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- DAZ 12/2010
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Interpharm 2010
Keine adäquate Therapie
Depressionen bei älteren Menschen werden oft verkannt, da sowohl psychische wie somatische Symptome der Erkrankung als Folge der Lebensumstände und nicht als Ausdruck einer Krankheit angesehen werden. Prof. Dr. Walter E. Müller wies darauf hin, dass sich Depressionen im Alter etwas von Depressionen in anderen Lebensabschnitten unterscheiden. Im Vordergrund stehen Somatisierungssymptome, die eine Depression überdecken können. Hinzu kommen vegetative Störungen, Angstgefühle, Todesgedanken, Wahnvorstellungen und kognitive Beeinträchtigungen, die eine Demenz vortäuschen. Es besteht eine Tendenz zur Chronifizierung der Erkrankung. Trotz der tendenziell milderen Symptomatik (im Vergleich zur Krankheitssymptomatik im mittleren Lebensabschnitt) nimmt im Alter die Zahl der Suizide unter der Erkrankung dramatisch zu. Man schätzt, dass Suizide im Alter – vor allem bei Männern – in hohem Maße aufgrund einer Depression begangen werden.
Die Ursachen der Depression sind nicht bekannt. Neurobiologische Veränderungen im ZNS, körperliche Defizite, hirnorganische Schwächen und biografische Erfahrungen können die Erkrankung auslösen, sie aber nicht verursachen. Der häufig konstruierte Zusammenhang zwischen einem einschneidenden Ereignis ("der Patient ist depressiv, weil sein Lebenspartner gestorben ist" oder "der Patient ist depressiv, weil er krank und einsam ist") ist falsch. Eine Belastung kann modulierend wirken, ist aber nicht der ursächliche Grund für eine Depression.
Besonderheiten im Senium
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Pharmakotherapie
Obwohl Depressionen bei alten Menschen gut medikamentös behandelt werden können, erhält nur ein Bruchteil der Betroffenen eine adäquate Therapie. Unter Berücksichtigung einiger altersbedingter pharmakokinetischer und pharmakodynamischer Veränderungen ist eine Pharmakotherapie gut durchführbar. Zu beachten sind ein erhöhtes Verteilungsvolumen und eine verlangsamte renale Elimination, so dass das Fließgleichgewicht nur langsam erreicht wird (go slow, continue slow). Trizyklische Antidepressiva sollten nicht mehr oder nur in begründeten Einzelfällen eingesetzt werden. Geeignet erscheinen Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, vor allem Citalopram oder Escitalopram, die nur ein geringes Interaktionspotenzial aufweisen (siehe Tabelle). Dies spielt vor allem eine Rolle, wenn der alte Patient aufgrund seiner Multimorbidität bereits mehrere Medikamente einnimmt. Das häufig praktizierte Vorgehen, ein notwendiges Antidepressivum nicht zu verabreichen, um dem Betroffenen eine zu komplex erscheinende Medikamenteneinnahme zu ersparen, ist falsch und kann gravierende Folgen haben. An einem Antidepressivum, so Müller, sollte zuletzt gespart werden, auch, um dem alten Patienten zu einer besseren Lebensqualität zu verhelfen und mögliche Folgen wie eine soziale Isolierung oder die Einweisung in ein Pflegeheim zu verhindern.
pj
Relevante Antidepressiva im Alter | ||
Wirkstoff |
Besonderheiten bei älteren Patienten |
Dosis (mg/d) |
Nortriptylin |
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25 –150 |
Citalopram/ Escitalopram |
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10 – 30/
5 – 20
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Sertralin |
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50 – 200 |
Venlafaxin |
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37,5 – 300 |
Duloxetin |
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60 |
Mirtazapin |
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15 – 60 |
Reboxetin |
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4 – 6 |
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