Arzneimittel und Therapie

Neue Studie kann Zweifel nicht zerstreuen

Die Diskussion um das kardiovaskuläre Risikoprofil von Rosiglitazon hält an. Eine Zwischenauswertung der im Jahre 2000 begonnenen RECORD-Studie sollte die Zweifel an der kardiovaskulären Sicherheit von Rosiglitazon (Avandia®) zerstreuen, konnte aber die Kritiker nicht überzeugen.

Eine vor Kurzem im New England Journal of Medicine veröffentlichte Metaanalyse von Nissen und Kollegen hatte den Stein ins Rollen gebracht: Sie kam zu dem Schluss, dass Typ-2-Diabetiker ein erhöhtes Herzinfarktrisiko haben, wenn sie mit dem Insulinsensitizer und PPAR-gamma-Agonisten Rosiglitazon behandelt werden. Auch das Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle war unter der Behandlung mit Rosiglitazon erhöht. Das hat die RECORDStudiengruppe veranlasst, eine ungeplante Zwischenanalyse durchzuführen. RECORD steht für Rosiglitazon Evaluated for Cardiovascular Outcomes and Regulation of glycemia in Diabetes und ist eine Langzeitstudie, die im Jahre 2000 begonnen wurde, mit dem Ziel, Aussagen über langfristige Auswirkungen von Rosiglitazon auf kardiovaskuläre Risiken treffen zu können. Man hatte sich erhofft, dass durch die verbesserte Stoffwechsellage auch das kardiovaskuläre Risiko der so behandelten Typ-2-Diabetiker gesenkt werden kann.


Zum Weiterlesen


Herzinfarkt: Rosiglitazon unter Verdacht.

DAZ 2007, Nr. 22 S. 35 - 37

Diskussion um Rosiglitazon. BfArM: Beendigung der Behandlung nicht notwendig.

DAZ 2007, Nr. 23 S. 38

www.deutsche-apotheker-zeitung.de


Die RECORD-Studie ist eine randomisierte offene Multicenterstudie. An ihr nehmen 4447 Typ-2-Diabetiker teil, die mit Metformin oder einem Sulfonylharnstoff-Präparat nicht ausreichend zu behandeln sind. Von ihnen erhalten 2220 zusätzlich zu ihrer Metformin- oder Sulfonylharnstofftherapie Rosiglitazon. Als Kontrolle dienen 2227 Patienten, die mit einer Kombination von Metformin plus Sulfonylharnstoff behandelt werden. Primärer Endpunkt ist eine Krankenhauseinweisung wegen kardiovaskulärer Erkrankungen oder kardiovaskulärer Tod. Die Studie soll planmäßig 2008 abgeschlossen werden. Die Zwischenauswertung erfasst einen Zeitraum von 3,75 Jahren. Sie hat, so die Autoren, nur begrenzte statistische Aussagekraft. Den definierten Endpunkt erreichten in der Rosiglitazon-Gruppe 217 Patienten, in der Kontroll-Gruppe 202 Patienten. Weder bezüglich der Herzinfarkte noch der kardiovaskulären Todesfälle gab es statistisch signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Ob die Ergebnisse der Zwischenanalyse den Verdacht, dass Rosiglitazon das kardiovaskuläre Risiko erhöht, erhärten oder entkräften, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wir haben Prof. Dr. Markolf Hanefeld gebeten, die Datenlage zu analysieren. Professor Hanefeld ist Direktor des Zentrums für Klinische Studien - Forschungsbereich Endokrinologie und Stoffwechsel in Dresden, das an der RECORD-Studie beteiligt ist.

du


STELLUNGNAHME ZUR ROSIGLITAZON-DISKUSSION

"Eine definitive Antwort steht noch aus"


Im Mai dieses Jahres erschien im New England Journal of Medicine (NEJM) eine Metaanalyse von Nissen und Wolski zur Inzidenz kardiovaskulärer Komplikationen unter Rosiglitazon bei Kurzzeitstudien, ausgewertet wurden 42 aus 116 Phase-II-, -III- und -IV-Studien bei Typ-2-Diabetikern, die die Senkung von HbA1c und Blutglucose als primäre Zielgröße hatten und kardiovaskuläre Ereignisse als Nebenwirkungen registrierten [1].

Bei diesem Vorgehen, das alle Schwächen einer sekundären Metaanalyse einschloss, wurde eine Odds Ratio für Herzinfarkte von 1,43 (95% CI: 1,03 bis 1,98; p = 0,03) beim Vergleich der Rosiglitazon-Gruppe zur Kontrollgruppe errechnet. Diese Nachricht schlug wie eine Bombe ein, denn viele Millionen Diabetiker wurden weltweit mit Rosiglitazon behandelt. Bereits die DREAM-Studie bei Prädiabetikern [2] und die ADOPT-Studie [3] hatten Hinweise auf eine Tendenz zu höheren kardiovaskulären Ereignisraten geliefert. Es kam in beiden Studien zu einer signifikanten Zunahme von Herzinsuffizienzen, jedoch nicht zu einem Anstieg letaler Herzinsuffizienzen. Es handelte sich vorwiegend um leichte Symptome von Rechtsherzinsuffizienz.

Kritisches Signal!

Nissen und Wolski [1] und alle Kommentatoren der Arbeit wiesen deshalb darauf hin, dass die Ergebnisse der Metaanalyse bei Kurzzeitanwendung zur Testung der blutzuckersenkenden Effizienz ein kritisches Signal, aber keinen definitiven Beweis für ein exzessives kardiovaskuläres Risiko bei Langzeittherapie liefern.

Zwischenanalyse sollte Klarheit bringen

Damit ergab sich die dringende Notwendigkeit, Studien zu evaluieren, die kardiovaskuläre Endpunkte als primäre Zielgröße unter "Real-life"-Bedingungen analysierten. Aus diesem Grunde entschloss sich das Steering Committee der RECORD-Studie eine Interimsanalyse mit einer Verlaufsbeobachtung von 3,75 Jahren im NEJM zu publizieren. RECORD (Rosiglitazone Evaluated for Cardial Outcomes and Regulation of glycemia in Diabetes) ist eine randomisierte, multizentrische, offene Studie bei 4447 Patienten mit Typ-2-Diabetes, die zu Beginn eine unzureichende Kontrolle unter Monotherapie mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen hatten [4]. Die Patienten erhielten randomisiert zusätzlich Rosiglitazon oder die Kombination Metformin plus Sulfonylharnstoff. Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zur ersten Hospitalisierung wegen kardiovaskulärer Erkrankungen oder kardiovaskulärem Tod. Zum Zeitpunkt der Interimsanalyse (nach 3,75 Jahren) wurde bei 217 Rosiglitazon-Patienten und bei 202 Kontrollpatienten ein Endpunktereignis registriert: OR 1,08 (95% CI: 0,89 bis 1,31). Lediglich die Infarktinzidenz zeigte eine leicht ansteigende Tendenz: 43 Infarkte unter Rosiglitazon und 37 in der Kontrollgruppe.

Wichtiger erscheint mir aber die Tatsache, dass sowohl die kardiovaskuläre Sterblichkeit (29:35) als auch die Gesamtsterblichkeit (74:80) unter Rosiglitazon in der Tendenz etwas geringer waren. Auch in der RECORD-Studie war die Zahl der Herzinsuffizienzen unter Rosiglitazon signifikant erhöht (38:17 Fälle). Die Autoren schlussfolgern daraus, dass RECORD keinen Hinweis erbrachte, dass Rosiglitazon in Kombination mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen die Rate krankenhauspflichtiger kardiovaskulärer Komplikationen oder die Mortalität erhöht.

In den im gleichen Heft des NEJM erschienenen Kommentaren prominenter Diabetologen und Kardiologen [5, 6] wird auf mögliche Schwächen der RECORD-Studie mit der Schlussfolgerung verwiesen, dass die mögliche Erhöhung des kardiovaskulären Risikos durch Rosiglitazon mit RECORD nicht definitiv widerlegt ist.

Wie ist das kardiovaskuläre Risiko zu bewerten?

Eine definitive Bewertung ist zurzeit nicht möglich. Eine Metaanalyse über kardiovaskuläre Ereignisse, die als "adverse events" erfasst wurden, kann nur als wichtiger Anstoß zu einer kritischen Überprüfung der kardiovaskulären Sicherheit gewertet werden. Eine (hoffentlich) definitive Antwort werden erst die noch laufenden Großstudien mit Rosiglitazon und kardiovaskulären Ereignissen als primäre Zielgröße geben. RECORD gibt hierzu aber eine vorläufige positive Antwort.

Eins unterstreicht aber auch die Interimsanalyse von RECORD: Der Ausschluss von Patienten mit jeder Form von Herzinsuffizienz ist ein kategorischer Imperativ.

Was rate ich nunmeinem Patienten?

Rosiglitazon ist ein PPARγ-Agonist mit gut dokumentierter Effizienz zur Senkung erhöhter Blutzuckerwerte und Reduzierung der Insulinresistenz von Leber, Fettgewebe, Muskulatur und Endothel. Patienten, die bisher erfolgreich mit Rosiglitazon behandelt wurden und darunter eine HbA1c -Senkung von > 0,5% erreichten, sollten auch weiter so behandelt werden. Besonders profitieren Typ-2-Diabetiker mit stark ausgeprägter Insulinresistenz, was typisch bei Komorbiditäten des metabolischen Syndroms ist. In jedem Falle sollte der Patient aber eine vorurteilsfreie Information über mögliche Risiken durch seinen Arzt erhalten. Letztlich ist eine individuelle Risiko/Nutzen-Abwägung bei Anwendung von Rosiglitazon, die das globale Risiko und die Komorbiditäten zur Grundlage hat, erforderlich. Gefragt ist die ärztliche Ars curandi. Das gilt mehr denn je bei der rasch wachsenden Zahl oraler Antidiabetika.


Quelle

[1] Nissen SE, Wolski K. Effect of rosiglitazone on the risk of myocardial infarction and death from cardiovascular causes. N Engl J Med 2007; 356:2457-71.

[2] The DREAM (Diabetes Reduction Assessment with ramipril and rosiglitazone Medication) trial investigators. Lancet 2006; 368:1096-1105.

[3] Kahn SE, Haffner SM, Heise MA, Herman WH, Holman RR, Jones NP, Kravitz BG, Lachin JM, O‘Neill MC, Zinman B, Viberti G; ADOPT Study Group. Glycemic durability of rosiglitazone, metformin, or glyburide monotherapy. N Engl J Med 2006; 355(23):2427-43.

[4] Home PD, Pocock SJ, Beck-Nielsen H, et al.: Rosiglitazone Evaluated for Cardiovascular Outcomes - An Interim Analysis. N Engl J Med. 2007; Jun 5.

[5] Nathan DM. Rosiglitazone and Cardiotoxicity - Weighing the Evidence. N Engl J Med 2007; Jun 5.

[6] Psaty BM, Furberg CD. The Record on Rosiglitazone and the Risk of Myocardial Infarction. N Engl J Med 2007; Jun 5.


Prof. Dr. med. Markolf Hanefeld

Zentrum für Klinische Studien

Forschungsbereich Endokrinologie und Stoffwechsel

GWT-TUD GmbH

Fiedlerstraße 34

01307 Dresden

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.