- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 9/2005
- Zwei Wochen Heilfasten...
Ernährung aktuell
Zwei Wochen Heilfasten – ein Selbstversuch
Heute leitet sein Enkel Raimund C. Wilhelmi mit seiner Frau Dr. Franćoise Wilhelmi de Toledo die Klinik. Die beiden wirken längst nicht so asketisch wie der Großvater, fasten selbst aber auch regelmäßig.
Mindestens zwei Wochen
Eine Fastenkur sollte mindestens acht bis zehn Tage dauern, dazu kommt ein Entlastungstag vorher und drei Aufbautage danach. Man benötigt also wenigstens zwei Wochen. Bis zu vier Wochen können gesunde Menschen problemlos fasten. Ich befürchte das Schlimmste, und meine Erwartungen werden gleich zu Beginn übertroffen. Nach dem so genannten "Entlastungstag" mit Reis, Hafer oder Obst erwarten mich am nächstem Morgen 30 g Glaubersalz, gelöst in einem halben Liter lauwarmem Wasser.
Die Schwester passt auf, dass ich nichts davon dorthin kippe, wo es dem Geschmack nach hingehört. Zur Belohnung bekomme ich ein kleines Glas Himbeersirup. Eine halbe Stunde später trinke ich einen Liter Wasser, um das nicht resorbierbare Glaubersalz im Darmlumen zu verdünnen, so durch erhöhten Druck gegen die Dickdarmwände die Peristaltik anzuregen und damit die Darmentleerung auszulösen. Das funktioniert wie aus dem Lehrbuch, und ich kann mein Zimmer zwei Stunden lang nicht verlassen. Als ich mich wieder erholt habe, soll der angenehme Teil des Programms beginnen. Da der Darm jetzt leer ist und kaum Peristaltik hat, hat man angeblich keinen Hunger.
Geregelter Tagesablauf
Der Tagesablauf ist streng geregelt: morgens Gesundheitscheck bei der Stationsschwester, mittags gibt es Obstsaft, nachmittags Tee mit Honig, abends Gemüsebrühe. Dazwischen bekomme ich Kräutertee, individuell abgestimmte Vitamine und Basenpulver (z. B. Basica Vital), das die saure Stoffwechsellage im Fasten ausgleichen soll. Mittags packe ich mich mit dem "Leberwickel", einer Wärmflasche in einem feuchten Tuch, für eine knappe Stunde ins Bett. Dadurch soll der Stoffwechsel der Leber angeregt werden, denn die hat jetzt mit den Abbauprodukten des Stoffwechsels viel zu tun, die über den Darm, die Nieren, die Haut und die Atmungsorgane ausgeschieden werden.
Deshalb verändern sich Körper- und Mundgeruch. Ich dusche ich mich häufig und achte auf eine gute Mundhygiene. Eine Fastenkur soll nicht nur den Darm reinigen, sondern auch das Bindegewebe sowie die Organe, Blutgefäße und Gelenke. Dabei werden nach der Fastentheorie so genannte "Schlackenstoffe" freigesetzt, für die heute allerdings noch kein naturwissenschaftliches Korrelat existiert. Jeden zweiten Tag muss ich abführen, weil im Darm fortlaufend Gallenflüssigkeit sezerniert wird, die ansonsten rückresorbiert würde. Auch Magen- und Darmschleimhautzellen schilfern fortgesetzt ab und sollten ebenfalls gemeinsam mit den abgestorbenen Darmbakterien ausgeschieden werden.
Kein Hungergefühl
An den Tagesablauf gewöhne ich mich rasch, und wider Erwarten verspüre ich tatsächlich keinen Hunger, nicht einmal in den ersten drei Tagen. Hier werden Energiereserven wie Glucose und Glycogen verbrannt, vermehrt Stresshormone ausgeschieden und das sympathische Nervensystem aktiviert. Ab und zu bekomme ich jetzt leichte Kopfschmerzen und Kreislaufbeschwerden, die aber immer schnell vorübergehen.
Nach drei Tagen beginnt die eigentliche Fastenphase. Am so genannten Umstellungstag sind die Kohlenhydrat-Reserven aufgebraucht, und der Blutzuckerspiegel sinkt. Am vierten Tag fühle ich mich etwas schwach, doch mein Nachmittags-Tee mit einem Löffel Honig hilft mir wieder auf die Beine. Nun beginnt die Plateauphase. Jetzt werden unter parasympathischer Kontrolle Fettvorräte abgebaut. Da der Körper Fettsäuren anstelle von Glucose verbrennt, wird der Stoffwechsel sauer. Die Gemüsebrühe und ein alkalisierendes Mineralpräparat wirken dem entgegen.
Ich gehe täglich zur Gymnastik und zu den Wanderungen, schlafe nachts tief und fest und fühle mich von Tag zu Tag besser. Wahrscheinlich kann ausreichende körperliche Aktivität einen unerwünschten Muskelabbau verhindern. Außerdem kurbelt sie den Stoffwechsel an und macht auch noch Spaß.
Während des Fastens fühle ich mich super. Das liegt unter anderem an der vermehrten Serotonin-Freisetzung. Durch die Umstellung des Stoffwechsels steigen auch die Spiegel an Cortisol und Wachstumshormon, und die Mirkozirkulation verbessert sich. Entzündungsreaktionen gehen zurück, weil keine proentzündlich wirkenden Eicosanoid-Vorstufen mehr aufgenommen werden. Weil auch keine Fremdstoffe über die Nahrungsmittel zugeführt werden, verringert sich die Allergenbelastung. Der Darm mit seinem großen Immunsystem kommt zur Ruhe, und die Darmflora verändert sich.
Wichtig für meinen Alltag zu Hause sind die verschiedenen Entspannungsmethoden, die ich hier unter fachlicher Anleitung erlernen kann. Dazu gehören Meditation, Autogenes Training und Yoga.
Eiweißabbau –erwünscht oder schädlich?
Der Körper greift beim Fasten neben den Fettdepots auch körpereigene Proteine an. Während Kritiker vor einem Abbau der Muskulatur und des Herzmuskels warnen, ist man bei Buchinger davon überzeugt, dass zuerst Proteine abgebaut werden, die der Körper nicht benötigt. "Der Körper greift zuerst krankmachende Proteine an", meint Dr. Francoise Wilhelmi de Toledo, die Direktorin der Buchinger-Klinik. "Dieser Effekt gehört wahrscheinlich zu den erwünschten physiologischen Wirkungen."
Eiweiß muss beim Fasten nur in Einzelfällen supplementiert werden, zum Beispiel mit Joghurt. Chronisch Kranke erhalten zusätzlich Mikronährstoffe, kalt gepresstes Sonnenblumen- und Leinöl, um essentielle Fettsäuren zuzuführen.
Gute Wirkungen bei chronischen Erkrankungen
Während des Fastens werden Risikofaktoren wie erhöhte Cholesterin-, Harnsäure- und Blutfettwerte gesenkt, und der Blutdruck kann sich normalisieren. Und kaum jemand hat wohl etwas gegen eine Gewichtsreduktion einzuwenden. Ab dem vierzigsten Lebensjahr kann eine regelmäßige Fastenkur als Prophylaxe für Gesunde empfohlen werden.
Das Fasten wird heute aber auch therapeutisch bei zahlreichen Krankheiten eingesetzt, zum Beispiel bei metabolischen Erkrankungen, chronisch-entzündlichen Erkrankungen, Krankheiten des Verdauungssystems, kardiovaskulären Erkrankungen und chronischen Schmerzsyndromen. Auch bei der Behandlung und Vorbeugung von Erkrankungen aufgrund von Fehlfunktionen des Immunsystems kann das Heilfasten positiv wirken. Dazu gehören zahlreiche Autoimmunerkrankungen, wie rheumatoide Arthritis, Typ-I-Diabetes, Colitis ulzerosa und Lupus erythematodes. Fasten kann bei diesen Krankheiten zu einer Verbesserung der Immunfunktionen und der entzündlichen Aktivität führen, sollte hier aber wegen der Gefahr von Fastenkrisen unbedingt unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden.
Bei Tuberkulose, bösartigen Tumoren, Leberzirrhose, Niereninsuffizienz, starker körperlicher Erschöpfung, Schilddrüsenüberfunktion sowie während Schwangerschaft und Stillzeit darf nicht gefastet werden.
Kinder, Schwangere und stillende Frauen sollten nicht fasten. Fasten ist außerdem für Krebspatienten und Menschen mit Schilddrüsenüberfunktion ungeeignet. Menschen mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen sollten nur mit besonderer fachkundiger Betreuung fasten.
Fastenende (Fastenbrechen) und "Aufbauzeit"
Langsam werden meine Hosen zu weit, und ich freue mich täglich über einen Gewichtsverlust von 200 bis 300 g. Männer nehmen in der Regel etwas mehr ab. Ich fühle mich wohl, verspüre keinen Hunger und könnte noch wochenlang so weitermachen. Viel zu schnell bin ich am zehnten Tag, am Ende meiner Fastenzeit, angelangt. Jetzt müssen sich Magen und Darm wieder langsam an feste Nahrung gewöhnen. Mittags esse ich ein Schälchen Apfelmus, dann einem Apfel, den ich gut kaue und abends einer leichten Kartoffelsuppe mit Gemüse – kaum zu glauben, wie köstlich so ein einfaches Essen schmecken kann!
In den nächsten beiden Tagen bekomme ich eine leichte ovo-lactovegetarische Vollwertkost, die vor allem ungesättigte Fettsäuren enthält. Je nach Länge der Fastenkur benötigt man zwei bis vier Aufbautage. Auch während der Aufbautage muss ich viel trinken. Langsam und bewusst genieße ich das gesunde Essen und nehme mir vor, in Zukunft mehr auf meine Ernährung zu achten.
Als ich nach zwei Wochen die Klinik verlasse, fühle ich mich total entspannt, fit und federleicht. Ich habe sehr viel über mich und meinen Körper gelernt. Vier Kilo habe ich verloren, und Spaß hat es auch gemacht. hel
Fasten zwischen Religion und Gesundheit
Fasten hat in allen Weltreligionen seit Jahrtausenden Tradition: zur Stärkung der seelisch-geistigen Kräfte, als innere Prüfung und als Erholung für Körper und Seele. Mitte Februar beginnt bei uns traditionell die Fastenzeit.
Zu dieser Zeit hatten unsere Vorfahren ihre Wintervorräte aufgebraucht. Die Menschen mussten sich von nun an zwangsweise einschränken. Vorher verbrauchten sie in der Fastnacht ihre letzten Fettvorräte. Die schwäbisch-alemannische Bezeichnung "schmotzige Dunschtig" für den Faschingsdonnerstag erinnert an diese Tradition: Der Begriff "Schmotz" bedeutet mundartlich "Fett".
Im deutschsprachigen Raum entwickelten die Ärzte Dr. Franz Xaver Mayr aus Österreich und Dr. Otto Buchinger aus Deutschland Methoden des stationären Fastens und eröffneten Sanatorien, in denen sie Fastentherapien durchführten. Gesunde Menschen, die das Heilfasten ausprobieren möchten, können sich auch in einer regionalen Fastengruppe anleiten lassen.
Heilfasten nach Buchinger
Das klassische Heilfasten wurde von Dr. Otto Buchinger entwickelt, der sich mit dieser Methode von einem starken Gelenkrheuma kurierte. Neben Mineralwasser und Kräutertee, eventuell mit etwas Honig gesüßt, werden Gemüsebrühe, Fruchtsaft und etwas Zitronensaft getrunken. Viel Wert wird auf fastenbegleitende Maßnahmen wie Bewegungs- und Entspannungsprogramme, regelmäßige Körper- und Darmpflege sowie auf einen geregelten Kostaufbau gelegt. Auch die psychosoziale Betreuung gehört zum Buchinger-Programm.
Nach Buchinger kann Fasten bei folgenden Krankheiten die Heilung unterstützen: Hautkrankheiten wie Akne, Pickel, Ekzeme; Schuppenflechte und Neurodermitis; chronische Darmträgheit; Krankheiten der Atmungsorgane; Nieren- und Blasenkrankheiten; Herz- und Kreislauferkrankungen.
Die Mayr-Kur
Dr. Franz Xaver Mayr kritisierte die heutigen Ernährungsgewohnheiten. Besonderer Bestandteil der Mayr-Kur ist eine intensive Darmreinigung. Die drei Prinzipien der Mayr-Kur lauten: Säuberung – Schonung – Schulung. Bei der Mayr-Kur wird das Fastenprogramm individuell zugeschnitten. Meist wird eine Milch-Semmel-Kur durchgeführt, die mit Einleitung und Fastenbrechen etwa vier Wochen dauert. Zu essen gibt es nur so genannte Kursemmeln; das sind alte Brötchen, die klein geschnitten und gut durchgekaut werden. Dazu wird Milch getrunken. Die Kur wird durch Teefasten eingeleitet, morgens wird der Darm mit einer Bittersalzlösung gereinigt. Die Mayr-Kur endet nach dem Fastenbrechen mit drei bis vier Aufbautagen.
Nach Mayr kann Fasten bei folgenden Krankheiten die Heilung unterstützen: Blähungen, Durchfall, Völlegefühl, Sodbrennen; Hämorrhoiden; Fettleibigkeit; Entzündungen der Magenschleimhaut, des Zwölffinger-, Dünn- oder Dickdarms, der Leber und der Galle; Muskelrheumatismus, Rückenschmerzen; Haltungsschäden; Gelenkentzündung (Arthritis); Gicht; Allergien; Frauenleiden wie schmerzhafte, lang anhaltende Blutungen; erhöhte Anfälligkeit für Erkältungen und Infektionen; Kopfschmerzen, auch Migräne; Konzentrationsstörungen.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.