Ernährung aktuell

Biotin – das Haut- und Haar-Vitamin

Wer schöne glatte Haut und glänzendes Haar haben möchte, kommt an Biotin nicht vorbei. Doch das Vitamin, das wir in dieser Folge unserer Serie "Basiswissen Ernährung" vorstellen, ist nicht nur für die Optik von Bedeutung. Es spielt auch im Kohlenhydrat-, Aminosäure- und Fettstoffwechsel eine Rolle und ist für die Psyche wichtig. In der Regel sind wir gut mit Biotin versorgt, ältere Frauen weisen allerdings häufig ein Defizit auf und sollten daher auf die Bedeutung von Biotin hingewiesen werden.

Biotin, das auch als Vitamin H (für Haut), Coenzym R und Vitamin B7 bekannt ist, konnte 1936 das erste Mal aus Eidotter isoliert werden [1]. Erst nach 1940 gelang es Forschern jedoch, die Struktur aufzuklären, obwohl der Faktor bereits aus Experimenten mit Hefen seit Beginn des letzten Jahrhunderts bekannt war [2].

Biotin zählt zu den wasserlöslichen Vitaminen der B-Gruppe. Es handelt sich dabei um ein heterocyclisches Harnstoffderivat mit einem Thiophanring, an den Valeriansäure gebunden ist [3]. Da Biotin über drei asymmetrische C-Atome verfügt, gibt es acht mögliche Stereoisomere. Allerdings ist allein D-Biotin, das als einzige Form auch in der Natur vorkommt, biologisch aktiv [2]. Über die Valeriansäurekette ist Biotin kovalent an die freie Aminogruppe des Lysinrests entsprechender Proteine gebunden [3]. Das Vitamin ist gegenüber Wärme und UV-Licht stabil. In schwach saurer oder in neutraler Lösung ist Biotin monatelang beständig; in alkalischem Milieu dagegen weniger. Durch starke Oxidationsmittel, starke Säuren, Laugen, aber auch Formaldehyd und ranzige Fette wird das Vitamin inaktiviert. Mit dem Glykoprotein Avidin, das man bislang nur in rohem Eiklar finden konnte, wird Biotin unter Komplexbildung gebunden. Dabei bindet 1 g Avidin 7 g Biotin. Dieser Komplex ist die stärkste, nichtkovalente Bindung zwischen zwei biologischen Molekülen und kann im Gastrointestinaltrakt nicht aufgespalten werden.

Biosynthese, Vorkommen und Bioverfügbarkeit

Die Biotin-Biotinsynthese erfolgt in keimenden Samen und Mikroorganismen. Ausgangsverbindung ist die Pimelinsäure, L-Cystin dient dabei als Schwefeldonator [4].

Biotin ist in vielen Lebensmitteln zu finden, allerdings meist nur in geringen Konzentrationen. In Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft liegt Biotin in freier Form vor, in tierischen Produkten ist es überwiegend an proteingebundene Lysinreste gekoppelt. Um den Biotinbedarf zu decken, eignen sich vor allem Innereien, Eigelb und Hefe, ferner pflanzliche Produkte wie Nüsse, Sojabohnen, Haferflocken und Reiskleie [3] (Tab. 1 und 2). Während Innereien und Hefe in unserer Ernährung eher unbedeutend sind, zählen in Deutschland Milchprodukte, Brot, Gemüse, Eier und Obst zu den wichtigsten Quellen [2; 5]. Aufgrund der Wärmeunempfindlichkeit von Biotin treten nur geringe Zubereitungsverluste auf. Lediglich starke Hitze und UV-Licht können es partiell zerstören [3].


Tab. 1: Schätzwerte für eine angemessene Biotinzufuhr
Alter
Biotin µg/Tag
Säuglinge

0 bis unter 4 Monate
4 bis unter 12 Monate
5
5 – 10
Kinder

1 bis unter 4 Jahre
4 bis unter 7 Jahre
7 bis unter 10 Jahre
10 bis unter 13 Jahre
13 bis unter 15 Jahre
10 – 15
10 – 15
15 – 20
20 – 30
25 – 35
Jugendliche und Erwachsene

15 bis unter 19 Jahre
19 bis unter 25 Jahre
25 bis 51 Jahre
51 Jahre bis 65 Jahre
65 Jahre und älter
30 – 60
30 – 60
30 – 60
30 – 60
30 – 60
Schwangere
30 – 60
Stillende
30 – 60
Quelle: [6]

Die Bioverfügbarkeit von Biotin ist weitgehend ungeklärt. Bekannt ist, dass die gebundene Biotinform erst nach vorheriger Hydrolyse absorbiert werden kann [4] Der in rohen Eiern mit Avidin gebildete Biotin-Komplex ist unverdaulich. Durch Erhitzen wird Avidin jedoch denaturiert, so dass das Vitamin absorbiert werden kann.

Neben der alimentären Aufnahme spielt für die Biotinversorgung auch die enterale Synthese durch Darmbakterien eine Rolle. Bislang ist allerdings unbekannt, wie hoch die Syntheserate ist und in wie weit der Organismus diese Biotinquelle ausnutzt [3]. Kinder mit einem angeborenen Biotinidase-Mangel sind nicht in der Lage, oral zugeführtes gebundenes Biotin zu verwerten. Erfolgt keine Substitution, fällt der Biotin-Plasmaspiegel bei ihnen rasch ab. Durch diese Beobachtung wird angenommen, dass der Synthesebeitrag der Darmbakterien, zumindest in Form von freiem Biotin, nicht groß sein kann [2].


Tab. 2: Biotingehalt ausgewählter
Lebensmittel
Lebensmittel
Biotin-
gehalt in µg/100 g
Hühnerei, Gesamtinhalt
25
Hühnereigelb
55
Kuhmilch, 3,5% Fett
4
Emmentaler (45% Fett i. Tr.)
3
Makrele
4
Lachs
7
Huhn, Brathuhn
2
Rind, Muskelfleisch (ohne Fett)
5
Rinderleber
100
Schweineleber
25
Haferflocken
20
Reis, natur
12
Reis, poliert
3
Weizenmehl, Type 405
2
Weizenmehl, Type 1050
3
Weizenkeime
17
Weizenkleie
45
Weizenvollkornbrot
4
Erbsen
5
Sojabohnen
60
Erdnüsse
34
Spinat
7
Tomaten
4
Champignons
16
Apfel
5
Avocado
10
Quelle: Der kleine Souci Fachmann Kraut, Lebensmitteltabelle für die Praxis, 3. Auflage, WVG Stuttgart

Absorption und Stoffwechsel

Gebundenes Nahrungsbiotin (Biocytin) muss im Gastrointestinaltrakt zunächst freigesetzt werden, bevor es absorbiert werden kann. Die Freisetzung erfolgt mit Hilfe der Biotinidase, die vom Pankreas und Darmsaft synthetisiert wird und auch in Leber und Serum zu finden ist [1; 4]. Das Vitamin wird dann in erster Linie im Jejunum absorbiert. Werden physiologische Mengen aufgenommen, so wird Biotin durch einen sättigbaren, aktiven Na+ -abhängigen Mechanismus absorbiert. Bei höheren Konzentrationen überwiegt die passive Diffusion [4]. Das Vitamin wird in den Enterozyten nicht entgegen einem Konzentrationsgradienten akkumuliert und verlässt diese über einen Carrier, der Na+ -unabhängig ist.

Über den weiteren Metabolismus von Biotin liegen bislang nur wenige Informationen vor. Im Blut ist vor allem freies Biotin in variablen Konzentrationen vorzufinden. Diese reichen von 200 bis 1200 µg/l. Davon sind ca. 10% in den Erythrozyten lokalisiert [2]. Weitere 7% sind reversibel gebunden und etwa 12% sind kovalent gebunden [4]. An Plasmaproteine gebunden, erfolgt der Transport zur Leber und anderen Organen [3].

Die Ausscheidung von Biotin kann sowohl via Urin als auch Faeces erfolgen. Mit letzterem wird auch das von der Darmflora produzierte Biotin mit ausgeschieden. Das schließt man daraus, dass die Biotinmenge im Faeces insgesamt höher erschient als oral zugeführt wird. Im Urin liegt das Vitamin zum Großteil in Form von Bisnorbiotin und anderen Metaboliten vor.

Funktion: Coenzym in vier Fällen

Während Biotin in Mikroorganismen zahlreiche Funktionen übernimmt, sind für den Menschen lediglich vier Carboxylasen bekannt, die auf das Vorhandensein von Biotin angewiesen sind. Dabei hat Biotin als Coenzym die Aufgabe, CO2 ATP-abhängig zu binden (Carboxybiotin) und die Carboxylgruppe auf die zu carboxylierenden Substanzen zu übertragen (Tab. 3).


Tab. 3: Charakteristik biotinabhängiger Carboxylasen (modifiziert nach Gaßmann, 1999; Krause, 2002)
Ausgangsprodukt
Endprodukt
Bedeutung im Stoffwechsel
Acetyl-CoA
Malonyl-CoA
Fettsäuresynthese, Verlängerung langkettiger ungesättigter Fettsäuren (Vorläufer der Prostaglandine)
Propionyl-CoA
D-Methylmalonyl-CoA
Abbau von Methionin,
Isoleucin, Threonin, Valin, ungeradzahliger Fettsäuren, Cholesterin
3-Methylcrotonyl-CoA
3-Methylglutaconyl-CoA
Abbau von Leucin, Synthese von Cholesterin
Pyruvat
Oxalacetat
Gluconeogenese, Lipogenese
Quelle: [1]

Alle vier biotinabhängigen Carboxylasen befinden sich in den Mitochondrien der Zelle. Lediglich die Acetyl-CoA-Carboxylase ist im auch im Cytosol lokalisiert.

Durch die Acetyl-CoA-Carboxylase wird die Bildung von Malonyl-CoA katalysiert. Diese Verbindung dient als Substrat für den Fettsäure-Synthetase-Komplex und ist somit das wichtigste regulatorische Enzym der Lipogenese.

Die Pyruvat-Carboxylase (PC) ist an der Bildung von Oxalacetat im Citratzyklus beteiligt. Daraus kann in gluconeogenetischen Geweben Glucose entstehen. Möglicherweise ist diese Funktion für die im Biotinmangel beobachtete zentralnervöse Laktacidose sowie die Störungen im Glucosestoffwechsel verantwortlich.

Die Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase (MCC) katalysiert einen essenziellen Schritt beim Abbau der verzweigtkettigen Aminosäure Leucin. Ist die Enzymaktivität herabgesetzt, werden über einen alternativen Stoffwechselweg verstärkt 3-Hydroxy-Isovaleriansäure und 3-Methylcrotonylglycin produziert, die renal ausgeschieden werden.

Die Propionyl-CoA-Carboxylase (PCC) ist an der Bildung von Methylmalonyl-CoA beteiligt, das zu Succinyl-CoA isomerisiert wird. PCC ist das Schlüsselenzym beim Katabolismus von Isoleucin, Threonin, Methionin, Valin sowie von verzweigtkettigen Fettsäuren. Bei verminderter PCC-Aktivität wird analog dem MCC-Mangel mehr 3-Hydroxypropionsäure und 2-Methylcitronensäure via Harn ausgeschieden.

Neben seiner Bedeutung als prosthetische Gruppe wurde über Biotin berichtet, dass es Einfluss auf das Zellwachstum hat, die Proteinsynthese steigert und die DNA-Synthese stimuliert. Weiterhin wirkt es auf Wachstum, Erhaltung von Blutzellen, Talgdrüsen, Nervengewebe sowie von Haut und Haar ein [4].

Biotinbedarf wird in der Regel gedeckt

Bislang ist es nicht möglich, den exakten Biotinbedarf anzugeben, daher liegen nur Schätzwerte vor. Auch die Kriterien zum suboptimalen Versorgungszustand sind nicht sicher. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hält eine Zufuhr von 30 bis 60 µg/d für angemessen. Die Empfehlungen für Kinder scheinen aus den Schätzwerten für Jugendliche und Erwachsene sowie Säuglinge interpoliert worden zu sein. Nicht gestillte junge Säuglinge sollten täglich 5 bis 10 µg Biotin erhalten [4]. Gestillte Säuglinge erhalten im Durchschnitt täglich 4,5 µg Biotin mit 750 ml Frauenmilch [6]. Bei Schwangeren sind die Plasmaspiegel signifikant niedriger als bei nichtschwangeren Frauen, doch es besteht keine Verbindung zu einem potenziell niedrigeren Geburtsgewicht, so dass weder in der Schwangerschaft noch während der Stillzeit ein erhöhter Biotinbedarf besteht [4]. Im Durchschnitt entspricht die Versorgung mit Biotin in Deutschland den Zufuhrempfehlungen. Doch rund 25% der Frauen im Alter zwischen 65 und 79 liegen unterhalb dieses Schätzwertes [5].

Biotinmangel und die Folgen

Ein rein nutritiv bedingter Biotinmangel kommt äußerst selten vor, da das Vitamin in Lebensmitteln weit verbreitet ist. Zudem kommen noch die enterale Biosynthese sowie die Wiederverwertbarkeit durch Biotinidasen hinzu. Klinisch manifeste Mangelzustände treten beim Menschen lediglich nach biotinfreier parenteraler Ernährung sowie durch längere Zufuhr von rohem Eiklar auf. Letzterer Fall ist auch als "Egg White Injury" bekannt.

Es wird vermutet, dass das erste auftretende Mangelsymptom eine Dermatitis ist, die mit entzündlichen Rötungen und Abschälungen der Haut einhergeht. Zu den weiteren Symptomen sind Mundwinkelrhagaden, Anorexie, Übelkeit und Depressionen zu zählen. Weiterhin sind Haarausfall, Ataxie (Störungen der Koordination von Bewegungsabläufen), Keratokonjunktivitis (Entzündungen der Horn- und Bindehaut), Muskelschmerzen, lokale Parästhesien der Extremitäten, Hyperästhesie (Überempfindlichkeit gegenüber Berührungsreizen) sowie Lethargie möglich. Es wird vermutet, dass die beschriebenen Hautsymptome durch den gestörten Omega-6-Fettsäure- und Prostaglandinstoffwechsel bedingt sind. Weiterhin beeinflusst ein Biotinmangel die zelluläre und humorale Immunität. Ebenso wurde eine leichte Anämie sowie ein starker Anstieg des Serumcholesterinspiegels festgestellt [1].

Risikogruppen für einen Mangel

Es gibt einige Personengruppen, bei denen das Risiko für einen Biotinmangel erhöht ist. So treten bei Alkoholabusus, gastrischen Leiden und entzündlichen Darmerkrankungen erniedrigte Biotinparameter auf. Patienten mit Kurzdarmsyndrom haben ein Risiko für eine unzureichende Biotinzufuhr: es kann durch eine gestörte Resorption zu Symptomen wie Haarausfall kommen. Wird Biotin substituiert, können die Haare wieder vollständig nachwachsen. Weiterhin sollten parenteral ernährte Patienten mit ausreichend Biotin versorgt werden. Bei Personen, die ständig Antikonvulsiva wie Phenobarbital, Phenytoin und andere Verbindungen mit einer Carbamidkomponente einnehmen, kann die Biotinversorgung negativ beeinflusst werden. Forscher stellten zudem bei epileptischen Kinden unter Carbamazepin-, Primidon-, Phenobarbital- sowie Phenytointherapie einen erniedrigten Biotinstatus fest. Zudem senkte das antiepileptische Medikament Valproinsäure die Serum-Biotinidaseaktivität bei Kindern. Es wird vermutet, dass das Medikament Funktionseinbußen der Mitochondrien bewirkt. Durch eine Supplementation mit Biotin konnten die Nebenwirkungen teilweise aufgehoben werden. Des Weiteren gibt es Hinweise, dass sich bei einer langfristigen Antibiotika-Therapie die Biosynthese der Darmbakterien verringert und sich somit negativ auf den Biotin-Versorgungszustand auswirkt. Säuglinge mit einer seborrhoischen Dermatitis sowie bei desquamativer Erythrodermie (Leiner Erkrankung), einer sehr schweren Form der Dermatitis im Säuglingsalter, wiesen im Urin erniedrigte Biotinwerte auf. Eine Biotingabe hatte einen positiven Effekt [1]. Für diese Altersgruppe wurde ebenfalls ein Zusammenhang zwischen einer Biotinverarmung und dem plötzlichen Kindstod (SIDS) ermittelt. Die Lebern von Kindern, die am SIDS verstarben, wiesen einen wesentlich geringeren Biotingehalt auf als die von gleichaltrigen Kindern mit bekannter Todesursache. Wissenschaftler halten es für möglich, dass ein niedriger Biotingehalt in Fertignahrungen das Biotindefizit bewirkt, welches die Kinder anfälliger für dieses Syndrom macht [7]. Weiterhin ermittelten Wissenschaftler bei Kindern mit chronischen Leberfunktionsstörungen eine deutlich geringere Serumbiotinidase-Aktivität im Vergleich zur Kontrollgruppe. Es wird vermutet, dass bei ersteren der Biotinbedarf erhöht ist. Bei Senioren konnten marginale Biotin-Defizite bei ausreichender Energieaufnahme ermittelt werden [1].

Angeborene Stoffwechselstörungen

Es sind zwei seltene angeborene Stoffwechselstörungen bekannt, die mit Biotin im Zusammenhang stehen: der Biotinidase-Mangel sowie der Holocarboxylase-Synthetase-Mangel. Bei einem Biotinidase-Mangel können die betroffenen Patienten endogenes Biotin nicht wiederverwerten und proteingebundenes Nahrungsbiotin nicht freisetzen, so dass weniger Biotin zur Verfügung steht. Meist macht sich die Erkrankung innerhalb der ersten sechs Lebensmonate bemerkbar, selten auch während der Adoleszenz. Dabei sind neurologische Symptome mit Krampfanfällen, Optikusatrophie, Hör- und Atemstörungen, Entwicklungsverzögerungen, seborrhische Dermatitis und totaler Haarausfall zu den klinischen Auffälligkeiten zu zählen. Lebenslange Biotingaben zwischen 5 und 20 mg/d können neurologische und dermatologische Ausfälle erfolgreich behandeln, wohingegen eine Substitutionsbehandlung Hörverluste und Optikusatrophie nur schlecht beheben kann. Die Erkrankung endet ohne Behandlung tödlich, doch können im präsymptomatischen Stadium irreversible Schäden vermieden werden. Es besteht der Hinweis aus einer Fallbeschreibung, dass bei einer Supplementation auch die Taubheit reversibel sein kann, daher ist eine frühestmögliche Diagnose (Neugeborenenscreening) und Therapie mit Biotin notwendig. Die klinischen Symptome eines Holocarboxylase-Synthetase-Mangels ähnelt denen des beschriebenen Biotinidase-Mangels. Betroffene Kinder sollten 10 bis 30 mg Biotin/d substituieren [1].

Erhöhte Teratogenität bei marginaler Versorgung?

Bei einigen Spezies konnte eine fruchtschädigende Wirkung bei marginaler Biotinversorgung beobachtet werden, was auch beim Menschen nicht auszuschließen ist. Ein leichter Mangel könnte über den geringen plazentaren Biotintransfer und den erhöhten Bedarf der proliferierenden Zellen ebenfalls durch einen veränderten Fettsäure- und Prostaglandinstoffwechsel fetale Fehlbildungen auslösen. Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass bei einer normalen Schwangerschaft eine marginale Biotinversorgung häufiger auftritt, so dass die Teratogenität bei marginaler Versorgung anzuzweifeln ist [1].

Biotinmangel vorbeugen und behandeln

Die klassischen Anwendungsgebiete einer Biotinsupplementation sind im Kasten aufgeführt. Liegen manifeste Mangelzustände aufgrund einer einseitigen Nahrungsaufnahme vor, werden oral 20 µg Biotin/d und parenteral 5 bis 100 µg Biotin/d empfohlen [1]. In verschiedenen Anwendungsbeobachtungen und kleineren Studien konnte gezeigt werden, dass Biotingaben die Nagelqualität in Hinblick auf Dicke und Oberflächenstruktur verbessern. Zudem gehen Forscher von einem pharmakologischen Effekt aus, da die Probanden vor den Biotingaben, normale Serumwerte vorweisen konnten [3]. Dagegen ist bis heute nicht wissenschaftlich belegt worden, ob hohe Biotindosen bei Haarausfall, der nicht durch angeborene Stoffwechselstörungen bedingt ist, wirkt. Bei chemotherapiebedingten Haarausfall hat sich allerdings eine tägliche Gabe von 5 mg Biotin durchgesetzt. Weiterhin wurde ein positiver Effekt von hohen Biotingaben auf die gestörte Glucokinase-Funktion bei Diabetis mellitus Typ 2 beobachtet. Bislang gibt es nur Tierstudien, so dass die Wirkung beim Menschen noch nicht bestätigt werden kann [1].

Biotinsupplementation

Anwendungsgebiete für eine Biotinsupplementation sind

  • Fehl- und Mangelernährung durch Aufnahme von rohem Eiklar

bei parenteraler Ernährung, Malabsorptionssyndrom und nach Resektion des oberen Dünndarms

  • Dialysepatienten
  • Genetische Defekte wie Holocarboxylase-Synthetase-Mangel und Biotinidase-Mangel

Quelle: [1]

 

Überdosierung unmöglich

Toxikologische Kenndaten zeigen, dass Biotin eine äußerst sichere Verbindung ist und Hypervitaminosen bislang nicht beobachtet werden konnten [3; 6]. Selbst wenn die Aufnahme mehr als das 40-fache der normalen Aufnahmemenge übersteigt, treten keine negativen Effekte auf. Der NOAEL wurde daher auf 2500 µg festgelegt [3].

Literatur

[1] Hofmann, L.: Grundlagen Update: Cobalamin; Ernährung im Fokus 2-12/02, 326-328 (2002).

[2] Biesalski, H.-K.; Grimm, P.: Taschenatlas der Ernährung. Thieme, Stuttgart 2., aktualisierte Auflage, 176-179 (2001).

[3] Hahn, A., Ströhle, A., Wolters, M.: Ernährung – Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 110-112 (2005)

[4] Elmadfa, I, Leitzmann, C: Ernährung des Menschen. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 4., korrigierte und aktualisierte Auflage, 397-405 (2004).

[5] Mensink, G. und M.; v. Beitz, R.; Henschel, Y.(2002): Beiträge zur Gesundheitsberichtserstattung des Bundes: "Was essen wir heute? Ernährungsverhalten in Deutschland". Robert-Koch-Institut Berlin, 61. 

[6] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE); Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE); Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung (SGE) (Hrsg.): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Frankfurt/Main 1. Auflage, 127-129, (2000).

[7] Biesalski, H.-K.: Vitamine. In Biesalski H.-K.; Fürst, P; Kasper, H.; Kluthe, R.; Pölert, W.; Puchstein, C.; Stähelin, B. (Hrsg.): Ernährungsmedizin. Thieme, Stuttgart 3., erweiterte Auflage, 155f. (2004)

 


Katja Aue

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