Mikronährstoffe

Statine und Coenzym Q10

Die dominierende Arzneigruppe unter den Lipidsenkern bilden die Statine (CSE-Hemmer), die mittlerweile über 90% der Verordnungen von allen lipidsenkenden Pharmaka erreicht haben. Als Hemmstoffe der HMG-CoA-Reduktase besitzen Statine ein hohes Interaktionspotenzial mit der körpereigenen Synthese von Coenzym Q10 (Ubichinon/Ubichinol).
Abb. 1: Biosynthese von Selenoprotein N, Ubichinon/ol (Coenzym Q10) und Cholesterol. Letztes Glied in der allen gemeinsamen Synthesekette ist das Isopentenylpyrophosphat (Isopentenyl-PP), dessen Synthese durch CSE-Hemmer (Statine) gehemmt wird [3].

Die Blockade der HMG-CoA-Reduktase (auch: Cholesterolsynthese-Enzym, CSE) durch Statine (HMG-CoA-Reduktase-Hemmer, CSE-Hemmer) zählt zu den pharmakotherapeutisch wirksamsten Maßnahmen, um erhöhte Cholesterolspiegel im Blut zu senken. Die Biosynthese des Cholesterols verläuft über 3‑Hydroxy-3-methyl-glutaryl-CoA (HMG-CoA), das aus Acetyl-CoA und zwei weiteren Acetyl-Resten gebildet wird. Der darauf folgende und geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die Reduktion von HMG-CoA zu Mevalonsäure durch die HMG-CoA-Reduktase, das Schlüsselenzym der Cholesterol-Biosynthese (Abb. 1).

CSE-Hemmer hemmen allerdings auch die Synthese anderer, aus Isopentenylpyrophosphat aufgebauter Biomoleküle, wie die des Selenoproteins N und des Coenzyms Q10 (Ubichinon/Ubichinol; Abb. 1) [2].

Funktion von Coenzym Q10

Das Coenzym Q10 übernimmt im Organismus als essenzieller Bestandteil mitochondrialer Enzymkomplexe eine zentrale Aufgabe bei der Umwandlung von Nahrungsenergie in "chemische" Energie (Adenosindiphosphat, ADP → Adenosintriphosphat, ATP) (Abb. 2). Dabei fungiert das Vitaminoid als Elektronentransporter im Rahmen der oxidativen Phosphorylierung (Komplex I bis III) [4].

Coenzym Q10 stabilisiert zudem die Zellmembranen und beeinflusst die Membranfluidität, wobei es regulierend in die Funktion von Ionenkanälen (z. B. Calciumkanäle) und damit indirekt in die interzelluläre Kommunikation eingreift. Darüber hinaus schützt das lipophile Antioxidanz zusammen mit Vitamin E die Phospholipide der Zellmembranen vor Radikal-induzierten Schäden und wirkt der Lipidperoxidation (z. B. LDL-Cholesterol) entgegen. Organe und Gewebe mit hohem Energieumsatz, wie das Herz oder die Skelettmuskulatur, sind besonders reich an Coenzym Q10 Ein Coenzym-Q10 -Mangel kann die Leistungsfähigkeit des gesamten Organismus beeinträchtigen.

Statin-bedingte Beeinträchtigung des Coenzym-Q10 -Status


Mechanismus:
Statine: Hemmung der HMG-CoA-Reduktase: Dosisabhängige Reduktion der Cholesterol- und Coenzym-Q10 -Spiegel (→ pharmakodynamischer Antagonismus)
Potenzielle Folgen:
Coenzym Q10: Abfall der Coenzym-Q10 -Serumspiegel (suboptimal: < 2,0 µg/ml), Beeinträchtigung des endogenen Coenzym-Q10 -Status und des mitochondrialen Energiestoffwechsels
Symptome: Müdigkeit, Schwäche, Muskelschmerzen (bei körperlicher Aktivität) und erhöhtes Risiko für Myopathien (→ Statin-induzierte Myopathien)
Hinweise:
1. Zur Kompensation Statin-bedingter Störungen des Coenzym-Q10 -Status wird eine regelmäßige Supplementierung von täglich 2 bis 10 mg Coenzym Q10 pro kg KG (z. B. 120 mg Coenzym Q10 tgl., p.o. zu den Mahlzeiten) empfohlen.
2. Der Richtwert für therapeutisch wirksame Coenzym-Q10 -Blutspiegel in der adjuvanten Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen dürfte bei etwa ≥ 2,5 µg/ml liegen.

Statin-induzierte Störung des Coenzym-Q10 -Status

Bereits Anfang der 1990er Jahre berichteten Forscher über eine Abnahme der Coenzym-Q10 -Konzentrationen im Serum durch Statine. Mittlerweile liegen einige kontrollierte Studien am Menschen vor, die eine Beeinträchtigung des Coenzym-Q10 -Status durch die Therapie mit Statinen belegen [3]. Studien an Patienten mit Hypercholesterolämie zeigen eine signifikante und dosisabhängige Reduktion der Ubichinon- und Ubichinol-Spiegel im Serum unter einer Therapie mit Atorvastatin, Pravastatin oder Lovastatin (Abb. 3) [5 – 7].

Das Nebenwirkungsprofil der Statine beinhaltet neben gastrointestinalen Beschwerden vor allem Störungen des muskulären Energiestoffwechsels, der physiologischerweise eng mit dem Coenzym-Q10 -Status assoziiert ist. Müdigkeit, Schwäche, Muskelschmerzen (vor allem bei körperlicher Aktivität) und Myopathien werden auch bei schlechter Coenzym-Q10 -Versorgung beobachtet. Ein pathobiochemisch und pharmakologisch plausibler Erklärungsansatz dafür ist die mitochondriale Dysfunktion als Folge der Coenzym-Q10 -Depletion. Coenzym Q10 ist essenziell für die Bildung von ATP, dem wichtigsten Energielieferanten in unserem Körper. Eine gute Coenzym-Q10 -Versorgung führt zu einer besseren ATP-Versorgung der Organe und Muskelzellen. Äußerst kritisch sind Überdosierungen der CSE-Hemmer, da hohe Wirkstoffspiegel im Muskelgewebe den myozytären Energiestoffwechsel komplett blockieren, wodurch es zur Auflösung der quergestreiften Muskulatur, zur Rhabdomyolyse, kommen kann.

Gabe von Coenzym Q10 bessert Myopathien

In einer zweiarmigen randomisierten Studie erhielten Patienten (n = 32), die unter der Therapie mit Statinen Muskelschmerzen und Myopathien entwickelten, 30 Tage lang zusätzlich entweder Coenzym Q10 (100 mg/d) oder Vitamin E (400 I.E./d). Ergebnis: Die 30-tägige Supplementierung von Coenzym Q10 führte zu einem deutlichen Rückgang der Schmerzen um 40% (p < 0,001) und der damit verbundenen Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten um 38% (p < 0,02). Dagegen war in der Vitamin-E-Gruppe kein Effekt nachweisbar [1]. Die Bedeutung des Coenzyms Q10 für den mitochondrialen Energiestoffwechsel legt nahe, dass die Beeinträchtigung der endogenen Coenzym-Q10 -Synthese ein pathologisches Bindeglied bei der Entwicklung der Statin-induzierten Myopathien ist. Im Rahmen einer lipidsenkenden Therapie mit Statinen (z. B. Lovastatin, Simvastatin) kann eine adjuvante und labordiagnostisch evaluierte Supplementierung von Coenzym Q10 (etwa 2 bis 10 mg/kg KG/d, p.o.), insbesondere bei älteren Personen und Patienten mit Herzinsuffizienz, die in der Regel einen schlechten Coenzym-Q10 -Status aufweisen, empfohlen werden [8].

Zellkraftwerke


Eine gesunde Zelle des Menschen enthält bis zu 2000 Mitochondrien. Diese sind zu etwa 90% an der Umwandlung von Nahrungsenergie in "chemische" Energie, die in Form von ATP gespeichert wird, beteiligt.

Statin-induzierte Störung des Selenstoffwechsel

Neben der Cholesterol- und Coenzym-Q10 -Biosynthese erfolgt auch die Selenoprotein-Biosynthese über dieselben Schritte vom Acetyl-CoA bis zum Isopentenylpyrophosphat; dieses ist nicht nur Substrat für die Farnesylpyrophosphat-Synthase, sondern auch für die tRNA-Isopentenyl-Transferase, die die Reifung der Selenocystein-tRNA zum funktionsfähigen Molekül bewirkt (Abb. 1).

Die Blockade der HMG-CoA-Reduktase durch Statine reduziert nicht nur die Synthese des Cholesterols und des Coenzyms Q10 , sondern auch die Synthese verschiedener Selenoproteine, unter anderen die des an der Myozytenregeneration beteiligten Selenoproteins N [9]. Die Statin-induzierten muskulären Störungen ähneln nicht nur in ihrer Symptomatik (z. B. Müdigkeit, Muskelschmerzen), sondern auch histopathologisch (z. B. zellulärer Mitochondrienverlust, Bildung von Vakuolen, herdförmige desorganisierte, dünne Myofibrillen) denen eines Selenmangels [10].

Literatur

[1] Caso G, et al. Effect of coenzyme q10 on myopathic symptoms in patients treated with statins. Am J Cardiol 2007;99(10): 1409 –1412.

[2] Ellis CJ, Scott R. Statins and coenzyme Q10. Lancet 2003;361(9363):1134 –1135.

[3] Gröber U. Interaktionen – Arzneimittel und Mikronährstoffe. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2009.

[4] Gröber U. Micronutrients. Metabolic Tuning – Prevention – Therapy. Medpharm, Stuttgart 2009.

[5] Langsjoen PH, Langsjoen AM. The clinical use of HMG CoA-reductase inhibitors and the associated depletion of coenzyme Q10. A review of animal and human publications. Biofactors 2003;18(1– 4):101–111.

[6] Mabuchi H, et al. Effects of CoQ10 supplementation on plasma lipoprotein lipid, CoQ10 and liver and muscle enzyme levels in hypercholesterolemic patients treated with atorvastatin: a randomized double-blind study. Atherosclerosis 2007;195(2):e182 – e189.

[7] Mabuchi H, et al. Reduction of serum ubiquinol-10 and ubiquinone-10 levels by atorvastatin in hypercholesterolemic patients. J Atheroscler Thromb 2002;12(2): 111–119.

[8] Molyneux SL, et al. Coenzyme Q10: an independent predictor of mortality in chronic heart failure. J Am Coll Cardiol 2008;52(18): 1435 –1441.

[9] Moosmann B, Behl C. Selenoprotein synthesis and side-effects of statins. Lancet 2004;363(9412):892 – 894.

[10] Vaklavas C, et al. Molecular basis of statin-associated myopathy. Atherosclerosis 2009;202(1):18 – 28.

Anschrift des Verfassers:

Uwe Gröber

Akademie & Zentrum für Mikronährstoffmedizin

Zweigertstraße 55

45130 Essen

Uwe Gröber
Arzneimittel und Mikronährstoffe – Medikationsorientierte Supplementierung
XX, 280 S., 23 Abb., 54 Tab., geb. 42,– Euro
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2007
ISBN 978-3-8047-2261-3
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Abb. 2: Coenzym Q10 ist essenzieller Bestandteil der Enzymkomplexe I bis III in der mitochondrialen Atmungskette [4].
Abb. 3: Abfall der Coenzym-Q10 -Serumspiegel während einer 18-wöchigen Gabe von Statinen in ansteigenden Dosierungen: Pravastatin je 6 Wochen 10 mg, 20 mg, 40 mg pro Tag; Lovastatin je 6 Wochen 20 mg, 40 mg, 80 mg pro Tag [3].

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