Arzneimittel und Therapie

DAZ-Interview: Beta-2-Sympathomimetika Leitlinien-konform einsetzen!

Die Diskussion um die Sicherheit lang wirkender Beta-2-Sympathomimetika hält an. Wir haben Prof. Dr. Heinrich Worth, Fürth, um eine Bewertung gebeten. Professor Worth ist Vorsitzender der Deutschen Atemwegsliga, die für die Leitlinien zur Behandlung des Asthma bronchiale in Deutschland verantwortlich zeichnet.
Prof. Dr. Heinrich Worth

DAZ:

Was ist der Hintergrund der Diskussion über die Sicherheit lang wirkender Beta-2-Sympathomimetika?

Worth:

In den letzten Jahrzehnten sind mehrfach Berichte über Asthma-Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme von kurz wirksamen und lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika veröffentlicht worden. Für die kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetika wurde dies in epidemiologischen Untersuchungen aus Neuseeland und aus Kanada zunächst für Fenoterol, dann aber auch für andere kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika gezeigt. Unklar ist bis heute, ob die erhöhte Rate von Asthma-Todesfällen, die epidemiologisch bei vermehrtem Gebrauch dieser kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetika beobachtet wurde, eine Folge der Schwere des zugrunde liegenden Asthma ist oder durch das Medikament bzw. die Gruppe der kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetika selbst verursacht wurde. Mit höherer Schwere der Erkrankung ist in der Regel auch ein vermehrter Verbrauch der Medikamente verbunden.

DAZ:

Welche Rolle spielt die SMART-Studie, in der es ja erste Hinweise auf eine Zunahme asthmabedingter Todesfälle unter Salmeterol gab?

Worth:

In der SMART-Studie (Salmeterol-Multicenter-Asthma-Research-Trial) sollten 60.000 Asthma-Patienten in den Vereinigten Staaten zusätzlich zu ihrer laufenden Asthma-Therapie, die keine lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika beinhaltete, zwei mal täglich Salmeterol oder Placebo über ein Aerosol inhalieren. Die Studie wurde im September 2002 vorzeitig abgebrochen, nachdem eine Zwischenauswertung auf der Basis von etwa 25.000 Patienten einen Anstieg atemwegsbedingter Todesfälle oder lebensgefährlicher respiratorischer Ereignisse während der Behandlungsdauer von 28 Wochen ergab. So wurden in der mit Salmeterol behandelten Gruppe 13 Todesfälle bei 13.176 eingeschlossenen Patienten gegenüber drei Todesfällen von 13.179 mit Placebo behandelten Patienten beobachtet. Wenn die Auswertung auf die Studienphase von 28 Wochen beschränkt wird, ist der Risikoanstieg signifikant. Berücksichtigt man neben der Studiendauer von 28 Monaten die anschließenden sechs Monate, in denen die Studienmedikation teilweise noch zum Einsatz kam, ist dieser Anstieg nicht signifikant. Somit zeigt sich – soweit aus den bisher veröffentlichten Daten der noch nicht voll publizierten Studie erkennbar – eine leichte Zunahme asthmabedingter Todesfälle unter dem Einsatz von Salmeterol. Besonders traf dies für die afroamerikanische Patientengruppe zu, wobei auch in dieser Gruppe die Todesfälle und die mit der Erkrankung zusammenhängenden lebensbedrohlichen Ereignisse bei weniger als 1% der behandelten Patienten auftraten. Dieser Effekt war bei weißen Patienten (71% der Gesamtpopulation) nicht nachweisbar. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zu den aktuellen Asthmaempfehlungen die Anwendung inhalativer Glucocorticoide in der gesamten Population mit 47% niedrig war. In der Subgruppe der Glucocorticoide-naiven Patienten fand sich eine statistisch signifikant höhere Zahl asthmabedingter Todesfälle für die mit Salmeterol behandelten Patienten.

DAZ:

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus?

Worth:

Kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika wie auch das lang wirksame Beta-2-Sympathomimetikum Salmeterol, vielleicht auch Formoterol, wobei für letzteres keine Daten hierzu vorliegen, können bei einer Monotherapie oder einer Asthma-Therapie ohne gleichzeitige Anwendung inhalativer Glucocorticoide möglicherweise mit einer leicht erhöhten Zahl atemwegsbedingter Todesfälle oder lebensbedrohlicher respiratorischer Ereignisse einhergehen. Eine Verursachung dieser Todesfälle durch die genannten Medikamente ist bisher nicht eindeutig gesichert.

Nach den Erfahrungen bei kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetika ist mit einer Zunahme der Gefährdung unter einer Dosiserhöhung zu rechnen. Besonders gefährdet erscheinen Patienten, die eine entzündungshemmende Basistherapie, im wesentlichen inhalative Glucocorticoide, nicht einsetzen.

DAZ:

Welche Konsequenzen sollten für Deutschland gezogen werden?

Worth:

Es ist zu empfehlen, dass lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika wie Salmeterol und Formoterol in der Langzeittherapie entsprechend den Leitlinien der Deutschen Atemwegsliga vom März 2005 und auch früher gemachten Empfehlungen der Deutschen Leitlinien in Kombination mit inhalativen Corticosteroiden eingesetzt werden. Eine Dauertherapie mit lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika ohne gleichzeitige Applikation inhalativer Corticosteroide ist in diesen Leitlinien nicht empfohlen worden. Entsprechend dem Stufenplan der Deutschen Atemwegsliga werden beim leichten intermittierenden Asthma mit nur gelegentlich auftretenden Beschwerden nur bedarfsorientiert, d.h. bei akuten Atemnotattacken bzw. Asthmaanfällen, rasch wirksame Beta-2-Sympathomimetika eingesetzt, bei allen anderen Formen des geringgradig, mittelgradig und schwergradig persistierenden Asthmas sind die inhalativen Corticosteroide das Basismedikament der Dauertherapie. Zusätzlich werden bei mittelgradig persistierendem und schwergradig persistierendem Asthma inhalative lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika, auch als feste Kombination, eingesetzt. An dieser Empfehlung sollte nach der gegenwärtigen Studienlage festgehalten werden, da es gute Daten für die Effizienz der Kombination aus lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika und inhalativem Steroid bei mittelschwerem und schwerem Asthma gibt. Die Kombinationspräparate aus inhalativem Steroid und lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika können bei Patienten mit mittelgradig und schwergradig persistierendem Asthma den Vorteil haben, dass das inhalative Corticosteroid, immer zusammen mit den lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika eingesetzt wird.

DAZ:

Herr Professor Worth, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Interview führte Apothekerin Dr. Doris Uhl.

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