der Erreger der Tollwut ist ein Virus aus der Familie der Rhabdoviren. Aufgrund jahrelang durchgeführter Immunisierungen von Füchsen, den hauptsächlichen Virusträgern, wurde die Tollwut in Deutschland bei Wild- und Haustieren fast komplett eliminiert. Als weitgehend tollwutfrei gelten auch die Schweiz, Finnland, die Niederlande, Italien, Luxemburg, Frankreich, Belgien sowie die Tschechische Republik.

Das Risiko einer Infektion geht in Deutschland hauptsächlich von Reisen in nicht-tollwutfreie Länder aus. Laut Robert-Koch-Institut trat 1996 ein Tollwutfall mit tödlichem Ausgang in Deutschland auf. Ein Mann aus Nordrhein-Westfalen erkrankte, nachdem er in Sri Lanka von einem Hund gebissen worden war. Zu einer weiteren Tollwuterkrankung mit tödlichem Ausgang kam es im Jahre 2004 bei einem Mann aus Bayern, der zuvor in Indien Kontakt mit streunenden Hunden gehabt hatte.

Infektion des Tieres

Typische Reservoire des Tollwutvirus sind hauptsächlich wild lebende Fleischfresser wie Füchse, Dachse, Marder sowie Rehe und bei den Haustieren Weidetiere (Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde) sowie Hunde und Katzen. In Amerika stellen Stinktiere, Waschbären, Fledermäuse und Füchse die Hauptreservoire dar. Nach einer Infektion beim Tier kommt es am Ende der Inkubationszeit zur Virusvermehrung im ZNS. Von dort aus verbreitet sich das Virus weiter und ist besonders im Speichel massenhaft nachzuweisen. Wird nun ein Mensch von dem infizierten Tier gebissen, gelangen die Viren in seine Blutbahn. Aber auch ein direkter Kontakt der Schleimhaut mit infektiösem Material (z. B. Speichel) kann zu einer Infektion führen.

Nicht immer muss es bei der gebissenen Person zur Tollwuterkrankung kommen. Die Lokalisation der Verletzung sowie Art und Ausmaß der Exposition sind wesentliche Faktoren. So erkranken beim Vorliegen mehrerer tiefer Bissstellen im Gesicht bis zu 60% der betroffenen Personen, während bei oberflächlichen Bissverletzungen im Gesicht nur bis zu 10% und bei oberflächlichen Bissverletzungen an der Hand nur bis zu 5% erkranken.

Die Inkubationszeit beim Menschen beträgt drei bis acht Wochen. Selten ist sie kürzer als neun Tage. In Einzelfällen kann sich die Inkubationszeit mehrere Jahre lang hinziehen. Auch hierfür spielt die Lokalisation der Bissstelle eine wichtige Rolle.

Tollwut beim Menschen

Die Tollwut lässt sich beim Menschen in folgende Stadien einteilen:

Stadium 1, Prodromalstadium: Es bestehen uncharakteristische Beschwerden wie beispielsweise Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit sowie Brennen und Jucken und vermehrte Schmerzempfindlichkeit im Bereich der Bisswunde. Einige Personen bekommen auch Fieber.

Stadium 2, Akute neurologische Phase: Hier sind zwei Erkrankungsformen zu unterscheiden.

  • Bei der enzephalitischen Form entwickelt sich eine ausgeprägte Hydrophobie. Beim Schlucken bestehen Krämpfe der Schlundmuskulatur, wodurch eine erhebliche Angst vor dem Trinken besteht. Zudem fließt der Speichel aus dem Mund, da selbst diese geringe Flüssigkeitsmenge dem Erkrankten Angst einflößt. Sogar die optische oder akustische Wahrnehmung von Wasser führt zu Unruhe und Krämpfen, die sich auf die gesamte Muskulatur erstrecken können. Der Gemütszustand wechselt zwischen aggressiver und depressiver Verstimmung.
  • Bei der paralytischen Form kommt es überwiegend zu Veränderungen an Nerven des Rückenmarks und der peripheren Nerven. Zunehmend stellen sich Lähmungen ein, vor allem an den Hirnnerven.

Stadium 3, Koma: Der Tod tritt in der Regel im Koma und unter den Zeichen der Atemlähmung ein.

Zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und dem Tod liegen maximal sieben Tage.

Präventive Maßnahmen

Die schon früher durchgeführte Immunisierung einer großen Zahl von Haustieren, insbesondere von Hunden, hatte bereits zu einer starken Abnahme der Tollwutfälle beim Menschen geführt. Doch erst durch die jahrelange Immunisierung der Füchse wurde die Tollwut in weiten Teilen Europas ausgerottet.

Nur bei wenigen Berufsgruppen ist eine präexpositionelle Immunisierung indiziert. Hierzu gehören Tierärzte, Jäger, Forstpersonal und andere Personen, die Umgang mit Wildtieren (z. B. auch mit Fledermäusen) in Gebieten mit Wildtollwut haben, sowie das Personal in Laboratorien mit Tollwutinfektionsrisiko.

Nach einer kompletten Grundimmunisierung beträgt die Schutzdauer bis zu fünf Jahre. Bei Personen mit erhöhtem Risiko sollten regelmäßig Auffrischungsimpfungen entsprechend den Angaben der Hersteller des Impfstoffes durchgeführt werden. Zur Festlegung des exakten Auffrischungszeitpunktes ist eine Titerkontrolle empfehlenswert. Weiterhin ist eine Impfung bei Reisenden mit einem entsprechenden Expositionsrisiko (z. B. bei Trekkingtouren) in Regionen mit hoher Tollwutgefährdung (z. B. durch streunende Hunde) zu empfehlen.

Infiziert oder nicht?

Wie kann erkannt werden, ob ein Mensch mit Tollwut infiziert wurde? Ein entsprechender Verdacht ergibt sich zunächst aus den klinischen Symptomen und der Anamnese (z. B. Hundebiss). Relativ eindeutige Nachweise sind durch den Antigen- bzw. Tollwutvirus-RNA-Nachweis in Epithelzellen der Cornea, in Nackenhautbiopsien, im Speichel oder im Liquor zu erzielen. Auch über Zellkulturen lassen sich die Viren nachweisen. Die sichere Bestätigung der klinischen Verdachtsdiagnose gelingt erst nach dem Tod, beispielsweise aus Gewebeproben vom Ammonshorn, Cerebellum und Hirnstamm. Zum Nachweis von Impftitern können Antikörper mit dem Neutralisationstest (RFFIT – rapid focus fluorescent inhibition test) nachgewiesen werden.

Ein Tier, welches bei einem Menschen eine Verletzung verursacht hat, ist dann nicht ansteckungsverdächtig, wenn es sich ausschließlich in einem tollwutfreien Gebiet aufgehalten hat, regelmäßig gegen Tollwut geimpft wurde oder wenn ein Tierarzt bescheinigen kann, dass klinisch kein Verdacht auf Tollwut besteht. Ob ein Gebiet tollwutfrei ist, kann beim örtlichen Veterinäramt erfahren werden.

Wurde die Person durch ein ansteckungsverdächtiges, aber bekanntes Tier gebissen, sollte dieses zur Beobachtung isoliert werden. Hunde und Katzen entwickeln innerhalb von zehn Tagen typische Tollwutsymptome; sollten keine Symptome auftreten, kann die Behandlung der exponierten Person eingestellt werden. Bei anderen Tieren können die Zeiträume bis zum Ausbruch von Tollwutsymptomen wesentlich länger sein.

Maßnahmen nach Infektionsverdacht

Bei einem Infektionsverdacht ist in Anbetracht des tödlichen Ausgangs dieser Krankheit grundsätzlich eine Behandlung durchzuführen, und zwar so schnell wie möglich. Es ist eine sofortige Einweisung ins Krankenhaus und stationäre Betreuung des Patienten erforderlich. Nach einem Biss muss die kontaminierte Wunde sofort und ausgiebig mit Seifenlösung oder Wasser gereinigt ("Auswaschen" des Erregers) und mit Alkohol desinfiziert werden. Tiefere Bisswunden kann man mittels Kathetern spülen, auf Wundtaschen (Hohlräume im Gewebe) ist zu achten. Niemals darf eine Bisswunde genäht oder auf eine andere Art und Weise verschlossen werden. Die Wunde muss sekundär, das heißt vom Wundgrund her, zuwachsen.

Wenn der begründete Verdacht auf eine Infektion besteht, ist eine Immunprophylaxe durchzuführen. Bei Grad III der Expositionen wird folgendes Therapieregime empfohlen: Simultane Gabe von Tollwut-Immunglobulin zur passiven Immunisierung und von Rabies-Vakzine (Tollwut-Impfstoff) zur aktiven Immunisierung (Tab. 1). Die aktive Immunisierung erfolgt gemäß den Angaben der Hersteller nach verschiedenen Schemata. Ein übliches Schema sind Impfungen an den Tagen 0, 3, 7, 14, 28. Rechtzeitig appliziert, liegt die Schutzrate nach einer aktiven Immunisierung bei peripheren Verletzungen bei 100%.

Neben der aktiven und passiven Immunisierung ist auch an die Tetanusprophylaxe zu denken (Auffrischimpfung, wenn letzte Impfung vor 5 – 10 Jahren war; Simultanimpfung, wenn letzte Impfung vor mehr als 10 Jahren war oder nie geimpft wurde).

Die weitere Behandlung erfolgt symptomatisch unter intensivmedizinischen Bedingungen (Kontrolle von Atmung, Kreislauf, ZNS-Symptomen). Bricht die Krankheit aus, führt sie immer zum Tode. Anfang 2005 wurde jedoch in den USA über einen Fall berichtet, bei dem eine 15-jährige ungeimpfte Jugendliche die Erkrankung nach einer experimentellen virustatischen Behandlung und mehrwöchigen Intensivtherapie überlebt hat.

Meldepflicht

Ein Tollwutverdacht ist umgehend dem Gesundheitsamt zu melden. Nach § 6 IfSG sind die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers meldepflichtig. Entsprechend § 7 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis des Rabiesvirus meldepflichtig.

Hohes Risiko für Kinder

Kinder sind in den Risikogebieten durch Tollwut besonders gefährdet. Sie haben häufig Kontakt zu dem Hauptvirusreservoir, den Hunden. Außerdem werden Verletzungen durch Tiere von den Eltern häufig nicht bemerkt. Insbesondere Kleinkinder werden von Hunden häufig im Bereich des Kopfes verletzt. In diesen Fällen ist die Inkubationszeit einer Tollwutinfektion besonders kurz, sodass durch eine postexpositionelle Immunisierung möglicherweise kein Schutz mehr aufgebaut werden kann.

Internet-Tipps 

www.verbraucherministerium.de Konsensuspapier des Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zur Tollwutimpfung für Reisende (in Suchfeld "Tollwut Konsensuspapier" eingeben)

 

www.rki.de Das Robert-Koch-Institut liefert wertvolle Informationen und Therapierichtlinien

Buch-Tipp

Praktische Tropen- und Reisemedizin Von Hans Jochen Diesfeld, Gerard Krause, Dieter Teichmann 260 Seiten, 24,95 Euro Thieme Verlag, Stuttgart 2003 ISBN: 3131083425

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