Kommentar
Das IQWiG hat den Abschlussbericht zur Bewertung von fixen Kombinationen aus Corticosteroiden und lang wirksamen Beta-2-Rezeptoragonisten zur inhalativen Anwendung bei Asthma bronchiale Anfang Juni 2007 veröffentlicht.
Nach zweijähriger Arbeit (der Auftrag wurde im Februar 2005 erteilt) kommt das IQWiG zu der keinesfalls überraschenden Erkenntnis, dass die beiden geprüften fixen Kombinationen Budesonid und Formoterol bzw. Fluticason und Salmeterol keine Vorteile gegenüber einer getrennten Gabe – mit dem gleichen Inhalator verabreicht – in randomisierten kontrollierten doppelblinden Studien mit Double-Dummy-Technik zeigen. Auch das Umgekehrte gilt: Die getrennte Gabe weist ebenfalls keine Vorteile auf. Darüber hinaus fanden die Prüfer auch keine Unterschiede zwischen den beiden Kombinationen.
Diesen Folgerungen ist vorbehaltlos zuzustimmen. Der Bewertung wurden randomisierte, kontrollierte Zulassungsstudien (RCT’s) zugrunde gelegt, deren ursprünglicher Zweck lediglich der Nachweis der Nicht-Unterlegenheit (non-inferiority) war. Schon aus diesem statistischen Grund fällt es schwer, ein anderes Ergebnis zu erwarten. Obwohl in der Evidenz-basierten Medizin keine Schlussfolgerung – mag sie noch so logisch erscheinen – ohne Nachweis durch Studien abgeleitet werden darf, war anzunehmen, dass die gleichen Substanzen simultan oder mit ein bis zwei Minuten Verzögerung hintereinander angewendet, die gleiche Wirkung entfalten würden. Einfach ausgedrückt: 1+1 = 2.
Die Vorteile der fixen Kombinationen liegen nicht in einer theoretisch nicht begründbaren Überlegenheit, sondern in ihrer praktischen Anwendung. Es ist bekannt, dass je mehr Arzneimittel verordnet werden, umso geringer die Therapieadhärenz des Patienten ist. Die klinische Praxis zeigt seit Jahren, dass bei vielen Asthmapatienten die fixe Kombination der einzige Weg ist, die buchstäblich
lebenswichtige Adhärenz zur antientzündlichen Dauertherapie sicherzustellen. Denn deren Wirkung ist für den Patienten im Gegensatz zum Soforteffekt der Beta-2-Adrenergika nicht unmittelbar erfahrbar. Die Adhärenz (das IQWiG spricht in der alten Terminologie von Compliance) lässt sich nun mal nicht in randomisierten klinischen Studien prüfen. In dem Augenblick, in dem der Patient die Einverständniserklärung für eine Studie unterschreibt, ist er kein "Real-life"-Patient mehr. Seine Adhärenz wird allein durch die Unterschrift entscheidend beeinflusst. Hierzu kommen noch die Betreuung und Kontrolle durch das Studienpersonal, die wiederholte Einbestellung in die Praxis oder der Telefonanruf.
Vorteilhafte Registerstudien blieben außen vor
Die externe Validität ("external validity") von randomisierten klinischen Studien ist daher berüchtigt schlecht.
Sie haben ihren Platz ganz wo anders: Sie sind exzellent zum Nachweis der Wirksamkeit und Nebenwirkungen eines Medikamentes. Zahlreiche für die fixe Kombination sehr vorteilhaft ausgefallene sogenannte Registerstudien, in denen "Real-life"-Therapiegewohnheiten und harte Endpunkte wie Exazerbationen, Krankenhauseinweisungen oder Tod von krankenversicherten Asthmapatienten ausgewertet wurden, wurden nicht akzeptiert und in die Auswertung aufgrund offensichtlich fehlerhafter methodischer Vorgaben vom IQWiG nicht berücksichtigt. Jedenfalls existiert derzeit keine andere, allgemein anerkannte Methode, um nicht nur "efficacy" sondern auch "effectiveness" einer Therapie (wie es in der englischsprachigen Literatur genannt wird) zu messen.
Vor dem Hintergrund des jetzt ebenfalls vom IQWiG vorgelegten Prüfplans zur ergänzenden Bewertung von Beclometason und Formoterol ist es schwer vorstellbar, dass nach den gleichen methodischen Vorgaben diese Fixkombination anders abschneiden wird. Fluticason und Formoterol ist derzeit noch nicht im Handel und wird vom IQWiG nicht geprüft.
Nicht absehbareKonsequenzen
Die Konsequenzen des Abschlussberichts sind nicht abzusehen, zumal ein Laiengremium, der Gemeinsame Bundesausschuss, entscheiden wird. Die logische Konsequenz aus dem Bericht wäre, dass anstelle der fixen Kombinationen die freie Kombination der gleichen Substanzen aus den gleichen Inhalatoren verordnet werden müsste – eine Kostensteigerung von etwa 10 bis 15%. Im Sinne der Evidenz-basierten Medizin mit strengsten methodischen Vorgaben, worauf sich das IQWiG bezieht, wäre es nicht denkbar, dass bezüglich ihrer Wirksamkeit in der Kombination nicht dokumentierte Generika aus verschiedenen Inhalatoren verordnet werden sollten. Oder ist es vielleicht beabsichtigt, das heilige Prinzip der Evidenz-basierten Medizin heimlich und verlogen dem schnöden Mammon zu opfern?
Eine weitere Konsequenz wäre, dass COPD-Patienten weiterhin die fixen Kombinationen bekommen dürften, Asthmapatienten nicht: Ein Umstand, dessen unmögliche Vermittlung von der Politik wieder auf die Ärzteschaft verlagert wird.
Zum Heilen bleibt da keine Zeit ...!
Dr. med. Peter Kardos
Vorstandsmitglied der Deutschen Atemwegsliga e.V.
Gemeinschaftspraxis & Zentrum Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin
Klinik Maingau
Scheffelstrasse 33
60318 Frankfurt am Main
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