- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 50/2005
- Atypische Neuroleptika: ...
Arzneimittel und Therapie
Atypische Neuroleptika: Aripiprazol – gleichzeitig Agonist und Antagonist
Die Symptome, unter denen Schizophrenie-Patienten leiden, können in Plus-Symptome und Minus-Symptome unterteilt werden. Zu den Plus-Symptomen zählen Wahnvorstellungen (Verfolgungswahn), Halluzinationen und motorische Störungen (Unruhe), zu den Minussymptomen gehören Antriebs- und Interessenlosigkeit und Kontaktverlust zur Umwelt.
Dopamin-Hypothese der Schizophrenie
Nach der Dopamin-Hypothese der Schizophrenie führt eine dopaminerge Überfunktion im mesolimbischen System zu den Positiv-Symptomen der Schizophrenie, während eine dopaminerge Unterfunktion im mesokortikalen System für die Minus-Symptomatik und kognitive Störungen verantwortlich ist. Ein Antipsychotikum sollte daher in der Lage sein, die dopaminerge Überaktivität im mesolimbischen System zu inhibieren, gleichzeitig aber die dopaminerge Unteraktivität in den kortikalen Regionen weitgehend ausgleichen. Um Nebenwirkungen möglichst gering zu halten, sollten Hirnareale, welche die extrapyramidale Motorik und die Prolaktinfreisetzung steuern (Striatum und Hypophyse) möglichst nicht beeinflusst werden. Wünschenswert sind außerdem ein 5-HT2A-Antagonismus und ein 5-HT1A-(Partial)-Agonismus.
Gleichzeitiger Dopamin-Agonismus und -Antagonismus
Das seit etwa einem Jahr in Europa für die Schizophrenie-Therapie zugelassene atypische Neuroleptikum Aripiprazol scheint diesen Anforderungen gerecht zu werden. Der Wirkstoff besitzt einen hochaffinen Dopamin-D2- und Serotonin-5-HT1A-Rezeptor-Partialagonismus und einen 5-HT2A-Rezeptor-Antagonismus. Bei einem Dopamin-Überschuss wirkt Aripiprazol als Antagonist und bei Dopaminmangel als Agonist. Dadurch kann einerseits die dopaminerge Überfunktion im mesolimbischen System gehemmt und gleichzeitig die dopaminerge Unterfunktion im mesokortikalen System ausgeglichen werden. Außerdem kommt es durch diesen Wirkmechanismus selbst bei hohen Dosierungen zu keiner übermäßigen Blockade der D2-Rezeptoren im Striatum oder in der Hypophyse, so dass das Risiko für extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen auf Placeboniveau liegt und eine Erhöhung der Prolaktinspiegel, die zu Zyklusstörungen bei der Frau und Potenzstörungen beim Mann führen kann, kaum auftritt.
Aripiprazol besitzt zusätzlich noch eine hohe Affinität zu 5-HT2A-und 5-HT1A-Rezeptoren. Am 5-HT1A-Rezeptor wirkt die Substanz dabei als Partialagonist und am 5-HT2A-Rezeptor als Antagonist. Diese Eigenschaften scheinen für die anxiolytische und antidepressive Wirkung, für die Kognitionsverbesserung und die Besserung der Minus-Symptome verantwortlich zu sein. Aripiprazol besitzt keine anticholinergen und nur geringe antihistaminische und adrenolytische Eigenschaften, wodurch erklärt werden kann, dass unter der Therapie kaum kognitive Störungen und Sedierung, nur geringe Gewichtszunahme und nur relativ selten orthostatische Dysregulationen auftreten.
Effektivität zeigt sich erst in der Praxis
Mithilfe klinischer Studien kann zwar die Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Arzneimittels nachgewiesen werden, die tatsächliche Effektivität zeigt sich jedoch erst in der klinischen Praxis. Um die Lücke zwischen den Ergebnissen aus klinischen Studien und den Ergebnissen aus der Praxis zu schließen, wurde eine große internationale naturalistische Studie, die BETA-Studie (Broad Effectiveness Trial with Aripiprazol), durchgeführt. Ziel dieser multizentrischen, offenen randomisierten Studie war es, die Dosierung, Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit des Wirkstoffs in der klinischen Praxis zu untersuchen. Die Daten der 1599 Patienten, die in den USA behandelt wurden, sind inzwischen ausgewertet. Es handelt sich dabei um Patienten, für die ein Therapiewechsel (z.B. wegen unzureichender Wirksamkeit der Vormedikation) in Betracht gezogen worden war und die daher auf Aripiprazol oder ein anderes Neuroleptikum umgestellt wurden. Nach acht Wochen erfolgte die Beurteilung der Wirksamkeit mithilfe der Clinical Global Impression of Improvement(CGI-I)-Skala.
Unter der Aripiprazol-Therapie zeigten 53% der Patienten ein Ansprechen mit einem CGI-Wert von 1 (sehr gut gebessert) oder 2 (gut gebessert). Von den Betreuern stuften 34 bis 48% Aripiprazol als deutlich besser als die Vormedikation ein. Die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen lag in einem ähnlichen Bereich, wie sie auch in den placebokontrollierten Studien beobachtet worden war. Lediglich 2,4% der Patienten brachen die Behandlung wegen Schlaflosigkeit, 1,8% wegen Übelkeit und 0,9% wegen Akathisie (quälende Unruhe) ab. Die Ergebnisse der europäischen BETA-Studie werden in Kürze erwartet.
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
Quelle
Prof. Dr. Bernhard Bogerts, Magdeburg; Dr. Sieglinde Modell, München; Prof. Dr. Hanns Hippius, München; Prof. Dr. Gerhard Gründer, Aachen; Prof. Dr. Max Schmauß, Augsburg; Prof. Dr. Wolfgang Maier, Bonn; Prof. Dr. Borwin Bandelow, Göttingen: „Innovative Wege in der Schizophrenie- Therapie – ein Jahr Abilify®-Erfahrung“, 23. und 24. September 2005,
Potsdam, veranstaltet von der Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KGaA, München, und Otsuka Pharmaceuticals Europe Ltd., London.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.