Selbstmedikation

Antivirale Wirkung ätherischer Öle als Therapieoption?

Infektionen durch Herpes-simplex-Viren sind in der Bevölkerung von Industrieländern weit verbreitet. Die Behandlung zielt dabei vorrangig auf den Einsatz topischer Virustatika wie Aciclovir oder Penciclovir ab. Aktuelle In-vitro-Untersuchungen haben ergeben, dass auch lokal applizierte ätherische Öle vielversprechende Erfolge bei rezidivierenden Herpesepisoden verzeichnen.
Lästige Herpesbläschen Topische Zubereitungen ätherischer Öle können den Ausbruch der Herpesbläschen unterdrücken. Vermutlich greifen Bestandteile aus dem Öl die Glykoproteine der Virushülle an und verhindern so die Zellanheftung und das Eindringen der Viren in die Wirtszelle.
Foto: ABDA

Die Durchseuchung der Bevölkerung mit Herpes-simplex-Viren (HSV) ist relativ hoch, wobei etwa 80 bis 90% mit HSV Typ 1 (HSV-1) und 20 bis 30% mit HSV Typ 2 (HSV-2) kontaminiert sind. Nur bei 20 bis 40% der Betroffenen wird die Erkrankung durch entsprechende Bläschen auf der Haut sichtbar. Typische Eruptionen an Lippe und Nase (Herpes labialis, Herpes nasalis) werden durch HSV-1 verursacht, während HSV-2 für Infektionen im Genitalbereich verantwortlich zeichnet.

Herpes-simplex-Viren gelten als persistierend, das heißt nach einer häufig symptomlosen Erstinfektion verbleiben die Erreger lebenslang latent in den Nervenganglien und können durch verschiedene Faktoren wie Fieber, Traumata, Stress und klimatische oder hormonelle Veränderungen reaktiviert werden. Sind die Erkrankungen für Gesunde meist harmlos, können sie bei Immunsupprimierten jedoch zu lebensbedrohlichen systemischen Infektionen führen.

Effektvolle Öle, aber wenige Studien

Ziel arzneimitteltherapeutischer Maßnahmen bei Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus ist, das Eindringen der Viren in die Wirtszelle (z. B. Docasanol, Melissenextrakt) beziehungsweise ihre Replikation darin (z. B. Aciclovir, Tromantadin) zu verhindern. Nicht selten lassen sich Resistenzen der Erreger gegenüber eingesetzter Wirkstoffe beobachten. Als vielversprechenden Ansatz sieht Prof. Dr. Jürgen Reichling von der Universität Heidelberg die Verwendung phytogener ätherischer Öle. Viele dieser terpenhaltigen Substanzgemische zeigen antibakterielle und antimykotische Wirkungen. Über mögliche antivirale Effekte existieren bisher nur wenige Studien. Reichling untersuchte in vitro die Wirkung verschiedener ätherischer Öle gegen Herpes-simplex-Viren Typ 1 und Typ 2 auf Affennierenzellen (RC-37-Zellen). Dazu wurden die Wirtszellen und Viren mit Testölen wie Anis-, Thymian-, Latschenkiefer-, Zitrus- oder Ingweröl in maximal nicht zytotoxischen Konzentrationen zu unterschiedlichen Zeiten während des viralen Infektionszyklus behandelt. Mithilfe des sogenannten Plaquereduktions-Tests ließ sich die virale Aktivität in infizierten Zellen bestimmen.

Angriff auf die Virushülle

Wie die Auswertungen zeigen, hatte eine Vorbehandlung der Wirtszellen mit den Testölen keinen Einfluss auf die nachfolgende Virusinfektion. Erfolgreicher hingegen war die Wirkung der Mono- und Sesquiterpengemische auf freie Herpes-Viren. Hier konnte die Plaquebildung um mehr als 95% bei HSV-1 und über 90% bei HSV-2 reduziert werden. Auch eine laterale Ausbreitung der Viren von Zelle zu Zelle wurde unterbunden. Abhängig von Konzentration und Inkubationszeit wird der Wirkungsgrad der ätherischen Öle außerdem durch die Erregermenge bestimmt. Eine intrazelluläre Virusreplikation ließ sich offenbar nicht verhindern, so dass im Gegenzug wahrscheinlich auch keine Resistenzen wie z. B. bei Aciclovir gegenüber den ätherischen Ölen zu erwarten sind.

Als möglicher virustatischer Wirkmechanismus wird ein Angriff der ätherischen Ölbestandteile auf die Glykoproteine der Virushülle vermutet. Diese Strukturen sind entscheidend für die Zellanheftung und das Eindringen der Viren in die Wirtszelle. Im Ergebnis beeinflussen ätherische Öle nur die Infektiosität behüllter DNA- bzw. RNA-Viren, zu denen auch der Influenza-A-Virus gehört. Nicht-behüllte Erreger, wie Adenovirus Typ 3 oder Polioviren bleiben unbehelligt.

Potenzial für eine topische Anwendung

Zwar stehen umfassende klinische Tests noch aus, doch scheinen ätherische Öle in topischen Zubereitungen durchaus für die Therapie rezidivierender Herpesinfektionen geeignet. Eine Pilotstudie zeigte einen pharmakologischen Nutzen von Teebaumöl, das – prophylaktisch angewendet – die Eruption von Herpesbläschen unterdrückte und bei bereits ausgebrochenem Herpes den Infektionsverlauf von sieben auf drei Tage verkürzte. Patienten berichten bei der versuchsweisen Verwendung von ätherischen Ölen gegen Herpesinfektionen über deren sehr gute antivirale, juckreizstillende und entzündungshemmende Wirkung. Aufgrund antibakterieller Effekte können möglicherweise auch begleitende Superinfektionen im Anfangsstadium verhindert werden.

Kontaktallergien ausschließen

Vor der topischen Anwendung der Vielkomponentengemische wird jedoch eine Abklärung möglicher allergischer Hautirritationen angeraten. Grundsätzlich sollten nur Zubereitungen in niedrigen Konzentrationen (maximal 5 bis 10%) eingesetzt werden und auch diese nicht länger, als Eruptionen zu erkennen sind. Ätherische Öle gelten sowohl in der Früh- als auch Spätphase als wirksam, sind für schwere Infektionen jedoch nicht einsetzbar.

 

Quelle
 Prof. Dr. Jürgen Reichling, Heidelberg: Ätherische Öle als Inhibitoren von Herpes-simplex-Viren Typ 1 und Typ 2. 13. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie, 30. März 2009 bis 1. April 2009, Heidelberg.
 Bruhn, C.: Herpes labialis. Tipps, damit die Lippen nicht "aufblühen". Dtsch Apoth Ztng, 2009; 4, 60 – 63.

 

 

 

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