Sächsischer Apothekertag

Ein Studium mit Zukunft?

Von außen betrachtet ist es heute um die Pharmazie nicht besonders gut bestellt. Die Monetik scheint die Ethik in den Hintergrund zu drängen, die kaufmännische Seite dominiert über die heilberufliche. Wozu also heute noch Pharmazie studieren? Frau Prof. Dr. Karen Nieber, Inhaberin des Lehrstuhls für Pharmakologie und geschäftsführende Direktorin des Instituts für Pharmazie in Leipzig, versuchte diese Frage zu beantworten.
Pharmazie hat eine Zukunft. Prof. Dr. Karen Nieber, Institut für Pharmazie der Uni Leipzig

Vor dem Hintergrund des 600-jährigen Jubiläums der Universität Leipzig stellte sie kurz die Bedeutung der Universität für das Apothekenwesen in Leipzig dar. So erhielt beispielsweise 1474 die Universität eine Überwachungsfunktion über das Apothekenwesen in Leipzig. Erst 1819 wurde die Ausbildung der Apotheker neu geregelt: zu den Lehr- und Gesellenjahren kamen Vorlesungen an der Universität. 1875 mussten angehende Apotheker ein dreisemestriges Studium an der Universität absolvieren.

Heute gehört die Pharmazie zu den sogenannten Lebenswissenschaften (life science), die Pharmazie ist Bestandteil eines komplexen Netzwerks aller Lebenswissenschaften.

Allerdings, so Nieber, ist die heutige Approbationsordnung noch vielfach alten Traditionen verhaftet: "Ausbildung und der berufliche Alltag in der modernen Apotheke klaffen auseinander." Nicht zuletzt dadurch, dass die Industrie die Arzneimittelherstellung übernommen hat, ergeben sich neue Anforderungen an den Apotheker, der Berufsalltag hat sich drastisch geändert. Nach wie vor benötigt der Pharmazeut eine pharmazeutisch-wissenschaftliche Ausbildung. Aber mehr und mehr treten heute pharmakologische und medizinische Aspekte in den Vordergrund.

Nieber plädierte dafür, dass die universitäre Ausbildung die Basis schaffen muss für alle späteren beruflichen Richtungen, die ein Pharmazeut einschlagen kann. Während der Ausbildung können zwar Schwerpunkte gesetzt werden, aber eine berufliche Spezialisierung sollte erst nach dem Studium erfolgen. Als zukunftsträchtig stellt sich für sie der Diplomstudiengang für Pharmazeuten dar.

Insbesondere die Klinische Pharmazie bietet nach Auffassung Niebers sehr gute Perspektiven für den Apotheker, nicht nur, aber auch im Krankenhaus in der Zusammenarbeit mit Ärzten. Eine bessere Etablierung der Klinischen Pharmazie ist allerdings nur möglich, wenn die Ausbildung an der Universität entsprechend realisiert wird. Auch für den Apotheker in der Industrie sind die Möglichkeiten bisher nicht ausgeschöpft. Meist werden Apotheker in der Industrie in der Galenik eingesetzt. Apothekern gibt sie dagegen auch sehr gute Chancen im Produktmanagement, in der klinischen Forschung, in der Zulassung und im Außendienst. Während einer Promotion können sich die Pharmazeuten beispielsweise auf diese Aufgaben in der Industrie vorbereiten.

Doch nach wie vor gehen die meisten Studienabgänger in die öffentliche Apotheke. Hier sollte der Apotheker in Zukunft verstärkt seine neutrale Rolle als Arzneimittelinformant, als kompetenter Berater der Patienten ausbauen. Das Gebiet der pharmazeutischen Betreuung (pharmaceutical care) bietet dem Apotheker viele neue Tätigkeiten. "Die Beschäftigung mit dem Randsortiment sollte, wie der Name sagt", so Nieber, "am Rande bleiben."

Das Pharmaziestudium hat also durchaus Zukunft. Die Universität muss ihren Beitrag dazu leisten, dass dies so bleibt. Der Apothekerberuf ist der einzige Beruf, der auf das Arzneimittel und den Patienten gleichermaßen gerichtet ist. Nieber abschließend: "Man muss der Pharmazie den Stellenwert zurückgeben, den sie verdient, dann hat auch das Studium eine Zukunft. Es liegt an jedem Einzelnen, etwas zur Realisierung der Möglichkeiten und Ziele beizutragen."

Die Klinische Pharmazie stärken!

 

DAZ Sie haben in Ihrem Vortrag die Approbationsordnung angesprochen. Seit 1989 wurde sie quasi nicht verändert. Wäre es mittlerweile nicht schon längst an der Zeit, über Änderungen nachzudenken?

 

Nieber: Veränderungen müssten nach meiner Auffassung sehr rasch angegangen werden. Die Ausbildung der Pharmaziestudierenden muss den modernen Anforderungen an den Berufsalltag angepasst werden. Das bedeutet: Es müssen die medizinisch-pharmakologischen Fächer gestärkt werden, ganz besonders die Klinische Pharmazie.

DAZ Wie sollte denn eine neue Approbationsordnung, die die Bedürfnisse des heutigen Apothekerberufs berücksichtigt, Ihrer Meinung nach aussehen? Wir haben heute immer noch eine starke Chemielastigkeit. Sie haben die Stärkung der Klinischen Pharmazie angesprochen

 

Nieber: Selbstverständlich muss im Pharmaziestudium eine naturwissenschaftliche Grundlage vorhanden sein. Dass aber heute Synthesen für den Apothekerberuf nicht mehr die Bedeutung haben wie früher, ist klar. Ein gewisser Umfang an Analytik ist natürlich wichtig. Aber der Patient muss viel stärker im Mittelpunkt stehen. Dieser Aspekt muss deutlicher in die Ausbildung eingebracht werden, d. h., wir müssen versuchen, die Studierenden schon während des Studiums an den Patienten heranzuführen.

DAZ Könnten Sie vielleicht ganz konkret den prozentualen Anteil der fünf pharmazeutischen Disziplinen einordnen, wie sie vor dem Hintergrund der heutigen Anforderungen zur modernen Ausbildung beitragen könnten?

 

Nieber: Gegenwärtig sieht die Approbationsordnung vor, dass die Chemie einen Anteil von 40 Prozent hat, die pharmazeutische Biologie 20 Prozent, die pharmazeutische Technologie ebenfalls 20 Prozent und 20 Prozent auch die Pharmakologie zusammen mit den klinischen Aspekten. Ich bin der Meinung, dass dieser Prozentsatz der pharmakologisch-klinischen Ausbildung mindestens um zehn Prozent angehoben werden müsste.

DAZ Vielen Dank, Frau Nieber, für Ihre Einschätzung.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.