Nicotinfrei

Arzneimittel und Raucherentwöhnung

Von Markus Zieglmeier und Claudia Goller

Arzneimittel können die Raucherentwöhnung wesentlich erleichtern. Wenn ihr Einsatz durch fundierte Beratung gesteuert wird, haben sie ein sehr günstiges Verhältnis von Nutzen und Risiko. Doch es gibt zum Thema Arzneimittel und Tabakentwöhnung noch einen zweiten Aspekt: Tabakrauch beeinflusst die Pharmakokinetik vieler Arzneistoffe. Weil sich daher in den Tagen nach der letzten Zigarette Arzneimittelwirkungen verändern können, ist die Unterstützung des zum Aufhören entschlossenen Rauchers eine interessante Herausforderung für die Apotheke.

Foto: Pfizer Deutschland
Ein guter Vorsatz zum neuen Jahr Arzneimittel können bei der Raucherentwöhnung helfen, aber es müssen die Möglichkeiten der Interaktion mit anderen Arzneimitteln beachtet werden.

Neben Adipositas ist das Rauchen eine der häufigsten Ursachen für Krankheiten und verkürzte Lebenserwartung. Die Bekämpfung dieses Risikofaktors ist damit eines der vorrangigsten gesundheitspolitischen Ziele. Einer Umfrage des WIPIG (Wissenschaftliches Institut für Prävention im Gesundheitswesen) zufolge wird mehr als die Hälfte der deutschen Apotheker mindestens alle zwei bis drei Tage einmal um Hilfe bei der Raucherentwöhnung gebeten [1]. Eine umfassende Information der Patienten sollte durchaus auch den Hinweis auf verschreibungspflichtige Präparate beinhalten. Dies gilt insbesondere bei Rauchern, die schon mehrere vergebliche Entwöhnungsversuche hinter sich haben.

Das erste Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Festlegung von Kriterien, anhand derer in der Apotheke erkannt werden kann, ob eines der beiden rezeptpflichtigen Präparate für den Patienten infrage kommt und ihm folglich ein Arztbesuch empfohlen werden sollte. Ein erwünschter Nebeneffekt dieser Vorgehensweise könnte sein, dass die Ärzteschaft uns Apotheker in der Prävention als Partner und nicht als Konkurrenten wahrnimmt.

Viele Patienten streben den Rauchstopp deshalb an, weil sie durch jahrelangen Tabakkonsum gesundheitliche Schäden erlitten haben, weshalb sie häufig bereits Arzneimittel einnehmen müssen.

Da Tabakrauch – z. B. durch Induktion des Cytochrom-P450-Isoenzyms 1A2 (CYP1A2) – die Pharmakokinetik einiger Arzneistoffe beeinflusst, kann es in der Entwöhnungsphase zu Nebenwirkungen aufgrund erhöhter Arzneistoffkonzentrationen kommen. Wenn diese unerwünschten Wirkungen nicht als konzentrationsabhängige Arzneimittelnebenwirkungen erkannt und korrigiert werden, können sie leicht den Erfolg der Entwöhnung oder gar den Patienten selbst gefährden. Die zweite Zielsetzung unserer Arbeit ist daher,

  • die Stoffe aufzuführen, deren AUC während der Raucherentwöhnung erhöht sein kann,
  • den möglichen Schweregrad dieser UAW abzuschätzen,
  • die dosisabhängigen UAW aufzuzeigen, auf die während der Raucherentwöhnung geachtet werden muss, und
  • Maßnahmen vorzuschlagen, die in dieser Phase sinnvoll sind.

Die Ergebnisse unserer Recherchen sind, zusammen mit den Downloads anderer wertvoller Hinweise zur Raucherentwöhnung, in Tabellenform auf der Homepage des WIPIG verfügbar [2].

Bupropion, Vareniclin und Nicotinersatz

Zur Nicotinersatztherapie mit Pflastern, Kaugummis, Sublingual- und Lutschtabletten liegt in den Apotheken der WIPIG-Umfrage zufolge ein guter Wissensstand vor [1]. Die Fragen zu Arzneimittelrisiken sind in der Checkliste wiedergegeben.

Die wesentlichen Studien zur Wirksamkeit des Antidepressivums Bupropion (Zyban®) in der Tabakentwöhnung wurden in den Jahren 1997 bis 2003 vorgelegt. Sie zeigen eine signifikante Überlegenheit von Bupropion 2 × 150 mg täglich gegenüber Placebo nach sieben Wochen bzw. einem Jahr. Die Erfolgsraten nach einem Jahr lagen zwischen 21 und 30,3% und damit deutlich über Placebo mit 9 bis 15,6% [3 – 8]. Bupropion wurde mit der Nicotinersatztherapie in Form von Pflastern sowohl verglichen als auch kombiniert. Dabei zeigte sich, dass Bupropion den Nicotinpflastern signifikant überlegen ist und die Kombination die Wirksamkeit tendenziell (in der Studie jedoch nicht signifikant) steigern kann [4]. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Bupropion bei Patienten mit KHK und COPD wurde belegt [6, 8]. Jedoch kommt Bupropion nicht für alle Patienten infrage. Es senkt die Krampfschwelle und ist daher bei Epilepsie (auch in der Anamnese) kontraindiziert. Aus diesem Grund sollte es auch nicht mit Stoffen kombiniert werden, die ebenfalls die Krampfschwelle senken. Obwohl es nicht wesentlich über CYP2D6 metabolisiert wird, inhibiert es dieses Isoenzym und kann so z. B. die Wirkspiegel von Metoprolol, Nebivolol, Propafenon, Flecainid und einer Vielzahl von Psychopharmaka zum Teil gefährlich erhöhen. Um all diese Risiken ausschließen zu können, sollte der Patient anhand einer Checkliste oder der Vorlage auf der WIPIG-Homepage befragt werden.

Vareniclin (Champix®) ist ein partieller Agonist des α4 β2 -Nicotin-Acetylcholin-Rezeptors. Dies bedeutet, dass es sowohl (im Vergleich zu Nicotin allerdings geringere) agonistische als auch in Gegenwart von Nicotin antagonistische Eigenschaften hat. Eine Kombination mit Nicotinersatzpräparaten ist also nicht sinnvoll. Zwei im Jahr 2006 vorgelegte Vergleichsstudien zeigen hinsichtlich der Abstinenzrate nach einem Jahr eine Überlegenheit von Vareniclin (23 bzw. 21,9%) über Placebo (10,3 bzw. 8,4%) und auch über Bupropion (14,6 bzw. 16,1%) [9, 10]. Dabei ist allerdings ein gewisser Kontrast zu den Zulassungsstudien von Bupropion (Einjahres-Erfolgsraten zwischen 21 und 30,3%, s. o.) anzumerken. Festzuhalten bleibt eine geringere Rate an Nebenwirkungen und Anwendungsbeschränkungen bei Vareniclin im Vergleich zu Bupropion. Zwei Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von Vareniclin bei Patienten mit KHK und COPD stehen kurz vor der Publikation.

Interaktionen am CYP1A2

Man kann die Induzierbarkeit von Enzymen als eine Art Kunstgriff der Natur betrachten. Es ist zweifellos ein Selektionsnachteil, wenn ein Organismus mit großem Energieaufwand Proteine synthetisiert, die nicht oder kaum gebraucht werden. Ebenso problematisch ist es aber, wenn sie fehlen, sobald sie gebraucht werden. Die Evolution hat das Problem dadurch gelöst, dass bestimmte Substrate die Produktion der Enzyme ankurbeln, die sie metabolisieren.

CYP1A2 ist ein Cytochrom-P450-Isoenzym, das vornehmlich planare Substrate metabolisiert. Die Teerprodukte aus dem Tabakrauch, polyzyklische Aromaten, gehören zu diesen flachen Molekülen. Diese Nebenprodukte – und nicht das Nicotin! – sind es auch, die CYP1A2 induzieren. Folglich müssen Arzneimittel, die Substrate von CYP1A2 sind, bei Rauchern oft höher dosiert werden. Während der Raucherentwöhnung fällt diese Induktion weg, worauf die Enzymaktivität innerhalb von einigen Tagen bis Wochen auf ein normales Maß zurückgeht. Substrate von CYP1A2, deren Dosis während des Rauchens eingestellt wurde, werden nun langsamer abgebaut, ihre Konzentration steigt an, und sie können verstärkt unerwünschte Wirkungen verursachen, die den Therapieerfolg gefährden.

Es ist leider schwer vorherzusagen, bei welchem Patienten dieser Effekt ein klinisch relevantes Ausmaß erreicht und bei welchem nicht. Die Genotypen von CYP1A2 sind überaus variantenreich, woraus eine recht unterschiedliche Induzierbarkeit des Enzyms resultiert. Ironischerweise scheinen die Patienten mit einem hoch induzierbaren CYP1A2 und folglich einem hohen Risiko von unerwünschten Arzneimittelwirkungen während der Entwöhnung oft auch jene zu sein, die am meisten von einem Rauchstopp profitieren würden. Das liegt daran, dass die Metabolisierung der Aromaten aus dem Tabakrauch zu toxischen und karzinogenen Zwischenprodukten führt, die bei einem sehr aktiven CYP1A2 vermehrt anfallen [11].

Es wird häufig vorgeschlagen, die Dosis der betroffenen Substrate ab dem Tag nach der letzten Zigarette um täglich 10% zu reduzieren, was in etwa dem Abfall der Enzymaktivität entsprechen soll. Ein gangbarer Weg ist dies nur bei oralen Liquida, die jedoch in der Praxis so gut wie nicht vorkommen. Sinnvoller erscheint es uns in der Mehrzahl der Fälle, den Patienten, der Substrate von CYP1A2 erhält, zur Beobachtung der für das jeweilige Arzneimittel typischen dosisabhängigen Nebenwirkungen anzuhalten und gegebenenfalls dann erst eine Dosisreduktion in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu veranlassen. Für den Patienten kann dies bei psychologisch geschicktem Vorgehen eine zusätzliche Motivation sein, indem er die Möglichkeit der Dosisreduktion als einen ersten Schritt zur Gesundung deutet. Zudem ist bei vielen Arzneistoffen die therapeutische Breite so hoch und / oder die Datenlage so schlecht, dass eine verstärkte Beobachtung als einzige Maßnahme gerechtfertigt erscheint.

Einige der in der WIPIG-Tabelle genannten Substrate von CYP1A2 seien an dieser Stelle kurz vorgestellt:

Agomelatin (Valdoxan®) ist als melatoninerger Agonist ein neuer Typus von Antidepressiva, die über Synchronisation des zirkadianen Rhythmus wirkt. Die übliche Dosis von 25 mg kann auf 50 mg täglich gesteigert werden. Die Tatsache, dass die gleichzeitige Gabe von Agomelatin und starken Inhibitoren von CYP1A2 wie Fluvoxamin und Ciprofloxacin kontraindiziert ist, deutet an, dass ein sehr aktives CYP1A2 bei der Notwendigkeit einer höheren Dosierung eine Rolle spielen könnte. Genaue Daten hierzu liegen nicht vor. Dosisabhänge UAW von Agomelatin sind Sedierung, Benommenheit, Übelkeit und Schwindel. Von einer Dosisreduktion ohne das Vorliegen dieser Symptome ist – wie bei allen Antidepressiva – abzuraten, weil in der Zeit der Tabakentwöhnung Depressionen und Suizidgedanken auftreten können. Jedoch kann nach erfolgreicher Entwöhnung eine versuchsweise Dosisreduktion von 50 auf 25 mg erwogen werden, auch wenn die höhere Dosierung noch vertragen wird.

Benzodiazepine wie Alprazolam (Tafil®) Lorazepam, Oxazepam und Diazepam werden bei Rauchern schneller metabolisiert und können im Verlauf der Raucherentwöhnung verstärkte Hangover-Effekte verursachen [12]. Die Dosisreduktion (z. B. bei Alprazolam um bis zu 50%) sollte, insbesondere wenn der Patient das Benzodiazepin über einen längeren Zeitraum eingenommen hat, schrittweise und mit großer Vorsicht erfolgen, um dem Tabakentzug nicht eine weitere Entzugssymptomatik hinzuzufügen und damit den Erfolg der Entwöhnung zu gefährden.

Trizyklische Antidepressiva sind hauptsächlich Substrate von CYP2D6, das von der Tabakentwöhnung nicht betroffen ist. Einige Substanzen wie Nortriptylin (Nortrilen®), Amitriptylin (Saroten® u. a.), Clomipramin (Anafranil® u. a.) und Imipramin (Tofranil®) werden jedoch zum Teil auch über CYP1A2 metabolisiert [12]. Wenn es während der Tabakentwöhnung zu Wirkspiegelanstiegen kommt, sind typische anticholinerge Effekte wie Mundtrockenheit, Miktionsstörungen, Sehstörungen, Schwindel und Tachykardie möglich.

Duloxetin (Cymbalta® , Yentreve®), eine häufig bei neuropathischen oder mit Depressionen zusammenhängenden Schmerzen eingesetzte Substanz, muss bei Rauchern oft doppelt so hoch dosiert werden wie bei Nichtrauchern. Eine Überdosierung infolge der Tabakentwöhnung kann sich in Kopfschmerzen, Sedierung, Übelkeit und Schwindel äußern.

Fluvoxamin (Fevarin® u. a.) ist nicht nur Substrat, sondern auch ein potenter Inhibitor von CYP1A2. Wie das unter Clozapin (s. u.) geschilderte Beispiel zeigt, sind die pharmakokinetischen Konsequenzen von gleichzeitiger Inhibition und Induktion (bzw. später deren Wegfall während der Entwöhnung) unüberschaubar und problematisch [13]. Dies könnte im Fall des Fluvoxamins das Risiko eines gefährlichen Serotoninsyndroms während der Tabakentwöhnung erhöhen.

Eine Dosisreduktion muss bei allen Psychopharmaka wegen der gleichzeitig möglichen Depressionen und Suizidgedanken infolge der Tabakentwöhnung mit Vorsicht erfolgen. Es empfiehlt sich, bei depressiven Patienten das persönliche Umfeld in die Beratung zur Tabakentwöhnung einzubeziehen, um in der kritischen Phase eine gute Beobachtung und Betreuung zu gewährleisten.

Clozapin (Leponex® u. a.) und Olanzapin (Zyprexa®) werden zu einem großen Anteil über CYP1A2 metabolisiert. Die Tabakentwöhnung ist bei diesen Patienten sehr problematisch und erfordert nicht nur bei gegebenem Suizidrisiko eine engmaschige ärztliche Überwachung [13]. Bei Clozapin sind v. a. Blutbildkontrollen, bei Olanzapin wegen des Arrhythmierisikos bei erhöhten Wirkspiegeln v. a. EKG-Kontrollen indiziert. Die Folgen einer Kombination von Fluvoxamin (s. o.) und Clozapin wird von einer Gruppe Schweizer Psychiater so geschildert: Eine 50-jährige starke Raucherin wurde wegen psychotischer Dekompensation auf Clozapin eingestellt. Trotz hoher Dosierung blieben die Clozapinspiegel im subtherapeutischen Bereich. Die zusätzliche Gabe von Fluvoxamin hob die Clozapinspiegel in den therapeutischen Bereich. Aufgrund bronchopulmonaler Probleme stellte die Patientin wenig später, unterstützt durch Nicotinpflaster, das Rauchen ein. Zehn Tage später befand sich der Clozapinspiegel mehr als 50% über dem maximalen Zielbereich, begleitet von einer vermehrten Müdigkeit der Patientin, und pendelte sich nach Halbierung der Dosis (bei weiterer Fluvoxamingabe) im unteren Zielbereich ein [14]. Der Bericht wirft die Frage auf, ob Fluvoxamin hier als Antidepressivum indiziert war oder in einem gewagten Experiment zur Modifikation der Clozapin-Pharmakokinetik eingesetzt wurde. Letzteres erscheint allenfalls unter engmaschiger Kontrolle der Plasmaspiegel vertretbar.

Weitere bei der Tabakentwöhnung potenziell problematische Neuroleptika sind Fluphenazin (Lyogen®) und Haloperidol [12]. Hier sind bei Wirkspiegelerhöhung eine verstärkte Sedierung, extrapyramidale Symptome (z. B. Krämpfe im Kopf- und Nackenbereich) sowie Arrhythmien möglich. Neuroleptika können zu einer starken Gewichtszunahme führen, was sich nach dem Rauchstopp noch stärker auswirken kann. Daher sollte sich an die Raucherentwöhnung eine Ernährungsberatung anschließen, sofern der Zustand des Patienten dies sinnvoll erscheinen lässt.

Theophyllin ist eines der CYP1A2-Substrate mit einer relativ geringen therapeutischen Breite. Bei starken Rauchern kann die Halbwertszeit um bis zu 50% reduziert sein, was in der Regel zu einer Dosissteigerung um 30 bis 50% führt [15, 16]. Von Schweizer Kollegen, die sich im Rahmen eines Projekts intensiv mit dem Thema befasst haben, wird empfohlen, auch ohne dass gravierende dosisabhängige UAW vorliegen, etwa ein bis zwei Wochen nach dem Rauchstopp eine Wirkspiegelbestimmung durchzuführen [17]. Das strukturell nahe verwandte Coffein ist in gleicher Weise betroffen, die klinische Relevanz dürfte hier jedoch geringer sein. Der Hinweis, dass ein starker Kaffee am Abend beim Nichtraucher eher zu Einschlafstörungen führt, kann jedoch nicht schaden.

Catecholaminvermittelte Interaktionen

Rauchen aktiviert den Sympathikus und setzt Catecholamine frei, die die Blutgefäße verengen und die Bronchien erweitern können. Folglich kann bei der Entwöhnung die Wirkung von Bronchodilatatoren und subkutan applizierten Injektabilia verändert sein.

Insulin: Die Resorption von Insulin aus dem Unterhautfettgewebe erfolgt bei Rauchern infolge der Vasokonstriktion langsamer. Allerdings gibt es einen zweiten Effekt der Catecholamine: Als Stresshormone triggern sie die Bereitstellung von Glucose durch Glykogenolyse und Gluconeogenese und wirken so dem Insulin zusätzlich auf pharmakodynamischer Ebene entgegen [17]. Insulin wird daher bei vielen Rauchern um bis zu 30% höher dosiert als bei Nichtrauchern. Während der Raucherentwöhnung besteht also ein erhöhtes Hypoglykämierisiko, dem durch engmaschigere Blutzuckermessungen und ggf. eine Dosisanpassung begegnet werden muss. Dabei ist zu beachten, dass der Effekt beim Einsatz von Nicotinersatzpräparaten verzögert eintreten kann, nämlich erst beim schrittweise erfolgenden Absetzen des Arzneimittels.

Heparin: Auch die Freisetzung von Heparin wird durch die Gefäßverengung beeinflusst. Die Plasmahalbwertszeit ist aus unbekannter Ursache verkürzt [18]. Gelegentlich wird empfohlen, Heparin beim Raucher moderat höher zu dosieren, auch wegen der prothrombotischen Wirkung des Rauchens. Die klinische Relevanz der Interaktion im Zeitalter der niedermolekularen Heparine dürfte gering sein.

Antihypertensiva: Der Wegfall der Catecholaminfreisetzung durch das Rauchen kann sich unmittelbar auf den Blutdruck auswirken. Es empfiehlt sich eine gelegentliche Messung. Die Möglichkeit der Dosisreduktion kann für den Patienten eine erhebliche Motivation darstellen. Insbesondere bei dem (als Antihypertensivum allerdings weitgehend obsoleten) Betablocker Propranolol kann durch eine langsamere Metabolisierung nach dem Rauchstopp ein pharmakokinetischer Effekt hinzukommen [18].

Beta-2-Sympathomimetika: Auf die Bronchien wirken Catecholamine erweiternd. Dadurch kann es während der Tabakentwöhnung infolge des Wegfalls dieser Dilatation dazu kommen, dass vorübergehend höhere Dosen von Salbutamol oder anderen β2 -Sympathomimetika benötigt werden. Für den Patienten ist dies zunächst verwirrend, da er ja mit einer Verbesserung seiner Lungenfunktion durch den Rauchstopp rechnet. Hier besteht also Erklärungsbedarf hinsichtlich kurz- und langfristiger Effekte. Bei Kombination mit inhalativen Corticoiden ist es zudem wahrscheinlich, dass dieser catecholaminvermittelte Effekt durch eine infolge der Tabakentwöhnung verbesserte Corticoidwirkung kompensiert wird [15].

Fazit

Die Tabakentwöhnung ist ein mit Minen gepflastertes Terrain. Nur wer alle Fallen kennt, kann seine Patienten sicher hindurchgeleiten.

  • Die gefährlichste Falle, die Pathophysiologie der Sucht, ist heute durch die Fortschritte der Pharmakotherapie besser in den Griff zu bekommen als noch vor wenigen Jahren.
  • Eine weitere Falle, die oft gravierende Gewichtszunahme nach der letzten Zigarette, lässt sich nur durch Ernährungsberatung und Motivation zur Bewegung entschärfen.
  • Verglichen mit diesen beiden Herausforderungen, ist die Vermeidung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen in der Phase der Entwöhnung eine Aufgabe, die mit geringem Aufwand zu bewältigen ist, wenn die Daten hierfür vorhanden sind. Dieses Informationsmaterial in einer übersichtlichen Form zur Verfügung zu stellen, war Ziel unserer Arbeit.
Checkliste Raucherentwöhnung
Frage
Hinweise
Ist das Ihr erster Versuch, sich das Rauchen abzugewöhnen?
Je mehr gescheiterte Entwöhnungsversuche der Patient hinter sich hat, desto eher braucht er intensive Unterstützung*, ggf. auch durch rezeptpflichtige
Arzneimittel, sowie (Bereitschaft des Kunden vorausgesetzt) psychologische Betreuungsprogramme.
Ggf: Sind Sie schwanger oder stillen Sie?
Falls ja: Die Entwöhnung sollte grundsätzlich erst ohne Arzneimittel versucht werden. Bupropion und Vareniclin sind kontraindiziert, Nicotinersatztherapie muss ärztlich überwacht sein und sollte eher oral (Kaugummi) als mit Pflaster (TTS) erfolgen. Alle Substanzen gehen in die Muttermilch über. Abstillen kann in Betracht gezogen werden.
Haben Sie Probleme mit Herz, Blutdruck oder Durchblutung? Haben Sie einen Schlaganfall hinter sich?
Falls ja: Relative Kontraindikationen für Nicotinersatztherapie (nur wenn Entwöhnung ohne AM nicht möglich): Kürzlich überstandener Herzinfarkt oder Schlaganfall, instabile Angina pectoris, Arrhythmien, nicht eingestellter Bluthochdruck. Intensive Kontrollen werden empfohlen bei schwerer Hypertonie, stabiler Angina pectoris, pAVK und zerebralen Durchblutungsstörungen.
Keine Einschränkungen bei Bupropion und Vareniclin.
Haben oder hatten Sie Krampfanfälle (Epilepsie) oder einen Hirntumor?
Falls ja: Bupropion ist strikt kontraindiziert wegen Senkung der Krampfschwelle.
Machen Sie gerade eine andere Entzugstherapie (Alkohol, Beruhigungsmittel)?
Falls ja: Bupropion ist strikt kontraindiziert wegen Senkung der Krampfschwelle.
Haben oder hatten Sie
psychische Erkrankungen,
z. B. Depressionen?
Falls ja: Jeder Tabakentzug kann die Depressions- und Suizidneigung erhöhen. Das Umfeld des Patienten sollte vorsorglich darüber informiert werden. Vareniclin ist bei Verhaltensauffälligkeiten (Agitiertheit, Depression) abzusetzen. Bupropion ist strikt kontraindiziert bei bipolarer Störung (auch in der Anamnese) sowie in Kombination mit MAO-Hemmern; es interagiert mit einer Vielzahl von Psychopharmaka im Sinne einer Abbauhemmung bzw. Erhöhung des Krampfanfallrisikos.
Haben oder hatten Sie Essstörungen (Magersucht, Bulimie)
Falls ja: Bupropion ist strikt kontraindiziert bei Anorexie oder Bulimie (auch in der Anamnese).
Haben oder hatten Sie Magen-, Leber- oder Nierenerkrankungen?
Falls ja: Bupropion ist strikt kontraindiziert bei Leberzirrhose. Vareniclin sollte bei einer GFR unter 30 ml/min niedriger dosiert werden. Magengeschwüre (peptisches Ulcus) sollten vor einer Nicotinersatztherapie ausgeheilt werden.
Nehmen Sie am Straßenverkehr teil? Führen Sie Maschinen?
Falls ja: Die Verkehrstüchtigkeit kann durch Vareniclin beim Auftreten von Schwindel und Schläfrigkeit eingeschränkt sein.
Welche Arzneimittel nehmen Sie ein?
Albendazol, Antidepressiva (tri- und tetrazyklische, seltener SSRI), Ergotaminderivate, Flumazenil, Neuroleptika (v. a. Clozapin, Phenothiazine, Thioxanthene und Haloperidol), Isoniazid, Opioide (v. a. Pethidin, Pentazocin und Tramadol), Sulfonamide, Sulpirid und viele Zytostatika senken die Krampfschwelle und erhöhen in Kombination mit Bupropion das Krampfanfallrisiko (→ abraten).
Amantadin und Levodopa verursachen in Kombination mit Bupropion vermehrt Übelkeit, Erbrechen und neuropsychiatrische Auffälligkeiten (→ abraten).
CYP-2D6-Substrate wie Metoprolol, Nebivolol, viele Psychopharmaka und Antiarrhythmika wie Propafenon und Flecainid werden durch Bupropion im
Abbau gehemmt (→ abraten).
Die Wirkspiegel von CYP1A2-Substraten wie Agomelatin, Amitriptylin, Benzodiazepinen, Clomipramin, Clozapin, Coffein, Duloxetin, Erlotinib, Flecainid, Fluvoxamin, Haloperidol, Imipramin, Melatonin, Mexiletin, Olanzapin, Propranolol,
Riluzol, Ropinirol, Theophyllin und Warfarin können durch den Wegfall der
Enzyminduktion während der Raucherentwöhnung ansteigen.
Insulin: Die schnellere Resorption aufgrund besserer Hautdurchblutung kann das Hypoglykämierisiko steigern und eine Anpassung des Spritz-Ess-Abstands oder eine Dosisreduktion erforderlich machen (→ BZ-Kontrollen).
Beta-2-Sympathomimetika (Isoprenalin, Salbutamol u. a.): Gelegentlich kann während der Raucherentwöhnung eine Dosissteigerung erforderlich werden.
* Weitere Hinweise dazu finden Sie als Download zur pharmazeutischen Betreuung bei der Raucherentwöhnung auf der Homepage www.wipig.de/projekte.

Literatur

[1] Bockhorni V, et al. WIPIG-Umfrage zur Raucherentwöhnung in der Apotheke. Pharm Ztg 2008;153(28): 60 – 61.

[2] Zieglmeier M, Goller C. Arzneimittelinteraktionen bei der Raucherentwöhnung. Homepage WIPIG (www.wipig.de).

[3] Hurt RD, et al. A comparison of sustained-release bupropion and placebo for smoking cessation. N Engl J Med 1997;337:1195 –1202.

[4] Jorenby DE, et al. A controlled trial of sustained release bupropion, a nicotine patch, or both for smoking cessation. N Engl J Med 1999;340:685 – 691.

[5] Gonzales DH, et al. Bupropion SR as an aid to smoking cessation in smokers treated previously with bupropion: A randomized placebo-controlled study. Clin Pharmacol Ther 2001;69:438 – 444.

[6] Tashkin DP, et al. Smoking cessation in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a double-blind, placebo-controlled, randomised trial. Lancet 2001;357:1571 – 1575.

[7] Tønnesen P, et al. A multicentre, randomized, double-blind, placebo-controlled, 1-year study of bupropion SR for smoking cessation. J Intern Med 2003;254:184 – 192.

[8] Tonstad S, et al. Bupropion for smoking cessation in smokers with cardiovascular disease: a multicentre, randomised study. Eur Heart J 2003;24:946 – 955.

[9] Jorenby DE, et al. Efficacy of varenicline, an α4ß2 nicotinic acetylcholine receptor partial agonist, vs placebo or sustained-release bupropion for smoking cessation: a randomized controlled trial. JAMA 2006;296:56 – 63.

[10] Gonzales D, et al. Varenicline, an α4β2-nicotinic acetylcholine receptor partial agonist, vs sustained-release Bupropion and placebo for smoking cessation. JAMA 2006;296:47 – 55.

[11] Saebø M, et al. CYP1A2 164 A→C polymorphism, cigarette smoking, consumption of well-done red meat and risk of developing colorectal adenomas and carcinomas. Anticancer Res 2008;28 (4C):2289 – 2295.

[12] Desai HD, et al. Smoking in patients receiving psychotropic medications: a pharmacokinetic perspective. CNS Drugs 2001;15 (6):469 – 494.

[13] Zullino DF, et al. Tobacco and cannabis smoking cessation can lead to intoxication with clozapine and olanzapine. Int Clin Psychopharmacol 2002;17:141 – 143.

[14] Stephan PL, et al. Clozapin und Rauchstopp: Tabakrauch, nicht Nikotin induziert CYP1A2. Schweizer Med Forum 2006;6:229 – 231.

[15] Kroon LA. Drug interactions with smoking. Am J Health-Syst Pharm 2007;64:1917 – 1921.

[16] Schein JR. Cigarette smoking and clinically significant drug interactions. Ann Pharmacother 1995;11: 1139 – 1148.

[17] www.apotheken-raucherberatung.ch/apothekenprojekt.

[18] Zevin S. Drug interactions with tobacco smoking. Clin Pharmacokinet 1999;36:425 – 438.

Aussagen, die nicht mit einem Literaturhinweis belegt sind, beziehen sich auf die Produktinformation des jeweiligen Arzneistoffs.


Autoren

Apotheker Dr. Markus Zieglmeier, m_zieglmeier@web.de

Apothekerin Claudia Goller, info@cg-healthcareandservices.de

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