Arzneimittel und Therapie

Impfung senkt den Blutdruck

Zur Behandlung der Hypertonie steht eine Vielzahl von Medikamenten zur Verfügung, die allerdings regelmäßig eingenommen werden müssen. Doch bei vielen Patienten lässt die Compliance zu wünschen übrig. Vor diesem Hintergrund wurde von der Firma Cytos Biotechnology aus Zürich ein gegen Angiotensin II gerichteter Impfstoff entwickelt, der in größeren Abständen verabreicht eine effektive Blutdruckkontrolle gewährleisten soll. Die Ergebnisse einer soeben im Lancet veröffentlichten Phase-IIa-Studie sind erfolgversprechend. Wir sprachen mit Dr. Claudine Blaser von Cytos Biotechnology über das Prinzip und die Erfolgsaussichten der neuartigen Impfung gegen Bluthochdruck.

 

DAZ:

Frau Dr. Blaser, woraus besteht der von Ihnen getestete Hypertonie-Impfstoff, was bewirkt er?

 

 

Blaser: Der Impfstoff besteht aus einem Trägerprotein, einem Virus-ähnlichen Partikel genannt Qb, auf dessen Oberfläche mehrere hundert Angiotensin-II-Moleküle angebracht sind. Der Impfstoff soll das Immunsystem des Patienten dazu bringen, eine gegen Angiotensin II gerichtete Antikörperantwort zu induzieren. Angiotensin II ist ein kleines körpereigenes Peptid und Teil des sogenannten Renin-Angiotensin-Systems, einem wichtigen Blutdruckregulator. Angiotensin II ruft eine Verengung der Blutgefäße hervor, was zur Erhöhung des Blutdrucks führt. Die durch die Impfung induzierten Antikörper binden Angiotensin II und sollen so die Bindung an seine Rezeptoren blockieren, mit dem Resultat, dass der Blutdruck gesenkt wird.


 

DAZ:

In welchem Ausmaß senkt der Anti-Angiotensin-II-Impfstoff den Blutdruck? Ist die Blutdrucksenkung ausreichend oder sind weitere orale Antihypertensiva erforderlich?

 

Blaser: Die erzielte Blutdrucksenkung während des Tages ist in ähnlichem Rahmen wie bei herkömmlichen Medikamenten, die auf das Renin-Angiotensin-System abzielen. In den frühen Morgenstunden haben wir zudem eine deutlich stärkere Blutdrucksenkung beobachtet. Da dies eine kritische Zeitperiode ist, in der häufig kardiovaskuläre Ereignisse auftreten, könnte dies ein wichtiger Vorteil des Impfstoffes sein. Bis jetzt haben wir den Impfstoff bei Patienten mit leichtem bis mittlerem Bluthochdruck getestet. Bei dieser Patientengruppe könnte der Impfstoff vermutlich alleine genügen, um den Blutdruck zu kontrollieren. Weitere Studien werden nötig sein, um die Zielgruppe und die Verabreichung zu definieren.


 

DAZ:

Wie lange hält die blutdrucksenkende Wirkung des Impfstoffs an? Wie lange lassen sich gegen Angiotensin-II-gerichtete Antikörper nachweisen?

 

Blaser: Die Daten zur Wirksamkeit des Impfstoffes wurden 14 Wochen nach Impfbeginn erhoben. Längere Zeitpunkte in Bezug auf die Wirksamkeit wurden in dieser ersten Studie nicht untersucht. In der Studie haben wir einen konservativen Behandlungsplan eingesetzt und die Patienten wurden im Ganzen dreimal geimpft. Die Halbwertszeit der Antikörperantwort betrug etwa vier Monate. In der nächsten Studie werden wir einen verbesserten Verabreichungszeitplan testen, bei dem die Probanden fünf Applikationen in näheren Abständen erhalten und auch höhere Dosen getestet werden. Etwa zwei Auffrischimpfungen pro Jahr könnten dann vermutlich genügen, um die Antikörperantwort aufrecht zu erhalten.


 

DAZ:

Mit welchen Nebenwirkungen muss gerechnet werden?

 

Blaser: Die Mehrzahl der beobachteten Nebenwirkungen waren vorübergehende, meist leichte lokale Reaktionen an der Injektionsstelle, wie es für Impfstoffe üblich ist. Während der gesamten Follow-up-Periode in den Monaten vier bis zwölf nach der ersten Injektion wurden keine durch den Impfstoff verursachten Nebenwirkungen festgestellt.


 

DAZ:

Sie greifen mit dieser Impfung in das Renin-Angiotensin-System ein und damit in die Regulation des Salz- und Wasserhaushaltes. Was kann geschehen, wenn der Angiotensin-II-Spiegel zu sehr abfällt?

 

Blaser: Bereits Millionen von Menschen wurden mit Medikamenten behandelt, die auf das Renin-Angiotensin-System abzielen und die Wirkung von Angiotensin II hemmen. Zu nennen sind hier ACE-Inhibitoren und Angiotensin-II-Typ-1-Rezeptor-Blocker. Diese Antihypertensiva gelten als sicher und gut verträglich. Wir erwarten nicht, dass die pharmakologische Wirkung einer Hemmung von Angiotensin II mittels Antikörpern sehr anders ist. Basierend auf verschiedenen präklinischen und klinischen Messungen gehen wir auch davon aus, dass es durch die Impfung zu keiner kompletten Blockade von Angiotensin II kommt.


 

DAZ:

Welche Gegenmaßnahmen können ergriffen werden, wenn akute Ereignisse wie Blutverlust auftreten?

 

Blaser: Wenn Patienten adäquat medizinisch versorgt werden, so sollte dies, ähnlich wie bei einer Behandlung mit ACE-Inhibitoren oder Angiotensin-II-Typ-1-Rezeptor-Blocker, keine besonderen Probleme bereiten. Da die Impfung wie oben beschrieben nicht zur vollständigen Angiotensin-II-Blockade führt, sollte das Renin-Angiotensin-System auf solche Ereignisse nach wie vor auch reagieren können.


 

DAZ:

Wie lange wird es noch dauern, bis der Impfstoff auf den Markt kommt?

 

Blaser: Wir rechnen mit etwa fünf Jahren, wenn alles gut läuft.


DAZ:

Frau Dr. Blaser, wir danken Ihnen für das Gespräch!

 


 

Das Gespräch führte Dr. Doris Uhl.


 

Die Lancet-Studie

Erfolgreiche Blutdrucksenkung mit Impfung gegen Angiotensin II

Der gegen Angiotensin II gerichtete Impfstoff CYT006-AngQb wurde in einer multizentrischen, Placebo-kontrollierten, doppelblind und randomisiert durchgeführten Phase-IIa-Studie an 72 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Hypertonie getestet. Die Patienten wurden dreimal geimpft: Zu Beginn der Studie, nach vier und nach zwölf Wochen. Getestet wurden Impfdosierungen von 100 μg (n = 24), 300 μg (n = 24) oder Placebo (n = 24). Fünf Patienten (zwei aus der 100-μg-Gruppe, drei aus der 300-μg-Gruppe) brachen die Studie ab. Eine 24-Stunden-Blutdruckmessung wurde vor Behandlungsbeginn und nach 14 Wochen durchgeführt. Die Nachbeobachtungszeit beträgt inzwischen zwölf Monate.

Bei allen mit CYT006-AngQb geimpften Patienten wurden schon nach der ersten Impfung erhöhte IgG-Titer gegen Angiotensin II gemessen, die Antikörperantwort ließ sich durch die zweite Impfung boostern, doch nach gut drei Wochen waren die Antikörpertiter auf die Hälfte abgefallen. Daher erfolgte eine weitere Impfung nach zwölf Wochen. Die höchsten Antikörpertiter wurden mit der 300-μg-Impfung erzielt, in dieser Gruppe wurde auch die beste blutdrucksenkende Wirkung erzielt. 14 Wochen nach Studienbeginn lagen die systolischen Werte um 9 mmHg niedriger als in der Placebogruppe, diastolisch sanken sie im Vergleich zu Placebo im Schnitt um 4 mmHg. Besonders ausgeprägt war die Blutdrucksenkung in den frühen Morgenstunden, hier lagen die Werte nach der 300-μg-Impfung 25 mmHg/13 mmHg unter den Placebowerten. Schwere, auf den Impfstoff zurückzuführende Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Häufig waren dagegen lokale Reaktionen an der Impfstelle und grippeähnliche Symptome.

Quelle: Bachmann, M.; et al.: Effect of immunisation against angiotensin II with CYT006-AngQb on ambulatory blood pressure: a double-blind, randomised, placebo-controlled phase IIa study. Lancet (2008) 371: 821.

 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.