Interpharm Hamburg

Medikamentenabhängigkeit

Nicht einfach abgeben! Steht am Anfang ein sinnvoller Gebrauch der Arzneimittel, so birgt ein Langzeitgebrauch von Benzodiazepinen die Gefahr der Abhängigkeit. Mit sensiblem Nachfragen sollte auf das Problem aufmerksam gemacht werden.
Interventionsmöglichkeiten in der Apotheke nutzen

Wenn auch weniger spektakulär, ist Medikamentensucht in Deutschland doch weitaus häufiger als Drogensucht. Der Löwenanteil entfällt dabei auf die Benzodiazepine. Dr. Rüdiger Holzbach, Lippstadt, und Dr. Ernst Pallenbach, Villingen-Schwenningen, beleuchteten diese oft verkannte Problematik und stellten ein Modellprojekt zum ambulanten Benzodiazepin-Entzug vor, bei dem der Apotheker die führende Rolle spielt.

Da sie eher gesellschaftskonform ist und sich mehr im Stillen abspielt, findet Medikamentenabhängigkeit weit weniger öffentliche Beachtung als Abhängigkeit von illegalen Drogen. Dabei kommt sie mit geschätzten 1,4 Millionen Betroffenen in Deutschland rund zehnmal häufiger vor. Meist sind Benzodiazepine im Spiel (bei ca. einer Million). Rund zwei Drittel der Medikamentenabhängigen sind Frauen, überwiegend mittleren bis höheren Alters.

Vor dem Beginn einer Medikamentenabhängigkeit steht fast immer ein sinnvoller Gebrauch der jeweiligen Substanz. Eine Langzeiteinnahme von Benzodiazepinen bringt jedoch eine ganze Reihe negativer Veränderungen mit sich und birgt die Gefahr einer Abhängigkeit, auch wenn diese nicht unbedingt manifest wird oder als problematisch erlebt wird. So befinden sich viele Langzeitkonsumenten auch nach Jahren noch im Stadium der Niedrigdosis-Abhängigkeit (Low-dose-dependency), das heißt es werden keine Dosissteigerungen nötig. Bei plötzlichem Absetzen macht sich jedoch eine Abhängigkeit durch Entzugssymptome wie Schlafstörungen, Angst, Muskelschmerzen, Zittern und Kopfschmerzen bemerkbar.

Zu einer starken Dosissteigerung kommt es oftmals dann, wenn sich für den Patienten plötzlich die Möglichkeit einer unbeschränkten Beschaffung (z. B. bei einem Auslandsaufenthalt) eröffnet. Die typische Abhängigkeitstrias von affektiver Verflachung, kognitiven Einbußen und körperlicher Leistungsabnahme wird deutlich. Ein Sucht-Vollbild ist erreicht, wenn Abstumpfung und Kontrollverlust sowie ein regelrechter Zwang zum Substanzkonsum bestehen.

Initiative aus der Apotheke

Eine Frühintervention bei der Benzodiazepin-Abhängigkeit ist auch im ambulanten Bereich möglich. Hierin liegt ein großes Potenzial für die Apotheke, wie ein Modellprojekt aus Villingen-Schwenningen zeigt. Es setzt auf sensible Aufklärung durch den Apotheker sowie Begleiten des Patienten während der Zeit des ausschleichenden Entzugs. In Kenntnis der "kritischen" Patienten und aufgrund deren niedrigerer Hemmschwelle zum Apotheker als zum Arzt kann man die Initiative zum Entzug ergreifen – natürlich immer in Absprache mit dem betreuenden Arzt.

Zunächst gilt es, vorsichtig Problembewusstsein beim Patienten zu schaffen, z. B. durch den Hinweis auf eine erhöhte Sturzgefahr. In Rücksprache mit dem Arzt wird ein individueller Therapieplan, auch unter Berücksichtigung sonstiger Medikation, erstellt. Zur Unterstützung des Entzugs kann ein Hopfen-Baldrian-Kombinationspräparat eingesetzt werden. Gelegentliche Apotheker-Patienten-Telefongespräche sind ein hilfreiches Tool.

Erste Erfahrungen aus Villingen-Schwenningen sind vielversprechend: Drei Viertel der Patienten konnte langfristig geholfen werden – durch Benzodiazepinkarenz bzw. -reduktion. we

Analgetika abrupt absetzen
Auch Schmerzmittel können bei unsachgemäßer Anwendung in eine Abhängigkeit führen. Für den Entzug von Nicht-Opioidanalgetika wird ein abruptes Absetzen propagiert.

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