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Arzneimittel und Therapie
Wann Medikamente gegen Angst helfen können
Angst ist zunächst keine Krankheit, sie kann situationsbezogen jeden befallen. Sie kann jedoch auch Symptom einer Erkrankung sein und beispielsweise im Rahmen einer Depression oder bei einem Herzinfarkt auftreten. Steht allerdings das Symptom Angst eindeutig im Vordergrund, ohne dass es durch psychiatrische oder somatische Erkrankungen zu erklären wäre, liegt eine primäre Angststörung vor. Wenn die Angst situationsbezogen auftritt, spricht man von Phobien. Dazu zählt die Angst vor Spinnen ebenso wie die Flugangst oder die Angst vor großen Räumen (Kaufhausangst, Agoraphobie). Angststörungen im Umgang mit anderen Menschen, beispielsweise Prüfungsangst oder Angst, vor einer großen Menschenmenge zu reden, werden als soziale Phobien bezeichnet. Nicht situationsbezogene Angststörungen sind Panikstörungen und die generalisierte Angsterkrankung (generalisierte Angststörung, GAS).
Panikstörungen sind geprägt durch unvorhersehbare Angst- und Panikattacken, die nach einigen Minuten ihren Höhepunkt erreichen und dann langsam über einen Zeitraum von einer halben bis einer Stunden wieder abflauen. Die Patienten leiden unter Herzinfarkt-ähnlichen Symptomen. Sie zittern, haben Schweißausbrüche, klagen über ein Engegefühl in der Brust und Atemnot und haben Todesangst. Solche Attacken treten immer wieder auf. In schweren Fällen mehrmals pro Woche.
Menschen die unter einer generalisierten Angsterkrankung leiden, haben exzessive und vielfältige Sorgen, Befürchtungen und Ängste, die ihr Leben bestimmen und sie stark einschränken.
Angststörungen, die in klar umrissenen Situationen auftreten, lassen sich oft erfolgreich mit psychotherapeutischen Interventionen wie einer Verhaltenstherapie behandeln. Medikamentöse Strategien sind dagegen bei Panikstörungen, der generalisierten Angsterkrankung und sozialer Phobie indiziert (siehe Tabelle).
Tab.: Pharmaka zur Behandlung von Angststörungen. (GAS: Generalisierte Angststörung, PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung, RIMA: reversibler und selektiver Hemmer der Monoaminoxidase A, SNRI: selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer, SSRI: selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, TZA: trizyklische Antidepressiva) [aus Volz HP: Pharm Ztg Davos 2009] | ||||
Substanz |
Indikation |
Start- Dosis [mg/die] |
Dosis [mg/die] |
Nebenwirkungen |
Antidepressiva SSRI | ||||
Paroxetin |
Soziale Phobie Panikstörung GAS PTBS |
20 20 20 20 |
40 – 60 40 – 60 40 – 60 50 – 60 |
gastrointestinal, initiale paradoxe Angstzunahme, Interaktionspotenzial |
Citalopram |
Panikstörung GAS |
20 20 |
40 – 60 40 – 60 |
gastrointestinal, initiale paradoxe Angstzunahme |
Escitalopram |
Soziale Phobie Panikstörung GAS |
10 10 10 |
20 – 30 20 – 30 20 – 30 |
gastrointestinal, initiale paradoxe Angstzunahme |
Sertralin |
Panikstörung GAS |
50 |
100 – 150 |
gastrointestinal, initiale paradoxe Angstzunahme |
SNRI |
||||
Venlafaxin |
Soziale Phobie Panikstörung GAS |
75 75 |
75 – 150 74 – 150 |
gastrointestinal, initiale paradoxe Angstzunahme |
RIMA |
||||
Moclobemid |
Soziale Phobie |
150 |
450 – 900 |
Schlafstörungen |
TZA |
||||
Imipramin |
GAS |
75 |
75 – 150 |
anticholinerge Nebenwirkungen, Müdigkeit, Blutdruckabfall, kardiale Überleitungsstörungen |
Benzodiazepine |
||||
Alprazolam |
Panikstörung GAS |
1 – 4 2 – 4 |
1 – 4 2 – 4 |
Müdigkeit, Gefahr der Abhängigkeitsentwicklung |
Diazepam |
GAS |
2,5 |
5 – 10 |
ausgeprägte Müdigkeit, Gefahr der Abhängigkeitsentwicklung |
Andere |
||||
Buspiron (partieller 5HT1A
-Agonist) |
GAS |
15 |
15 – 45 |
Unruhe, Schlafstörungen |
Opipramol (Sigmaligand) |
GAS |
50 |
100 – 200 |
Müdigkeit |
Pregabalin (Calciumkanal- modulator) |
GAS |
75 |
150 – 600 |
Müdigkeit, Benommenheit, Ataxie (hohe Dosen) |
Hydroxyzin (Anti- histaminergikum) |
GAS |
25 |
25 – 50 |
Müdigkeit |
Bei Panikstörungen werden Benzodiazepine und serotonerg wirkende Substanzen eingesetzt. Zu letzteren zählen selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Paroxetin, Citalopram, Escitalopram und Sertralin sowie der selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Venlafaxin. Bei schweren Panikattacken kann man sich die schnell eintretende anxiolytische Wirkung einer intravenösen Diazepam-Behandlung zunutze machen. Einer Dauerbehandlung von Panikstörungen mit Benzodiazepinen steht jedoch das Abhängigkeitspotenzial entgegen. Etwa 20 bis 30% der so Behandelten entwickeln entsprechende Probleme. Als Alternative bieten sich die serotonerg wirkenden Substanzen an, bei denen jedoch zunächst mit einer Angstzunahme während der ersten zehn Behandlungstage gerechnet werden muss. Erst dann tritt die anxiolytische Wirkung ein. Um die Angstzunahme zu kaschieren und die Zeit bis zum Eintritt der anxiolytischen Wirkung zu überbrücken, kann für einen kurzen Zeitraum von etwa 14 Tagen zusätzlich zu der serotonergen Substanz ein Benzodiazepin verordnet werden.
GAS: Hohe Remissionsrate
Zur Behandlung der generalisierten Angsterkrankung steht ein breites Spektrum von serotonergen Substanzen zur Verfügung. Neben Benzodiazepinen und serotonergen Substanzen aus der Gruppe der SSRI und SNRI werden trizyklische Antidepressiva wie Imipramin und Opipramol, Buspiron, das Antiepileptikum Pregabalin sowie das Antihistaminikum Hydroxyzin eingesetzt. Zwar bessert sich unter diesen Substanzen die Symptomatik, doch muss bei Absetzen mit Remissionen gerechnet werden. So litten beispielsweise nach Absetzen einer Pregabalin-Therapie nach einem halben Jahr 35% der Patienten wieder unter den Symptomen der generalisierten Angsterkrankung.
Soziale Phobie: Erfolg mit serotonergen Substanzen
Deutlich erfolgversprechender ist die medikamentöse Behandlung der sozialen Phobie. Im Vordergrund stehen hier serotonerge Substanzen, mit denen sich sehr gute Responseraten – definiert als eine 50%ige Abnahme der Symptomatik – erzielen lassen. Die Number needed to treat (NNT) wird angegeben
- für Paroxetin mit 2,9 bis 3,1,
- für Fluvoxamin mit 4,9,
- für Sertralin mit 4,2 und
- für Venlafaxin mit 6,7.
Auch die Rückfallquote ein halbes Jahr nach Absetzen der Therapie ist gering. In einer Placebo-kontrollierten Studie lag sie für Sertralin bei 4%, bei den zuvor Placebo-behandelten Patienten bei 36%.
QuelleProf. Dr. Hans-Peter Volz, Werneck: Pharmakotherapie der Angst und Angststörungen. Vortrag Pharmacon Davos, 9. Februar 2009.du
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