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Medizin
Was ist eigentlich ...das Reye-Syndrom?
Wenn Viren und ASS zu Gehirnschäden führen
Das Reye-Syndrom ist ein Krankheitsbild aus der Pädiatrie. Die Erkrankung kann bei Kindern aller Altersgruppen auftreten, beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen. Die Häufigkeit der Erkrankung wird je nach Quelle mit ein bis zu fünf Erkrankungen auf eine Million Kinder unter 18 Jahren in einem Jahr angegeben. In der Regel sind Kinder bis zum zehnten Lebensjahr betroffen. Sie tritt häufiger in ländlichen Gegenden auf. Seit Mitte der 1980er Jahre weiß man um die Gefahren eines Reye-Syndroms bei Einsatz von Acetylsalicylsäure bei fieberhaften Infekten im Kindesalter und vermeidet die Gabe. Daraufhin ist die Erkrankung drastisch zurückgegangen. Heutzutage sollte bei Kindern dann, wenn ein fiebersenkendes Mittel erforderlich ist, auf Paracetamol oder Ibuprofen zurückgegriffen werden.
Benannt ist die Krankheit nach dem australischen Kinderarzt Douglas Kenneth Reye, der 1978 verstarb.
Beim Reye-Syndrom handelt sich um eine schwere, aber nicht ansteckende Erkrankung. Es kommt zu einer akuten Hirnfunktionsstörung (Enzephalopathie), ausgelöst durch Giftstoffe, die durch einen Leberschaden freigesetzt werden. Bislang ist nicht bekannt, welche Faktoren das Reye-Syndrom auslösen. Einige Wissenschaftler vermuten angeborene Stoffwechselstörungen aufgrund einer genetischen Ursache. Ergebnisse aus Tierversuchen lassen ein Zusammenwirken mit Viren und Insektiziden vermuten. Wahrscheinlich aber müssen unterschiedliche Faktoren zusammentreffen, um die Erkrankung auszulösen. Oft geht dem Reye-Syndrom eine andere Krankheit voraus, meistens eine Virusinfektion. Beobachtet wurde es vor allem nach einer Influenzainfektion und Windpocken. In deren Verlauf kam es zu den besagten Schädigungen der Leber und des Gehirns. Der Leberschaden wiederum steht meistens mit der Einnahme von Acetylsalicylsäure in Verbindung. Daher sollte die Behandlung von fieberhaften Erkrankungen mit Acetylsalicylsäure bei Kindern und Jugendlichen nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen.
Zeichen desReye-Syndroms
Typischerweise tritt fünf bis sieben Tage nach der Ersterkrankung heftiges Erbrechen auf. Dieses starke Erbrechen kann nur wenige Stunden anhalten, sich aber auch über Tage hinziehen. Meistens entwickelt sich im Verlauf zusätzlich Fieber. Durch das immerwährende Erbrechen verlieren die Kinder sehr viel Flüssigkeit. In der Folge oder auch während des Erbrechens kommt es zu Verwirrtheitszuständen und eventuell Halluzinationen. Das Kind wirkt ruhelos und ist gereizt – dies kann sogar so stark sein, dass es zu gewalttätigen Ausbrüchen kommt. Bei etwa einem Drittel der Patienten entwickelt sich in der Folge das enzephalopathische Vollbild des Reye-Syndroms mit Hyperventilation (verstärkter schneller und/oder tiefer Atmung), Hyperreflexie (verstärkt auslösbaren Reflexen) mit folgender Areflexie (nicht mehr auslösbaren Reflexen) und Dezerebrationsstarre. Dabei handelt es sich um eine Enthirnungsstarre mit den möglichen Symptomen wie Bewusstlosigkeit, Tetraparese (Lähmung aller vier Extremitäten) und generalisierten Streckkrämpfen.
Im weiteren Krankheitsverlauf reduziert sich der Allgemeinzustand des Kindes immer mehr, es kann sogar zu einem epileptischen Anfall (Grand-mal-Anfall) kommen und/oder das Kind kann ins Koma fallen und versterben. Ursächlich für dieses Krankheitsbild ist eine Druckerhöhung des Gehirns durch ein Ödem.
Verfettete Leber
Eine spezielle Diagnostik gibt es nicht. Bei den genannten Symptomen sollte der Arzt aufmerksam werden ebenso wie bei veränderten Laborwerten. Typische Veränderungen sind eine Erhöhung der Transaminasen, die Blutgerinnungszeit ist verlängert (Prothrombinmangel) und der Ammoniakspiegel erhöht. Weitere pathologische Blutwerte sind ein erhöhter Aminosäure-Spiegel sowie eine Erhöhung der freien Fettsäuren, der Harnsäure und des Phosphats. Bei den Enzymen zeigt sich ein Anstieg für die Pankreas-Amylase, die Kreatinkinase und die Lactat-Dehydrogenase. In einigen Fällen kann der Blutzuckerwert sinken und es entwickelt sich eine Unterzuckerung mit entsprechenden Symptomen wie beispielsweise Kaltschweißigkeit und Zittern bis hin zum Koma. Der Liquor ist bis auf den niedrigen Zuckergehalt normal. Die Leber steht als Speicherorgan für Glykogen (Kohlenhydratreserve) aufgrund der zunehmenden Verfettung praktisch nicht mehr zur Verfügung. Im weiteren Verlauf werden auch die Nieren und das Herz von der Verfettung befallen.
Bei einer Ultraschalluntersuchung ist die vergrößerte, verfettete Leber festzustellen. Zusätzlich kann eine Computertomographie die Diagnose unterstreichen, wenn auch hier entsprechende Veränderungen an Nieren und am Herz dargestellt werden können. Zur Sicherung der Diagnose "Reye-Syndrom" kann eine Gewebeprobe aus der Leber dienen. In der Probe ist eine veränderte Mitochondrienstruktur und ein erhöhter Fettgehalt der Leber nachzuweisen, was auf das Reye-Syndrom hindeutet.
Andere Krankheiten ausschließen
Nicht immer liegt bei den genannten einzelnen Symptomen das Reye-Syndrom vor. Folgende andere Krankheiten können zu ähnlichen Anzeichen führen und müssen daher ausgeschlossen werden:
•Koma durch Sauerstoffmangel oder Unterzucker,
•Entzündung des zentralen Nervensystems (Meningitis, Enzephalitis),
•Vergiftungen durch Blei oder Knollenblätterpilze sowie
•angeborene Stoffwechselstörungen.
Rechtzeitige Behandlung rettet Leben
Die frühe Diagnose und unterstützende Behandlung senkte die Sterblichkeitsrate der Erkrankung von vormals 80% auf 30%. Die Sterblichkeit steigt jedoch an, wenn es erst einmal zu einer Erhöhung des Hirndrucks gekommen ist. Viele überlebende Kinder behalten eine Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit (zum Beispiel Sprach- oder Lernschwierigkeiten) zurück.
Eine ursächliche Therapie ist nicht möglich, die Therapie erfolgt auf der Intensivstation symptomatisch. Der kleine Patient wird intubiert und mittels Barbituraten sediert. Der Hirndruck muss invasiv überwacht werden. Dazu wird eine Drucksonde durch eine Bohrung im Schädelknochen in das Ventrikelsystem verbracht, die Druckwerte werden kontinuierlich abgeleitet. Zur Reduktion des erhöhten Hirndrucks können osmotische Diuretika wie beispielsweise Mannitol verabreicht werden. Die Hyperammoniämie wird mittels Peritonealdialyse behandelt. Daneben ist eine strenge Überwachung des Blutzuckers erforderlich. Starke Schwankungen können Folgeschäden verursachen. Weiterhin ist es unter Umständen nötig, Gerinnungsfaktoren oder Vitamin K zur Behandlung der Gerinnungsstörung einzusetzen.
Leider führt ein Ausbruch des Vollbildes "Reye-Syndrom" in über drei Viertel der Fälle zum Tod. Eine früh einsetzende Therapie im Anfangsstadium der Erkrankung kann diese hohe Mortalität deutlich vermindern.
Dr. Ingo Blank, GärtringenQuelleSitzmann FC: Pädiatrie (Duale Reihe).Thieme Verlag, Stuttgart 2007.
Illing S, Claßen M: Klinikleitfaden Pädiatrie. Urban & Fischer bei Elsevier 2006.
i Reye-Syndrom
Dieses wichtige Enzym des Harnstoffzyklus’ weist eine verminderte Aktivität auf. Folge dieser Unterfunktion ist eine Anreicherung des neurotoxischen Ammoniaks.
•Pyruvat-Dehydrogenase und Enzyme der Atmungskette Cytochrom-Oxidase.Diese funktionieren ebenfalls nicht voll. Daraus resultiert vermehrt ein anaerober Stoffwechsel. Es entsteht Lactat, welches im Körper eine Azidose hervorruft.
•Beta-Oxidation.Diese sistiert und es reichern sich langkettige Fettsäuren an.
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