Medizin

Was steckt eigentlich hinter … Urin- und Nierenwerten?

Entgiftungszentrale, Blutdruck-Regulationsstelle und Hormonfabrik – genauso unermüdlich wie unbeachtet arbeiten die Nieren, um den Körper im Gleichgewicht zu halten. Ihr Ausscheidungsprodukt, der Urin, ist zudem ein problemlos verfügbares medizinisches Untersuchungsmedium und bietet eine Fülle von Diagnosemöglichkeiten.

Urin-Teststreifen

Die Urinuntersuchung mit einem Teststreifen wird als Screening bei Infektionen der Nieren und Harnwege sowie zur Vorsorge angewendet. Spezielle Teststreifen dienen zur Verlaufskontrolle der häufigen diabetischen und arteriosklerotischen Nephropathien oder als Schwangerschaftstest. Dazu werden Multiteststreifen verwendet. Die Auswertung des Teststreifens erlaubt nur qualitative oder semi-quantitative Aussagen über folgende Werte:

pH. Abweichungen gibt es bei Harnwegsinfekten oder Störungen des Säure-Basen-Haushaltes. Sie weisen auf ein erhöhtes Risiko für eine abermalige Nierensteinbildung hin.

Urinkonzentration. Zu niedrige oder zu hohe Werte liegen bei beeinträchtigter Konzentrationsleistung der Niere vor. Die Urinkonzentration hilft vor allem die anderen Testfelder zu beurteilen, z. B. zur Erkennung stark verdünnter Urine oder Einordnung fraglich positiver Befunde.

Erythrozyten sind v. a. bei Infektionen der Nieren, der ableitenden Harnwege oder der Prostata nachweisbar. Seltenere Ursachen sind Glomerulonephritis, Nierensteine, Tumoren der Nieren oder Harnwege, Blutgerinnungsstörungen oder Skelettmuskelschäden. Der Test differenziert nicht zwischen Erythrozyten, Hämoglobin und Myoglobin!

Leukozyten im Urin weisen meist auf eine Infektion der Nieren oder der ableitenden Harnwege hin, seltener auf eine Prostatitis oder Glomerulonephritis.

Proteine weisen auf schwere Infektionen der Nieren oder ableitenden Harnwege, auf eine Glomerulonephritis und ein nephrotisches Syndrom hin. Aber auch schwere körperliche Anstrengung oder langes Stehen führen zu Protein im Urin. Leider ist der Streifentest auf Protein wenig empfindlich. Um eine Mikroalbuminurie als Zeichen einer beginnenden diabetischen oder arteriosklerotischen Nephropathie zu erkennen, muss ein Spezialteststreifen verwendet werden.

Falsch positive Ergebnisse sind bei einem alkalischen pH möglich, etwa infolge von Harnwegsinfektionen.

Glucose im Urin kommt v. a. bei Diabetes und bei verminderter Glucoseresorption in den Nierentubuli (renale Glucosurie) vor. In der Schwangerschaft kann eine vermehrte Zuckerausscheidung im Urin ohne Krankheitswert sein. Deshalb sind Teststreifen als Screening für einen Schwangerschafts-Diabetes nach Ansicht von Experten für diesen Zweck zu ungenau. Der Nüchternblutzuckerwert aus einem Blutstropfen der Fingerbeere ist hier die bessere Wahl.

Übrigens: die Zufuhr von Ascorbinsäure (Vitamin C also) führt zu falsch negativen Ergebnissen. Schon die Menge, die in Vitamintabletten oder Vitamin-angereicherten Fruchtsäften enthalten ist, reicht dazu aus. Deshalb haben manche Teststreifen ein zusätzliches Feld für Ascorbinsäure.

Ketone sind Nebenprodukte des Zuckerstoffwechsels und bei schlecht eingestelltem Diabetes, längerem Fasten und Schwangerschaftserbrechen nachweisbar. Sei führen zu massiver Übersäuerung des Bluts. V. a. für Typ-I-Diabetiker gibt es Keton-Teststreifen, um eine beginnende Ketoazidose schnell zu erkennen.

Nitrit wird vom Körper nur in kleinsten Spuren, von Bakterien aber in großen Mengen aus dem Nitrat des Urins gebildet. Allerdings: Ein unauffälliger Nitritwert schließt einen Harnwegsinfekt nicht aus, und ein Wert bei ansonsten normalem Urinbefund ist nicht gleichbedeutend mit einem Harnwegsinfekt.

Bilirubin ist das Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin. Er reichert sich im Urin vor allem an bei Gallenwegs- und Lebererkrankungen sowie bei erhöhtem Erythrozytenabbau, wie z. B. in den beiden Wochen nach der Geburt.

Urobilinogen. Ursachen eines positiven Befundes sind Leberschäden, Hämolyse und Porphyrien.

 

UntersuchungIndikation
Urin-Multiteststreifen
  • Verdacht auf Harnwegsinfekt
  • Gesundheitsvorsorge, z. B. beim Check-up
  • Schwangerenvorsorge
Mikroalbuminurie-Teststreifen
  • V. a. diabetische und arteriosklerotische Nephropathie
  • Verlaufskontrolle bei bekannter Nephropathie
SchwangerschaftstestHeute zu praktisch 100 % sicherer Schwangerschaftsnachweis ab Ausbleiben der Regelblutung. Am sichersten mit Morgenurin
Keton-UrinteststreifenSelbstkontrolle v. a. von Typ-I-Diabetikern auf eine beginnende Ketoazidose
Urineiweiß-Differenzierung
  • erhöhte Eiweißausscheidung
  • Verlaufskontrolle einer Nephropathie
  • Verdacht auf Paraproteine (Amyloidose, Leukämie)
Urinsediment
  • auffälliger Befund bei einer Urin-Teststreifen-Untersuchung
  • Differenzierung Nierenbecken- und Harnwegserkrankung
Creatinin
  • Ausschluss einer Nierenfunktionseinschränkung von 
    mindestens 50 %
  • Verlaufskontrolle bei Nephropathie
Creatinin-ClearanceVerdacht beginnender Nierenfunktionseinschränkung und 
Verlaufskontrolle
Cystatin-C
  • bei Diabetikern zur Früherkennung
  • Therapie mit nephrotoxischen Medikamenten
  • Verlaufskontrolle nach Nierentransplantation
HarnstoffVerlaufskontrolle bei starker Niereninsuffizienz

Urinsediment

Ist das Urinsediment auffällig, wird es als nächstes zentrifugiert und mikroskopiert. Die durch Zentrifugierung sichtbar gemachten festen Bestandteile geben wertvolle Hinweise:

  • Erythrozyten und Leukozyten in erhöhter Zahl sind hochverdächtig für eine Infektion oder eine nicht-infektiöse Entzündung der Harnwege (und bei Männern auch der Prostata).
  • Urinzylinder (Ausgüsse aus den Nierenkanälchen) sind immer ein Zeichen für eine Nierenerkrankung. Lediglich hyaline Zylinder, die nur aus Eiweiß bestehen, treten auch bei ansonsten Gesunden nach körperlicher Anstrengung oder bei starkem Fieber und Austrocknung auf.
  • Kristalle zeigen sich in erster Linie bei Nieren- und Harnwegssteinen.

Urineiweiß-Differenzierung

Die Urineiweiß-Differenzierung eignet sich zur Abklärung einer erhöhten Eiweißausscheidung, zur Verlaufskontrolle einer diabetischen oder arteriosklerotischen Nephropathie oder bei Verdacht auf Paraproteine (funktionslose Antikörper, die z. B. auf eine lymphatische Leukämie oder Amyloidose hinweisen).

Ausscheidungsfunktion

Creatinin entsteht im Muskelstoffwechsel, wird aber auch mit der Nahrung aufgenommen. Daher schwankt der Creatininspiegel im Blut mit der Muskelmasse und dem aktuellen Fleischverzehr. Die verstärkte Nierendurchblutung in der Schwangerschaft etwa vermindert den Creatininspiegel.

Trotzdem ist das Creatinin "der" Messwert zur Beurteilung der Nierenfunktion. Als Suchtest eignet es sich aber nicht, da es erst bei einer Nierenfunktionseinschränkung von 50% ansteigt. Damit ist Creatinin geeignet, um eine stärkere Nierenfunktionsstörung auszuschließen, z. B. vor Operationen, und den Verlauf einer schweren Nierenerkrankung zu verfolgen. Um auch beginnende Nierenfunktionseinschränkungen nachzuweisen, eignen sich Creatinin-Clearance und das Cystatin C als Suchtest.

Creatinin-Clearance. Dazu wird Creatinin im Blut und im 24-h-Sammelurin gemessen. Messfehler sind häufig und beruhen auf fehlerhaftem Urinsammeln, fleischreicher Ernährung oder körperlicher Anstrengung am Sammeltag.

Harnstoff. Beim Proteinabbau entsteht giftiges Ammoniak das in der Leber zu Harnstoff (Urea) umgewandelt und über den Urin ausgeschieden wird. Als Suchtest spielt der Harnstoff keine Rolle mehr – sein Spiegel im Blut hängt von vielen Parametern ab. Bei stark eingeschränkter Nierenfunktion und Nierenversagen aber korreliert der Harnstoffwert besser mit dem Ausmaß der Schädigung als der Creatinin-Wert.

Cystatin C ist ein kleines Protein, das alle Zellen konstant ins Blut abgeben. Die Cystatin-C-Bestimmung ist noch empfindlicher als die Creatinin-Clearance, aber auch teurer. Cystatin C wird v. a. bei leichten Nierenfunktionsstörungen, z. B. bei Diabetikern zur Früherkennung, bei der Therapie mit nephrotoxischen Medikamenten, wie z. B. nicht-steroidalen Antirheumatika und nach einer Nierentransplantation bestimmt.

Die Nierenausscheidungsfunktion lässt sich mit einfachen Laboruntersuchungen oft nur abschätzen. Umso wichtiger ist es, alle Möglichkeiten zu nutzen, Nierenfunktionsstörungen früh zu erkennen, z. B. bei Diabetikern und Hypertonikern regelmäßig auf (Mikro-)Albuminurie zu testen, und es bei Verdacht auf eine Nierenschädigung nicht bei der Creatininbestimmung zu belassen.

Nicht zuletzt kann so die Dosierung von vielen Medikamenten bei eingeschränkter Nierenfunktion angepasst werden.

 

Quelle

Schäffler, A.; Menche, N. (Hrsg.): Gesundheit heute Laborwerte, Knaur, München. 1. Aufl.

Thomas, L.: Labor und Diagnose, 7. Aufl., Th-Books 2007

 


Autor

Dr. med. Arne Schäffler & Kollegen,
 Augsburg,
 www.schaeffler.cc

 

 

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