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DAZ-Interview

"Es reicht nicht, die Datensätze zu zählen!"

Das Paul-Ehrlich-Institut ist die erste Zulassungsbehörde in Europa, die Daten zu Verdachtsfällen von Impfkomplikationen nicht nur Fachkreisen, sondern auch Laien zugänglich macht. Doch der freie Zugang zu schwer einzuordnenden Meldungen wirft Probleme auf. Wie soll ein Laie Daten bewerten, deren Interpretation schon Fachleuten nicht leicht fällt? Darüber haben wir mit Prof. Dr. Johannes Löwer, dem Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen gesprochen.

DAZ Warum hat das Paul-Ehrlich-Institut den Schritt gewagt, nicht nur Fachkreisen, sondern auch Laien den Zugang zu den Meldedaten von Impfkomplikationen zu gewähren?

Löwer: Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) verpflichtet sich in seinen Leitlinien zu größtmöglicher Transparenz auf allen seinen Arbeitsgebieten. Auch in der Vergangenheit hat das PEI sich schon bemüht, Informationen über Verdachtsfälle auf Impfkomplikationen auch für Laien so umfassend wie möglich zur Verfügung zu stellen. Dies geschah entweder als Antwort auf konkrete Einzelanfragen, beispielsweise von Medienvertretern, oder auch durch die Veröffentlichungen im Bundesgesundheitsblatt, in denen eine zusammenfassende Bewertung der Daten vorgestellt wurde.

Nach In-Kraft-Treten des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) zeigte sich, dass umfangreiche Rohdaten, die unter Berufung auf das IFG abgefragt wurden, in verfälschender Weise verarbeitet und veröffentlicht wurden. Daher hat das Institut sich entschlossen, sowohl den Fachkreisen als auch den Bürgerinnen und Bürgern selbst die Möglichkeit zu geben, die Daten zu recherchieren, die dem Paul-Ehrlich-Institut nach Infektionsschutzgesetz (Impfkomplikationen) und nach § 63b Arzneimittelgesetz (schwerwiegende Nebenwirkungen) gemeldet werden. Damit hat nun jeder selbst die Chance, sich ein Bild über die Datenlage zu machen.

DAZ In den Datenbanken finden sich viele medizinische Fachbegriffe, mit denen ein Laie zunächst nichts anfangen kann. Stichwortartig bekommt er Informationen dazu, ob die Reaktionen von vorübergehender Natur waren oder zu bleibenden Schäden geführt haben. Welche Hilfestellung bekommt er, um die Informationen richtig zu verstehen und einordnen zu können?

Löwer: Hilfestellungen, um die Informationen richtig einordnen zu können, gibt zum einen der umfangreiche Text, den man gelesen haben sollte, bevor man seine Suche in der Datenbank beginnt. Zudem bieten wir speziell zu den "bleibenden Schäden" und den Todesfällen innerhalb der Datenbank nochmals eine Erklärung, die helfen soll, diese Reaktionen einzuordnen. Dabei verweisen wir auch auf die Veröffentlichungen im Bundesgesundheitsblatt, in denen diese Reaktionen in aller Ausführlichkeit besprochen werden.

Was die medizinischen Fachbegriffe angeht, so befinden sich in der Datenbank sowohl allgemeine Ausdrücke als auch Begriffe der medizinischen Fachterminologie. Wir haben uns entschlossen, die medizinischen Fachbegriffe nicht in eine allgemeinsprachliche Version zu übersetzen, da deren inhaltliche Bedeutung dabei zu sehr verändert werden könnte und teilweise enorm umfangreiche Erläuterungen notwendig wären. Das PEI legt Wert darauf, die Berichte "wie gemeldet" zur Verfügung zu stellen.

Die Beschäftigung mit Impfnebenwirkungen ist eine ernsthafte Angelegenheit, die nicht nur von Laien große Anstrengungen abverlangt. Hilfestellungen gibt es aber natürlich auch durch direkten Kontakt mit den Nutzern der Datenbank. Schon in der Vergangenheit war es so, dass die Nutzer der PEI-Internetseite den direkten Weg über E-Mail oder Telefon zum Paul-Ehrlich-Institut gesucht haben, um Antworten auf Fragen zu Begriffen und Definitionen zu erhalten.

Zudem werden viele Nutzer sicherlich die im Internet verfügbaren Hilfestellungen wie Suchmaschinen und medizinische Wörterbücher nutzen, um einzelne Begriffe zu klären.

DAZ Auch wenn auf den sieben einführenden Seiten betont wird, dass die Datenbank keine Rückschlüsse auf Kausalzusammenhänge zulässt und es sich lediglich um Verdachtsmeldungen handelt, muss der interessierte Laie doch sehr beunruhigt sein, wenn er allein beispielsweise unter FSME-Immun® 325 Datensätze findet, darunter nicht wenige mit Angaben zu bleibenden Schäden. Wird damit nicht das Ziel, mit der frei zugänglichen Datenbank die Impfbereitschaft zu erhöhen, konterkariert?

Löwer: Nein, ganz sicher nicht! Denn wir sind überzeugt, dass die Mehrheit der Verbraucher, die die Datenbank nutzen, sich tatsächlich umfassend und unvoreingenommen informieren will.

Man muss allerdings bereit sein, die Daten genau anzusehen und sich auch mit den Zusatzinformationen auseinanderzusetzen. Dazu gehört dann zum Beispiel, zu realisieren, dass rund ein Drittel der gefundenen Datensätze in die Rubrik "wiederhergestellt" fällt. Oder dass es Meldungen gibt, die viele Jahre zurückliegen, Meldungen, bei denen der Zeitpunkt der Impfung und der Beginn der Reaktion Tage, Wochen oder sogar Monate auseinander liegen. Zu den bleibenden Schäden – und auch zu Todesfällen – haben wir ganz bewusst nochmals einen erläuternden Text vorgeschaltet, der auch auf die Veröffentlichungen im Bundesgesundheitsblatt hinweist. Dort wird klar gesagt, dass diese Meldungen nur in den seltensten Fällen als möglich oder gar wahrscheinlich bewertet wurden.

Zur Aufklärung gehören der von Ihnen erwähnte einführende Text, die entsprechenden Veröffentlichungen aus dem Bundesgesundheitsblatt, in denen sich ausführliche Bewertungen zu den gemeldeten Verdachtsfällen finden, und auch die zusätzlichen Hinweise in der Datenbank. Und um es zu wiederholen – es reicht nicht, die aufgeführten Datensätze zu zählen – entscheidend ist es, sie genau anzusehen. Aber für alle, die sich ernsthaft informieren wollen, bietet die Datenbank eine hervorragende Möglichkeit, entsprechende Informationen zu erhalten. Und aus diesem Grund sind wir hier im Paul-Ehrlich-Institut überzeugt, dass wir mit der Datenbank die Impfaufklärung unterstützen und die Impfbereitschaft erhöhen können.

DAZ Herr Professor Löwer, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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