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Arzneistoffporträt
Bromelain gegen akute Ödeme
Als Bromelain werden die proteolytischen Enzyme bezeichnet, die aus der zur Familie der Bromeliaceae gehörenden Ananaspflanze (Ananas comosus L.) stammen und vorzugsweise aus dem Fruchtstamm gewonnen werden. Sie wurden im Jahr 1876 beschrieben und 1957 als Arzneimittel eingeführt. Im weiteren Sinne bezeichnet Bromelain den Rohextrakt der Ananas, der neben den proteolytischen Enzymen mehrere Protease-Inhibitoren, eine Peroxidase, eine saure Phosphatase und organisch gebundenes Calcium enthält (Rowan et Buttle 1994). Das Substratspektrum von Bromelain (im engeren Sinne) ist sehr groß; bevorzugt spaltet es Glycyl-, Alanyl- und Leucyl-Bindungen.
Die Wirksamkeit und Wirkungsweise von oralen Bromelain-Präparaten wurde lange Zeit kontrovers diskutiert, da man eine Resorption von Makromolekülen über den Magen-Darm-Trakt nicht für möglich gehalten hat. Durch verbesserte biochemische und immunologische Nachweismethoden konnte allerdings gezeigt werden, dass Bromelain und andere Enzyme zum Teil als intakte Proteine über den Magen-Darm-Trakt resorbiert werden können (Castell et al. 1997, RPR 1996).
Gemäß der Monographie der Kommission E, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 48 von 1994, werden als tägliche Dosis 80 bis 320 mg Bromelain entsprechend 200 bis 800 F.I.P.-Einheiten empfohlen. "Akute Schwellungszustände nach Operationen und Verletzungen, insbesondere der Nasen und Nasennebenhöhlen" wird als einziger, wissenschaftlich gesicherter Anwendungsbereich genannt. In der Roten Liste® sind Bromelain-Präparate – sowohl Mono- als auch Kombinationspräparate – allein der Medikamentengruppe Antiphlogistika zugeordnet (Rote Liste 2008).
Sie werden heutzutage in erheblichem Umfang als Begleittherapie bei Erkrankungen mit entzündlichen, traumatischen und postoperativen Weichteilödemen eingesetzt (Tassman et al. 1964, Masson 1995, Klein et Kullich 1999, Leipner et al. 2001).
Es existieren allerdings zahlreiche klinische Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass der Indikationsbereich aufgrund der unterschiedlichen Wirkmechanismen von Bromelain viel weitreichender gefasst werden sollte. Einen Überblick über weitere therapeutische Anwendungsmöglichkeiten gibt Kelly (1996).
Klinische Studien zur Wirkung
Die therapeutische Enzymgabe wurde bereits in zahlreichen Studien als effektive Ergänzung zu herkömmlichen physikalischen, analgetischen und antiphlogistischen Maßnahmen bei postoperativen und posttraumatischen Ereignissen angewandt. Insbesondere zwischen 1960 und 1970 wurden Untersuchungen durchgeführt, die die positiven Effekte von oral verabreichtem Bromelain belegen, z. B. die Verringerung von Ödemen, Prellungen, Schmerzen und der Dauer des Heilungsprozesses nach einem traumatischen oder operativen Ereignis. Aktuellere Studien liegen nur in geringer Anzahl vor.
Van Eimeren et al. (1987, 1994) untersuchten in einer Metaanalyse insgesamt zwölf kontrollierte Parallelgruppenstudien hinsichtlich der Wirksamkeit von Bromelain bei Traumen (Seltzer 1964, Tassman et al. 1965, Woolf et al. 1965, Cirelli 1967, Zatuchni et Colombi 1967, Späth 1968, Blonstein 1969, Dunant et Waibel 1972, Howat et Lewis 1972, Mäder 1973, Trillig 1983, Nitzschke et Leonhardt 1989). Insgesamt war der Vorteil einer Enzymbehandlung mit Bromelain in neun Studien nachzuweisen. Bezüglich der Ödemremission konnte eine statistisch signifikante Wirkung in fünf Studien gezeigt werden, in zwei Studien konnte eine statistisch signifikante Wirkung für andere Zielparameter wie z. B. Hämatombildung belegt werden. Lediglich in zwei Untersuchungen waren keine Unterschiede zwischen der Behandlung mit Bromelain und Placebo festzustellen. Somit wird durch diese Metaanalyse die Überlegenheit der Bromelain-Therapie untermauert.
Der Großteil dieser Studien wurde mit dem Monopräparat traumanase® in täglichen Dosen zwischen 120 und 240 mg (entsprechend 300 bis 600 F.I.P.-Einheiten) durchgeführt. Die angewandten Dosierungen lagen somit im Bereich der Monographieempfehlung von 200 bis 800 F.I.P.-Einheiten.
Ein weiterer umfassender Übersichtsartikel behandelt die Anwendung von Bromelain gerade in der Sporttraumatologie (Berg et al. 2005). Im Folgenden werden die wichtigsten kontrollierten klinischen Untersuchungen entsprechend ihres Anwendungsbereichs dargestellt.
Allgemeine Traumatologie
Bei 100 Patienten mit Vorfußschwellung konnten Nitschke und Leonhardt (1989) in einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie zeigen, dass die postoperative Einnahme von 3 × 80 mg eines Bromelain-Monopräparates zu einer signifikant geringeren Schwellung (p ≤ 0,05) und einer signifikant früher eintretenden Schmerzfreiheit (p ≤ 0,001) gegenüber Placebo führte. Eine Beeinflussung der Blutgerinnung durch Bromelain wurde nicht festgestellt, die Verträglichkeit wurde von 98% der Patienten als "gut" oder "sehr gut" bewertet.
Demgegenüber stehen Ergebnisse einer groß angelegten multinationalen, randomisierten, doppel-blinden Parallelgruppenstudie (Kerkhoff et al. 2004), in der bei Verstauchungen keine Überlegenheit eines Kombinationspräparates mit Bromelain (Phlogenzym® ; enthält auch Trypsin und Rutosid) gegenüber Placebo gefunden werden konnte.
Bei 112 Patienten mit Distorsionen des oberen Sprunggelenkes ergab ein zweiarmiger, multizentrischer, doppelblinder Parallelgruppenvergleich, dass die 15-tägige Einnahme von Bromelain bis zum Tag 7 zu einer Verringerung des Umfangs des verletzten Gelenks um durchschnittlich 1,35 cm in der Placebogruppe gegenüber 1,83 cm in der Verumgruppe führte. Der Unterschied zur Placebogruppe war statistisch signifikant. Die gesamte Wirksamkeit wurde in der Verumgruppe von den Ärzten zu 85% mit "sehr gut" oder "gut" eingestuft, in der Placebogruppe waren es 76% (IMF 1999).
Tschechische Wissenschaftler konnten des Weiteren zeigen, dass bei Patienten mit langen Knochenbrüchen deutlich geringere postoperative Schwellungen auftraten, wenn ihnen nach dem operativen Eingriff über mehrere Tage eine proteolytische Enzymkombination (90 mg Bromelain pro Tablette) verabreicht wurde, im Vergleich zu Patienten, die herkömmliche antiödematöse Präparate auf der Basis von Aescin erhielten (Kamenicek et al. 2001).
In einer Doppelblindstudie von Woolf et al. (1965) wurde der Einfluss von Bromelain (täglich 4 × 40 mg) auf Unterarmschwellungen nach Injektion von Eigenblut überprüft. Lineare und volumetrische Messungen ergaben eine deutlich verringerte Steigerung der Armvolumina sowie eine geringere Zunahme des Armumfangs in der Verumgruppe im Vergleich zu Placebo. Die Unterschiede waren statistisch signifikant.
Nascuiti und Benini (1977) führten eine randomisierte Doppelblindstudie durch und verglichen die Wirkung eines Bromelain-Monopräparates mit der eines nicht-steroidalen Antiphlogistikums (Oxyphenbutazon) bei 40 Patienten mit Extremitätenfraktur. Über sechs Tage erhielten die Patienten entweder 3 × täglich 40 mg Bromelain oder 100 mg Oxyphenbutazon. Insgesamt konnte eine statistisch signifikant stärkere Wirkung von Bromelain gegenüber dem nicht-steroidalen Antiphlogistikum festgestellt werden. Auch hinsichtlich der Nebenwirkungen war Bromelain der NSAR-Therapie deutlich überlegen. Die ausgezeichnete Verträglichkeit von Bromelain im Vergleich zu zwei nicht-steroidalen Antiphlogistika (Oxyphenbutazon bzw. eine Kombination aus Oxyphenbutazon und Propyphenazon) wurde auch in einer Studie von Trillig (1983) bestätigt.
Mund- und Kieferchirurgie
Studien von Tassman et al. (1964, 1965) zeigten, dass Bromelain Schwellungen, Schmerzen und die Zeitdauer der Wundheilung nach dentalen Operationen verringern kann. Im Rahmen einer placebokontrollierten Crossover-Studie, an der 32 Patienten teilnahmen, konnte nachgewiesen werden, dass die Einnahme von Bromelain (4 × 40 mg/Tag) über einen Behandlungszeitraum von drei Tagen die Dauer der Anschwellung nach einer Zahnextraktion (Bromelain: 3,8 Tage, Placebo: 7 Tage) und die Schmerzdauer (Bromelain: 5 Tage, Placebo: 8 Tage) deutlich reduzierte. Diese Ergebnisse werden von zwei offenen Studien bestätigt (Lorber 1967, Graber 1970), in denen die unerwünschten Begleiterscheinungen einer Zahnoperation wie starke Schwellungen im Gesichtsbereich und Schmerzen mit einem Bromelain-Monopräparat deutlich reduziert werden konnten.
Pöllmann und Häußler (1983) setzten ein Bromelain-Monopräparat in ihren Studien prophylaktisch vor größeren operativen Eingriffen im Mund- und Kieferbereich ein. In der Verumgruppe zeigte sich ein schnellerer Schwellungsrückgang als in der Placebogruppe.
Studien von Tschaika (1999) belegen einen effektiven Einsatz von Bromelain in der Kieferchirurgie. In einer prospektiven, multizentrischen, placebokontrollierten Studie mit 105 Patienten, die Osteotomien im Kieferbereich aufwiesen, wurde eine bessere Wirkung des Enzympräparates bezüglich der Schwellungen, metrischer Messungen des Wangenumfangs und der Geschwindigkeit der Schwellungsrückbildung nachgewiesen. Die Unterschiede gegenüber Placebo waren allerdings nicht statistisch signifikant. Hotz et al. (1989) konnten in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie, in der 100 Patienten Weisheitszähne gezogen wurden, ebenfalls keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Schwellungsintensität im Vergleich zu Placebo feststellen. Die Schwellungsintensität war jedoch in der mit Bromelain behandelten Gruppe deutlich geringer als in der Placebogruppe.
Plastische Chirurgie
Die einzige randomisierte, placebokontrollierte Studie im Bereich der Gesichtschirurgie wurde 1964 von Seltzer durchgeführt. An 49 Patienten mit posttraumatischen Schwellungen nach Rhinoplastiken und anderen chirurgischen Gesichtsoperationen wurde Bromelain im Vergleich zu Placebo untersucht. Prüfparameter waren die Entzündung der Nasenschleimhaut, die Schleimsekretion und die Beurteilung der Atemwegspassage. Bei 90% der behandelten Patienten wurde ein guter Erfolg erzielt, in der Placebogruppe belief sich die Erfolgsrate auf lediglich 9,5%. Seltzer (1962) überprüfte in einer weiteren kontrollierten Studie die Wirkung von Bromelain bei 53 Patienten, die sich einer plastischen Nasenoperation unterzogen hatten. Schwellungen und Ekchymose waren in der Placebogruppe nach sieben Tagen abgeklungen, während sie in der Verumgruppe bereits nach zwei Tagen abgeklungen waren. Nach rhinoplastischen Eingriffen beobachtete Baumgartner (1970) bei 36 Patienten, die vor und nach dem operativen Eingriff bereits Bromelain in einer Dosierung von 120 bis 160 mg pro Tag zu sich nahmen, bereits nach zwei Tagen eine deutliche Abnahme der Schwellungen, während dies in der Placebogruppe einen Tag später erfolgte. Die Remission der Hämatome war in allen Fällen gegenüber der Placebogruppe beschleunigt, die Spannung an den Nahtlinien war geringer, und die entzündlichen Vorgänge im Nahtbereich waren schneller abgeklungen. Vergleichbar gute Ergebnisse wurden von Vogt-Suter (1970) und Pasha (1974) erzielt.
Sinusitis
Die Wirksamkeit von Bromelain bei Sinusitis wurde in zahlreichen Studien untersucht (Taub 1966, 1967, Ryan 1967, Seltzer 1967, Braun et al. 2005). Bromelain wurde dabei häufig als Ergänzung zur Standardtherapie eingesetzt.
In einer von Seltzer (1967) durchgeführten randomisierten Doppelblindstudie erhielten 48 Patienten mit akuter Sinusitis ein Bromelain-Monopräparat. Hinsichtlich der Parameter "nasale Beschwerden", "Atembeschwerden" und der Bewertung des Patientenzustands erwies sich das Verum statistisch signifikant wirksamer als Placebo. Auch die Behandlungsdauer war in der Verumgruppe mit 9,9 Tagen statistisch hochsignifikant (p < 0,001) kürzer als in der Placebogruppe (16,5 Tage). Unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten nicht auf.
Diese Ergebnisse konnten von Ryan (1967) und Taub (1967) bestätigt werden. Ryan wies in einer Doppelblindstudie bei 48 Patienten mit akuter Sinusitis eine vollständige Remission der entzündlichen Schleimhautsymptome in 83% der Fälle innerhalb von sechs Tagen nach. In einer ähnlich angelegten randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie untersuchte Taub die Wirksamkeit von Bromelain (4 × 40 mg/Tag) bei 59 Patienten mit akuter oder chronischer Sinusitis über einen Behandlungszeitraum von sechs Tagen. Die Anwendung erfolgte zusätzlich zu einer Basistherapie. Bei 69% der Patienten in der Verumgruppe konnte ein sehr gutes Therapieergebnis festgestellt werden, während dies in der Placebogruppe nur bei 23% der Patienten der Fall war. Eine aktuelle Metaanalyse von Guo et al. (2006) untermauert die erfolgreiche Anwendung von Bromelain-Monopräparaten bei akuter und chronischer Sinusitis.
Verträglichkeit
Bromelain wird von der U. S. Food and Drug Administration als Lebensmittelzusatz eingestuft und in der Liste der Substanzen geführt, die generell als sicher angesehen werden (FDA 2007). In der Bromelain-Monographie der Kommission E werden außer einer bestehenden Überempfindlichkeit gegen Bromelain bzw. Ananas keine Gegenanzeigen oder besondere Vorsichtshinweise für die Anwendung von Bromelain angegeben.
Einige Autoren weisen allerdings darauf hin, dass aufgrund der antikoagulatorischen Eigenschaften von Bromelain die Gefahr von Blutungen erhöht ist, vor allem wenn zusätzliche Antikoagulanzien wie Acetylsalicylsäure eingenommen werden (Abebe 2003).
Nach Maurer (2000, 2001) treten durch Proteasen verursachte Nebenwirkungen sehr selten auf und sind nur vorübergehend und als geringgradig einzuschätzen. Gelegentlich können durch den Wirkstoff neben gastrointestinalen Symptomen wie Magenbeschwerden und Durchfall auch allergische Reaktionen, z. B. Hautausschläge oder asthmaähnliche Beschwerden ausgelöst werden (Baur et Fruhmann 1979, Gailhofer et al. 1988, Nietzschke et Leonhardt 1989, Brien et al. 2004). Das Auftreten allergischer Symptome wird zumeist mit der Inhalation von Enzym-Staub in Zusammenhang gebracht, wie Zentner et al. (1997) bei zehn Mitarbeitern einer pharmazeutischen Fabrik, in der Enzympräparate hergestellt wurden, feststellen konnten. Gleiches wird von Hugo et Gall (1999) angenommen, die bei einem 35-jährigen Laboranten, der ebenfalls beruflich mit pulverförmigem Bromelain arbeitete, eine durch IgE vermittelte Sensibilisierung feststellten. Das Risikopotenzial bei oraler Einnahme wurde auch hier als sehr gering eingestuft.
Insgesamt kann die orale Einnahme von Bromelain als sicher angesehen werden, allerdings fordert Orsani (2006) in einem aktuellen Review zur Wirkung und Verträglichkeit von Bromelain weitere randomisierte, kontrollierte Studien, um das klinische Potenzial noch genauer aufzuklären.
Schlussfolgerung
Die ausgewerteten Studien belegen die hervorragende Wirksamkeit von Bromelain bei der Ödemremission, Schmerzlinderung und Hämatomresorption bei traumatischen Ereignissen. Die nachgewiesenen antiphlogistischen und antiödematösen Eigenschaften sprechen zudem für eine prophylaktische Anwendung von Bromelain vor der Durchführung operativer Eingriffe. Aufgrund der guten Wirksamkeit und ausgezeichneten Verträglichkeit kann Bromelain als unterstützende Behandlungsmaßnahme zur Standardtherapie mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) bei akuten postoperativen und posttraumatischen Ödemen angesehen werden.
Literatur bei den Verfassern
Anschriften der Verfasser:
Prof. Dr. med. Claus-Peter Siegers,
Arzt für Pharmakologie und Toxikologie,
Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein
siegers@uni-luebeck.de
Dr. med. Jan-Peter Siegers,
Facharzt für Chirurgie,
Rettungsmedizin
jan-peter-siegers@t-online.de
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