Nachruf

Zum Tode des Pharmaziehistorikers Priv.-Doz. Dr. phil. Dr. sc. nat. Gottfried Schramm

Der Basler Pharmaziehistoriker, Sinologe und Japanologe Gottfried Schramm ist tot. Er verstarb am 29. Dezember 2007, im Alter von 80 Jahren. Seine wissenschaftliche Laufbahn, vor allem aber seine Entschlossenheit, so unterschiedliche Disziplinen wie die Geschichte der Pharmazie und die Ostasienwissenschaften miteinander zu verbinden, verdienen außerordentlichen Respekt. Seine Doktorandinnen und Doktoranden trauern um ihren renommierten Lehrer und Forscher.

Zum Tode des Pharmaziehistorikers Priv.-Doz. Dr. phil. Dr. sc. nat. Gottfried Schramm

Schramm wurde 1927 in Radebeul bei Dresden geboren und hat seine "Lehr- und Wanderjahre" in der damaligen DDR verbracht; sein Vater, ein aus Thüringen stammender Beamter, ließ Gottfried in Wettin das Gymnasium besuchen, das er mit dem Abitur abschloss. In der Kronen-Apotheke in Dresden absolvierte er sein Praktikum und begann anschließend das Pharmaziestudium in Greifswald. Schon als Apothekerpraktikant mochte Gottfried Schramm seinen Forschungshorizont nicht durch Labor und Offizin begrenzen lassen. Als junger Student, ausgestattet mit einem herausragenden visuellen Gedächtnis, entwickelte Schramm eine leidenschaftliche Faszination für altchinesische Schriftzeichen, später auch für ostasiatische Kultur überhaupt, die seine zukünftige Forschungstätigkeit enorm bereichern sollte. Schramm wechselte zur Universität Leipzig, setzte dort sein Pharmaziestudium fort und immatrikulierte sich gleichzeitig für Japanologie und Sinologie. 1952 bestand er das Pharmazeutische Staatsexamen, 1953 erhielt er seine Approbation, im Jahre 1957 wurde er an dem in Deutschland führenden Ostasiatischen Institut der Universität Leipzig zum Dr. phil. promoviert. Seine damaligen von ihm sehr verehrten Lehrer waren der berühmte Sinologe Prof. Dr. Eduard Erkes und der Japanologe Prof. Dr. Wiedemeyer.

Nach einer eher kurzen Phase am Staatlichen Institut für Arzneimittelforschung, dem Gottfried Schramm als Abteilungsleiter vorstand, führte ihn sein nächster Entwicklungsschritt zur E. Merck AG – zunächst nach Darmstadt, darauf nach Zürich, wo man ihm im Jahre 1965 die Leitung der wissenschaftlichen Abteilung übertrug. Sein Forscherdrang führte ihn weiter in das Zürcher Stadt-Spital Waid als dessen Chefapotheker. Als Leiter der dortigen Hygienekommission wurde er zum Mitglied der Redaktion der Schweizerischen Apotheker-Zeitung berufen. Ein zweites Mal promovierte Gottfried Schramm im Jahre 1976 am Pharmazeutischen Institut der ETH Zürich bei Prof. Dr. Dr. Jakob Büchi mit einer Dissertation über "Pharmazeutische Inkompatibilitäten unter besonderer Berücksichtigung der neueren halbsynthetischen Tetracycline" zum Dr. sc. nat..

Die Geschichte der Pharmazie und Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts ist stets Forschungsschwerpunkt von Gottfried Schramm gewesen. Sein Bestreben war es, seine starke Leidenschaft für China nun auch öffentlich mit der Pharmazie zu vereinigen. Seine Vorlesungen über chinesische Pharmakopöen sowie Artikel im "Chinese Medical Journal" stellen ein Zeugnis seiner Schaffenskraft dar.

Seine zahlreichen Vorträge in der Schweiz und in Deutschland führten oft in Grenzgebiete der Medizin, in denen er altchinesische Heilmethoden einem eher schulmedizinisch geprägten Publikum vorstellte. Dabei vernachlässigte Schramm seinen beruflichen Aufstieg keineswegs. Von 1970 bis 1980 war er Sekretär der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie, 1979 Vorstandsmitglied der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie und Mitglied der Académie Internationale d‘Histoire de la Pharmacie.

Ein bedeutender Meilenstein war seine Habilitation an der Universität Marburg am Institut für Geschichte der Pharmazie der Universität Marburg unter Rudolf Schmitz im Jahre 1987 mit dem Titel "Zur Geschichte der subkutanen Injektionen und Injektabilia im 19. Jahrhundert". Fortan lehrte er als Privatdozent am Pharmazeutischen Institut der Universität Basel das Fach Pharmaziegeschichte.

Auf Anregung seiner ersten Doktorandin entschloss sich Gottfried Schramm spontan die Reihe "Basler Dissertationen zur Geschichte der Pharmazie und Naturwissenschaften" zu begründen und durch weitere Dissertationen nach und nach aufzubauen. Innerhalb von nur zehn Jahren legte Schramm die beachtliche Anzahl von 18 Bänden vor, die im Schweizer Juris-Verlag erschienen.

Sowohl sein Fleiß – für Schramm war das Publizieren, wie er es selbst nannte, Erholung – als auch seine Begabung zum interdisziplinären, ja auch interkulturellen Denken, sind zwei seiner herausragenden Stärken gewesen, die seine Forscherkarriere geprägt haben.

Seine Doktoranden schätzten Gottfried Schramm als Menschen, als Tutor, Mentor und väterlichen Freund, der dem Namen Doktor-Vater alle Ehre machte, weil er im besten und wahrsten Sinne des Wortes ein Doktor-Vater war. Sie schätzten ihn als Lehrer wegen seiner herausragenden Kompetenz und seiner offenen und flexiblen Geisteshaltung: Gottfried Schramm, der einfühlsame Zuhörer und gründliche Analytiker stand seinen Doktoranden immer konstruktiv zur Seite.

Stets gab er ihnen die Freiheit, wissenschaftlich themenübergreifend und interdisziplinär zu denken und motivierte sie sogar dazu, über den Tellerrand zu schauen und ihren eigenen Weg zu gehen – so, wie Gottfried Schramm ihn selbst gegangen ist.

Wir, seine ehemaligen Doktorandinnen und Doktoranden werden unseren Mentor nicht aus dem Gedächtnis und – was noch bedeutender erscheint – nicht aus dem Herzen verlieren.

Dr. Margo von Bülow, Zürich

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