Arzneimittel und Therapie

Nierenzellkarzinom

Hemmung der Signaltransduktion

Zielgerichtete Therapien spielen bei der Behandlung von Tumorerkrankungen eine immer größer werdende Rolle. Der Eingriff in bestimmte Signalwege beeinträchtigt oder unterbindet das unkontrollierte Wachstum von Tumorzellen. So konnten durch die Blockade des mTOR-Weges die mediane Überlebenszeit und das progressionsfreie Überleben beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom deutlich verlängert werden. Für diese Indikation wurde in den USA der mTOR-Inhibitor Temsirolimus (Torisel®) bei der FDA zur Zulassung eingereicht.

Das Zellwachstum gesunder und entarteter Zellen wird entscheidend durch Signalfaktoren bestimmt. Durch die Interaktion zwischen Signalfaktoren und Rezeptoren werden intrazelluläre Signaltransduktionswege reguliert und Zellproliferation, Apoptose, Differenzierung und Adhäsion beeinflusst. Bei Tumorerkrankungen ist das Gleichgewicht zwischen Zellneubildung und Zelluntergang gestört. Mit Hilfe zielgerichteter Therapien (Targeted Therapies) soll die Signaltransduktion an unterschiedlichen Stellen gestört werden, um so das unkontrollierte Wachstum zu unterbinden. Ein Beispiel hierfür ist die Wachstumsfaktor-Rezeptorblockade mit monoklonalen Antikörpern (z. B. mit Cetuximab). Ein weiterer Angriffspunkt für zielgerichtete Therapien ist der PI3K-AKT-mTOR-Weg.

Der PI3K-AkT-mTOR-Weg ist ebenfalls ein Signaltransduktionsweg, der an der intrazellulären Kontrolle des Zellwachstums beteiligt ist. Ein gezielter Eingriff in diese Signalkaskade kann die Zellproliferation – und somit das Tumorwachstum – beeinflussen. Die Aktivierung des Proteins mTOR (mammalian Target Of Rapamycin) über mehrere Schritte hinweg führt zu einer Zellzyklusprogression und Transkription. Ferner ist mTOR an der Regulation angiogen wirksamer Faktoren wie z. B. VEGF (Vascular Endothelial Growth Factors) und an der Regulation des für Tumorwachstum und Metastasierung wichtigen Transkriptionsfaktors HIF-1α (hypoxia inducible factor-1α) beteiligt. Eine Hemmung dieses mTOR-Proteins scheint also Erfolg versprechend, um unkontrolliertes Zellwachstum einzudämmen.

Temsirolimus bei fortgeschrittenem Nierentumor

Das fortgeschrittene Nierenzellkarzinom weist insbesondere beim Vorliegen mehrerer Risikofaktoren (z. B. Anämie, schlechter Allgemeinzustand) eine sehr schlechte Prognose auf, was sich in einer medianen Überlebenszeit von rund vier Monaten widerspiegelt. Nachdem in einer kleineren Studie ein Benefit für Risikopatienten durch die Therapie mit dem mTOR-Inhibitor Temsirolimus gezeigt werden konnte, wurde eine größere, dreiarmige Studie (ARCC Trial) durchgeführt. In dieser Studie wurde ein Teil der 626 Hochrisikopatienten mit Interferon-alpha (konventionelles Vorgehen), ein Teil der Patienten mit Temsirolimus und ein weiterer Teil mit Interferon-alpha und Temsirolimus behandelt. Durchschnittlich blieben die Patienten unter Temsirolimus 3,7 Monate (vs. 1,9 Monate unter Interferon) ohne Tumorprogression bei einer medianen Gesamtüberlebenszeit von 10,9 Monaten (vs. 7,3 Monaten unter Interferon). Die Monotherapie mit Temsirolimus (25 mg wöchentlich i.v.) war der Kombinationstherapie überlegen.

Dieses Therapieergebnis zeigt also, dass die Blockade des TOR-Proteins sinnvoll ist. Es ist durchaus möglich, dass Kombinationen mit anderen Targeted Therapies wie zum Beispiel mit den Tyrosinkinase-Hemmern Sunitinib oder Sorafenib zu weiteren Verbesserungen führen. Ferner bleibt zu klären, ob Temsirolimus auch bei Patienten mit günstigem Risikoprofil einen Nutzen zeigt.

Quelle

Prof. Dr. Kurt Possinger, Berlin, "mTOR-Inhibition: Temsirolimus in advanced renal cell carcinoma – The Global ARCC Trial", Leipzig, 5. November 2006, veranstaltet von der Wyeth Pharma GmbH, Münster.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Aus der Forschung.

mTOR als neues Ziel in der Onkologie.
  • mTOR-Inhibitoren
Der namensgebende mTOR-Inhibitor (mTOR = mammalian Target Of Rapamycin) ist das Makrolid Rapamycin, das aufgrund seiner immunsuppressiven Eigenschaften vor allem bei Organtransplantationen eingesetzt wird. Dabei wurde auch seine antitumorale Wirkung bemerkt. Zwischenzeitlich wurden stabile Rapamycin-Analoga wie z. B. Temsirolimus (Wyeth) mit verbesserter Pharmakokinetik entwickelt. Temsirolimus zeigt antiproliferative und antiinvasive Eigenschaften und wird bereits in klinischen Studien der Phase III eingesetzt. Der Zulassungsantrag für Temsirolimus wurde im Oktober 2006 bei der EMEA und FDA eingereicht.
  • PI3K-AKT-mTOR-Weg

Die Aktivierung der Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3K) erfolgt unter anderem durch Wachstumsfaktoren und führt zur Phosphorylierung von Phosphoinositiden (PI). Diese binden an PI-abhängige Kinasen und die Serin/Threonin-Kinase AKT, die dann über die Aktivierung von m-TOR Zellzyklusprogression und Transkription stimulieren.
  • Transkriptionsfaktor HIF-1 α(hypoxia inducible factor-1 α)
Ein wachsender Tumor wird im Inneren hypoxisch und aktiviert HIF-1α, um sein Wachstum zu sichern. Der Transkriptionsfaktors HIF-1α initiiert eine verstärkte Transkription im Zellkern.
  • VEGF (VEGF = vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor)
Wachstumsfaktoren, die der Tumor aussendet, um neue Gefäße bilden zu können.
Targeted Therapy – quo vadis?
Mit zunehmendem Verständnis der Tumorbiologie wächst auch die Zahl potenzieller Targets und neuer Therapeutika. Diese greifen hemmend oder stimulierend in einen bestimmten Zellprozess ein, um dadurch das unkontrollierte Zellwachstum zu unterbinden. Die Hemmung eines bestimmten Vorgangs wird aber in der Regel nicht ausreichen, um das Tumorwachstum einzudämmen, da die Krebszelle über mehrere Möglichkeiten zur Proliferation verfügt und neue Wachstumsstrategien entwickelt. Wahrscheinlich müssen mehrere zielgerichtete Therapeutika miteinander ("multiple Targeted Therapies") bzw. mit anderen Therapieformen (Chemotherapie, Strahlentherapie) kombiniert werden, um das Krebswachstum effektiv zu bekämpfen. Des weiteren müssen neue Kriterien zur Beurteilung der Wirksamkeit von Targeted Therapies erstellt werden. Mit Hilfe konventioneller bildgebender Verfahren wie z. B. der Computertomographie lässt sich der Erfolg zielgerichteter Therapien nicht immer beurteilen, da diese das Tumorwachstum zwar verhindern, den Tumor aber nicht verkleinern. Schließlich setzt der sinnvolle Einsatz von Targeted Therapies auch neue Wege in der Diagnostik voraus, um im Vorfeld abzuklären, ob bestimmte Therapien überhaupt wirksam sind.

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