Arzneimittel und Therapie

Alzheimer-Demenz: Beschleunigt Quetiapin den geistigen Verfall?

Ein häufiges Begleitsymptom schwerer Demenzen sind Verhaltensstörungen. Daher erhalten Patienten, vor allem in Pflegeheimen, neben Antidementiva oft auch Neuroleptika. Die Ergebnisse einer britischen Studie zeigen jedoch für das atypische Neuroleptikum Quetiapin einen negativen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten der Alzheimer-Patienten.

Ein positiver Effekt von Rivastigmin und anderen Acetylcholinesterasehemmern bei leichtem bis mittelschwerem Morbus Alzheimer auf die Kognition ist durch kontrollierte Studien nachgewiesen. Zusätzlich werden diesen Substanzen positive Wirkungen auf Verhaltensstörungen zugeschrieben. Demenzkranken in Pflegeheimen werden neben Antidementiva häufig zusätzlich Neuroleptika verabreicht, um Symptome wie Agitation (körperliche Unruhe) und andere Verhaltensstörungen, die die Pflege erschweren, zu mildern. Ihr Einsatz ist jedoch mit zahlreichen Nebenwirkungen verbunden und zudem nicht ungefährlich. So wurde beispielsweise kürzlich gezeigt, dass die Anwendung der atypischen Neuroleptika Risperidon und Olanzapin mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden ist - gerade für ältere, multimorbide Patienten ein großes Risiko.

Studie mit Pflegeheim-Patienten

Da es zurzeit nur wenige Daten zur Wirksamkeit von Neuroleptika bei dementen Patienten und zur positiven Wirkung von Antidementiva auf Verhaltensstörungen gibt, wurde mit 93 Pflegeheimbewohnern mit einem Mindestalter von 60 Jahren im Nordosten Englands eine doppelblinde, randomisierte Studie durchgeführt. Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt und über 26 Wochen entweder mit Rivastigmin (n = 25, Dosis 3 bis 6 mg zweimal täglich), Quetiapin (n = 26, Dosis 25 bis 50 mg zweimal täglich) oder Plazebo (n = 29) behandelt. Alle Patienten litten an Alzheimer-Demenz und stark ausgeprägter Agitation. Das Symptom Agitation wurde nach sechs und 26 Wochen mithilfe einer speziellen Skala (Cohen-Mansfield agitation inventory) betrachtet. Die kognitiven Leistungen beurteilte man zu Beginn, nach sechs und nach 26 Wochen mit einer Demenzskala (severe impairment battery). Primärer Endpunkt waren Veränderungen beim Symptom Agitation nach sechs Wochen.

Geistiger Verfall durch Quetiapin in Studie beschleunigt

Zwar konnte durch Rivastigmin und Quetiapin die Agitation bei den Patienten vermindert werden, ein signifikanter Unterschied zur Plazebo wurde jedoch weder nach sechs noch nach 26 Wochen erzielt. Dagegen wurde bezüglich der geistigen Leitungsfähigkeit bei den mit Quetiapin behandelten Patienten sowohl nach sechs als auch nach 26 Wochen ein signifikant stärkerer Abfall vom Ausgangswert als unter Plazebo gemessen. Auf der verwendeten Demenzskala kam es nach sechs Wochen im Mittel zu einem Absinken um 14,6 Punkte, nach 26 Wochen um 15,4 Punkte, jeweils im Vergleich mit Plazebo. Die Rivastigmin-Behandlung führte zu keinen signifikanten Veränderungen der geistigen Leistungsfähigkeit (- 3,5 Punkte nach sechs, - 7,5 Punkte nach 26 Wochen im Vergleich mit Plazebo).

Neuroleptikaeinsatz kritisch betrachten

Obwohl die vorliegende Studie als relativ klein bezeichnet werden muss, sollten die Ergebnisse aufhorchen lassen. Weder Rivastigmin noch Quetiapin war in der Lage, das Symptom Agitation effektiv zu bekämpfen, Quetiapin beschleunigte außerdem den geistigen Verfall der Alzheimer-Patienten. Die Autoren empfehlen daher, Quetiapin nicht bei Demenzpatienten einzusetzen und auch die Langzeitanwendung anderer Neuroleptika bei diesen Patienten kritisch zu hinterfragen.

Dr. Claudia Bruhn, Berlin

Quelle
Ballard, C., et al.: Quetiapine and rivastig- mine and cognitive decline in Alzhei- mer’s disease: randomised double blind plazebo controlled trial. Brit. Med. J., 330, 874 – 877 (2005).
Gauthier, S.: Drugs for Alzheimer’s disease and related dementias. Brit. Med. J., 330, 857 –  858 (2005).

Erhöhte Unfallgefahr Neuroleptika können zu 

  • Kognitions- und Vigilanz-Störungen,
  • Benommenheit,
  • Sprachstörungen,
  • Müdigkeit und
  • Blutdruckabfall mit Schwindel

führen. Folge sind eine eingeschränkte Verkehrstauglichkeit sowie eine erhöhte Sturzgefahr - vor allem nachts - in Altenheimen und psychiatrischen Einrichtungen.

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