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Praxis
Retaxfalle: Die "Stellvertreter-Falle"
Leider kann die Eingabe einer Wirkstoffverordnung schwierig und zeitraubend sein. Gerade routinierte Apotheker, die ihre rabattierten Lagerartikel vielfach auswendig kennen, sind daher versucht, die Wartezeit des Kunden zu verkürzen. Statt umständlich den Wirkstoff, die Wirkstärke, Darreichungsform und Packungsgröße manuell einzugeben, nehmen sie eine Arzneimittelpackung aus dem Schub, die alle diese Kriterien erfüllt und deren Hersteller Rabattpartner der vorliegenden Kasse ist. Auch bei Namensverordnungen wird daher im Apothekenalltag gerne statt des tatsächlich verordneten Medikaments ein vermeintlich identischer "Stellvertreter" aus dem Lager eingescannt. – Doch Vorsicht! Dies ist nicht ratsam, denn es lässt den Apotheker in die "Stellvertreter-Falle" tappen.
IndikationsgleichheitDas in den Beispielen genannte Austauschkriterium "Indikationsgleichheit" bezieht sich auf den seit 2002 praktizierten Konsens, dass nur dann ausgetauscht werden darf, wenn das ausgetauschte Medikament alle Indikationen des verordneten Medikaments abdeckt. Die vor Kurzem bekannt gewordene und vom Bundesgesundheitsministerium unterstützte Meinung der Krankenkassen, dass bereits dann gegen ein wirkstoffgleiches Rabattarzneimittel ausgetauscht werden muss, wenn eines seiner Anwendungsgebiete (Leitindikation) dem gemeinsamen Indikationsbereich angehört, ist in den genannten Beispielen noch nicht berücksichtigt. Dies sollte jedoch nicht im Sinne einer Empfehlung verstanden werden. Siehe hierzu auch DAZ 12/2009, S99 ff, Retaxfalle "Austauschkriterium".
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Falle bei Namensverordnung
Als Beispiel soll die Bearbeitung einer Namensverordnung über "Omeprazol 40 mg 50 Stück N2 1A-Pharma" zulasten der DAK in Bayern dienen. Wenn der Apotheker weiß, dass auch Hexal Rabattpartner der DAK ist, könnte er versucht sein, eine Packung "Omep 40 mg 50 Stück" von Hexal als Stellvertreter einzuscannen. Die EDV unterstellt dann, das eingescannte Produkt sei verordnet, und vergleicht daher alle Austauschkriterien mit diesem Produkt. Da die Firma Hexal Rabattpartner der DAK ist, wird kein erforderlicher Austausch angezeigt. Der Apotheker wird seine Stellvertreter-Auswahl für richtig halten und möglicherweise das eingescannte Produkt abgeben. Seinen fehlerhaften Austausch würde er spätestens bei der Retaxierung bemerken.
Wenn der Apotheker richtigerweise das tatsächlich verordnete Produkt von 1A-Pharma eingibt, würde die EDV auch keinen Austausch fordern, weil 1A-Pharma Rabattpartner der DAK ist. Das Problem wird erst erkennbar, wenn die Austauschliste in der EDV manuell geöffnet wird (siehe Abb. 1).
Dann wird deutlich, dass das abgegebene Produkt von Hexal nicht indikationsgleich mit dem verordneten Produkt von 1A Pharma ist (erkennbar am roten "X" in Abb. 1). Dem Apotheker würde eine Null-Retaxation wegen Falschabgabe drohen. Der benachteiligte Hersteller könnte versuchen, den Umsatzverlust, den Herstellerrabatt und den Vertragsrabatt beim Apotheker geltend zu machen. Wenn das Arzneimittel tatsächlich außerhalb seiner Indikation, also im off-label-use, zum Einsatz käme und unglücklicherweise gerade in diesem Fall ein Patient geschädigt würde, könnten sogar Schadensersatzforderungen und ein unkalkulierbarer Imageverlust auf den Apotheker zukommen.
Falle bei Wirkstoffverordnung
Ein ähnliches Problem droht auch bei Wirkstoffverordnungen, beispielsweise bei einer Verordnung über "Omeprazol 20 mg N1" zulasten der DAK. Wenn der Apotheker weiß, dass die Firma Hexal Rabattpartner der Krankenkasse ist, bietet sich das Präparat "Omep® " als Stellvertreter an. Die EDV mahnt beim Einscannen der Packung von Hexal keinen Austausch an (siehe Abb. 2). Sogar die manuell geöffnete Austauschliste lässt kein Problem erkennen, denn das Hexal-Produkt wird dort ebenfalls als abgabefähig angezeigt (siehe Abb. 3).
Doch hätte der Apotheker bei dieser Abgabe gleich mehrere Fehler gemacht. Denn durch die Vorgabe des Stellvertreters wird eine Namensverordnung vorgegeben, obwohl eine Wirkstoffverordnung vorliegt. Damit gibt der Apotheker seiner EDV gleich drei Vergleichskriterien vor, die in der tatsächlichen Wirkstoffverordnung nicht enthalten sind:
- den Indikationsbereich des Stellvertreters,
- die Packungsgröße, hier mit der Stückzahl 15 statt der verordneten N1, und
- die Darreichungsform des Stellvertreters.
Je nachdem, welche Darreichungsformen als austauschbar definiert sind, kann auch dies die angezeigte Auswahl beeinflussen. Im genannten Beispiel würde der Apotheker zudem übersehen, dass von anderen Herstellern N1-Packungen mit nur sieben Einzeldosen im Handel sind. Wenn die "N1" des Stellvertreters mit 15 Stück eingescannt wird, werden die kleineren N1-Packungen anderer Anbieter nicht mehr angezeigt. Bei einer korrekten Eingabe als Wirkstoffverordnung hätte der Apotheker beispielsweise eine Austauschanzeige wie in Abbildung 4 erhalten und erkannt, dass er eines der vier Präparate mit sieben Stück als kleinste N1-Menge hätte abgeben müssen.
Richtige Vorgehensweise
Auch wer bei einer Stellvertretereingabe die abweichenden Indikationen berücksichtigt, kann demnach in andere Fallen tappen, wie die falsche Menge in diesem Beispiel. Apotheker Dieter Drinhaus rät daher aufgrund seiner Erfahrung mit Retaxationen davon ab, Stellvertreter-Packungen einzuscannen. Gerade hierbei sieht er ein großes Risiko für eine Falschabgabe und damit für eine Retaxation. Daher empfiehlt der Retaxfallen-Autor:
- Bei jeder Eingabe in die EDV sollte zwischen Namens- und Wirkstoffverordnung unterschieden werden. Denn jede Vorgabe an die EDV wirkt als Filter für die Auswahl.
- Eingaben zur Menge müssen der Angabe auf dem Rezept entsprechen. Wenn die Menge nur als N-Größe verordnet ist, darf keine Stückzahl eingegeben werden.
- Wenn die EDV unterschiedliche Salze wie Succinat, Tartrat und Fumarat bei Metoprolol und unterschiedliche "krumme" Wirkstärken anzeigt, sollte sicherheitshalber nur der Oberbegriff wie "Metoprolol" eingegeben werden. So wird die Auswahl nicht durch die EDV falsch eingegrenzt. Aus den angezeigten Präparaten muss dann fachkundig ausgewählt werden.
Weitere Varianten
Solche Probleme drohen keineswegs nur, wenn das pharmazeutische Personal aus Zeitgründen eine vermeintlich identische Stellvertreter-Packung einscannt. Viele andere alltägliche Arbeitsabläufe in der Apotheke führen unbewusst in die "Stellvertreter-Falle" und können teure Retaxationen zur Folge haben. Retaxfallen-Autor Dieter Drinhaus nennt diese Situationen:
- die "Kunde-will-sparen"Falle,
- die "Mitgebrachte-Schachtel"-Falle und
- die "Vorbestellungs"-Falle.
"Kunde-will-sparen"-Falle. Ein Problem wie bei der Stellvertreter-Falle droht auch, wenn ein Kunde nach einem zuzahlungsbefreiten Produkt fragt und der Apotheker ein zuzahlungsbefreites Rabattarzneimittel auswählt, dabei aber den richtigen Weg der EDV-Eingabe nicht genau einhält. Es sollte nicht einfach ein bekanntes zuzahlungsfreies Produkt eingescannt und überprüft werden. Erfahrungsgemäß droht dann das gleiche Problem wie bei der Stellvertreter-Falle.
"Mitgebrachte-Schachtel"Falle. Ähnliche Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn ein Patient seine aufgebrauchte bisherige Arzneimittelpackung in die Apotheke mitbringt, um sich bei einer erneuten Auswahl einen Präparatewechsel zu ersparen.
"Vorbestellungs"-Falle • In die Stellvertreter-Falle kann das Apothekenpersonal außerdem tappen, wenn ein Patient eine verordnete Packung vorbestellt und bei der Abgabe zur Kontrolle nur die bereitgelegte Packung eingescannt wird. Diese Falle wirkt besonders heimtückisch, weil an der Versorgung meist verschiedene Apothekenmitarbeiter beteiligt sind:
- die Mitarbeiterin, die die Vorbestellung aufnimmt und vergisst alle erforderlichen Rezeptangaben abzufragen und die Abgabefähigkeit zu prüfen, und
- der Pharmazeut, der die bereitgelegte Schachtel einscannt, keine Austauschanzeige erhält und sich daher bei der Abgabe in Sicherheit wiegt.
Ausführliche Beschreibungen dieser Fallen mit anschaulichen Beispielen werden in dem vorbereiteten Buch über "Retaxfallen" nachzulesen sein.
Retaxfallen:eine Sammlung aus der PraxisRetaxationen sind ein "Dauerbrenner" in der Apothekenpraxis. Davon zeugt insbesondere die Arbeit des Apothekers Dieter Drinhaus aus Eichendorf. Mit Unterstützung vieler Kollegen erstellte er eine Sammlung der 50 wichtigsten "Retaxfallen" im Apothekenalltag. Eine Veröffentlichung dieser Sammlung als Buch ist in Vorbereitung. Vorab präsentiert die DAZ-Redaktion Ihnen schon jetzt einige besonders wichtige Erfahrungen aus dieser Arbeit, damit Sie Ihre Vorgehensweise beim Umgang mit Rezepten überprüfen können und nicht in eine der vielen Retaxfallen geraten. Wenn auch Sie eine "Retaxfalle" beisteuern möchten, mailen oder faxen Sie bitte Ihre anonymisierten Unterlagen unter
retaxfallen@gmx.de oder Fax 09952-90088 direkt an Herrn Drinhaus.
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