Arzneimittel und Therapie

Vitamin-B12-Spiegel sinkt unter Metformin

Eine neue Studie untermauert die Beobachtung, dass eine Langzeittherapie mit Metformin den Vitamin-B12-Spiegel senken und den Homocystein-Spiegel erhöhen kann. Die Autoren der Studie empfehlen daher, bei Metformin-Behandlung regelmäßig den Vitamin-B12-Spiegel zu kontrollieren und gegebenenfalls zu substituieren. Zu einer generellen Substitution des Vitamins unter Metformin-Therapie raten sie jedoch im Gegensatz zu anderen Experten nicht.
Störung der Vitamin-B12-Resorption durch Metformin

Für die Resorption von Vitamin B12 muss das Vitamin einen Komplex mit dem im Magen gebildeten Intrinsic-Faktor bilden. Der IF-B12-Komplex wird im terminalen Ileum bei An­wesenheit von Calciumionen resorbiert. Metformin verringert die Konzentration der Calciumionen und beeinträchtigt dadurch die Vitamin-B12-­Resorption [Quelle: nach Gröber U: Vitamin-B12 -Mangel durch Metformin. DAZ 1/2009 S. 72 - 73]

Ziel der Studie war es, die Auswirkungen einer Langzeitherapie mit Metformin auf den Vitamin-B12 -, Folsäure- und Homocysteinsäure-Status zu erforschen [1]. In einer randomisierten, placebokontrollierten Multicenterstudie erhielten 390 mit Insulin behandelte Typ-2-Diabetiker dreimal täglich 850 mg Metformin oder Placebo über 4,3 Jahre. Im Vergleich zu Placebo sank unter Metformin der Vitamin-B12 -Spiegel um 19 % und der Folat-Spiegel um 5%. Der Homocystein-Spiegel stieg um 5%. Wurden die Faktoren Gewicht (Body Mass Index) und Rauchen berücksichtigt, war kein signifikanter Einfluss von Metformin auf die Folsäure-Konzentration mehr nachzuweisen. Zu Beginn der Studien wiesen drei Patienten in der Metformin-Gruppe und vier Pateinten in der Placebo-Gruppe einen Vitamin-B12 -Mangel (unter 150 pmol/l) auf. Nach 4,3 Jahren hatte sich die Zahl in der Verum-Gruppe mit 19 Patienten etwa versechsfacht, in der Placebo-Gruppe hatte ein weiterer Patient ein Vitamin-B12 -Mangel entwickelt. Das absolute Risiko für einen Vitamin-B12 -Mangel lag um 7,2% über dem der Placebo-Gruppe. Die number needed to harm lag entsprechend bei 13,8 für 4,3 Jahre. Das absolute Risiko für niedrige Vitamin-B12 -Konzentrationen (150 bis 220 pmol/l) war im Vergleich zu Placebo um 11,2% erhöht, die number needed to harm lag hier für den Behandlungszeitraum bei 8,9. Bei Vitamin-B12 -Mangel lag der Homocysteinspiegel im Schnitt bei 23,7 μmol/l, bei erniedrigten Vitamin-B12 - Spiegeln bei 18,1 μmol/l. Bei einer Vitamin-B12 -Konzentration im Normbereich lagen die Homocystein-Werte im Schnitt bei 14,9 μmol/l.

Vermehrt Neuropathien bei Vitamin-B12 -Mangel?

Nahezu jeder fünfte Typ-2-Diabetiker weist einen Vitamin-B12 -Mangel auf, die Ursachen dafür sind im Einzelnen nicht geklärt. Vitamin B12 ist ein wichtiges Coenzym. In Form von Methylcobalamin ist es an der Methionin-Synthese und damit an der Remethylierung von Homocystein zu Methionin beteiligt. Als Adenosylcobalamin greift es im Citratzyklus in die Umwandlung von Methylmalonyl-CoA zu Succinyl-CoA ein. Ein Vitamin-B12 -Mangel könnte das Risiko für neuropsychiatrische Störungen und Neuropathien erhöhen. Bestätigen kann die niederländische Studie dies allerdings nicht. Denn es finden sich keine Angaben zu entsprechenden Parametern. Auch, so wird in einem begleitenden Editorial zu der Studie kritisiert, ist der Studie nicht zu entnehmen, ob Patienten zusätzlich Vitamin B12 beispielsweise in Form von Nahrungsergänzungsmitteln erhalten haben [2]. Es würden robuste Daten fehlen, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem Grad des Vitamin-B12 -Mangels und dem Risiko beispielsweise für Neuropathien belegen. Die Editorialisten bedauern, dass nicht geprüft worden ist, wie sich reduzierte Vitamin-B12 -Spiegel auf die Patienten ausgewirkt haben, ob sich beispielsweise Patienten mit niedrigen Spiegeln schlechter gefühlt haben als solche mit Normwerten.

Werte kontrollieren

Die Autoren der Studie empfehlen eine regelmäßige Kontrolle der Vitamin-B12 -Werte unter Langzeitbehandlung mit Metformin, um bei sinkenden Werten durch Substitution einer Mangelentwicklung vorzubeugen. Allerdings haben sie ihre Studie mit Typ-2-Diabetikern durchgeführt, die zusätzlich mit Insulin therapiert worden sind. Sollte die Kontrolle bei allen mit Metformin behandelten Patienten durchgeführt werden oder nur bei der relativ kleinen Gruppe der zusätzlich mit Insulin behandelten? Zu klären ist auch, ob und wie dann gegebenfalls durch Substitution von Vitamin B12 (oral oder parenteral) den sinkenden Vitamin-B12 -Spiegeln entgegengewirkt werden kann.

Substituieren oder nicht?

Weder die Autoren der Studie noch die Verfassers des begleitenden Editorials empfehlen eine generelle Substitution von Vitamin B12 unter Metformin-Therapie. Dagegen rät der Mikronährstoffexperte Uwe Gröber, Autor des Buches Interaktionen: Arzneimittel und Mikronährstoffe, zu folgendem Vorgehen [3]:

  • Unter Langzeittherapie mit dem Biguanid Metformin sollte regelmäßig Vitamin B12 (100 –1000 µg/d) zusammen mit Folsäure und Vitamin B6 supplementiert werden.
  • Älteren Personen (≥ 60 Jahre), die häufig eine atrophische Gastritis aufweisen, wird eine Vitamin-B12 -Supplementierung von wenigstens 100 µg pro Tag empfohlen.
  • Bei einem Vitamin-B12 Mangel empfiehlt sich initial die parenterale Applikation (subkutan, intramuskulär, intravenös) von Cyano- oder Hydroxocobalamin (z. B. 1000 µg Cyanocobalamin, 2× pro Woche über einen Zeitraum von 2 Wochen).

Quelle [1] Jolien de J et al: Long term treatment with metformin in patientes with type 2 diabetes and risk of vitamin B12 deficiency: randomised placebo controlled study. BMJ 2010; 340: c2181. [2] Vidal-Alaball, J, Butler CC: Reduced serum vitamin B12 in patients. BMJ 2010; 340: c2198. [3] Gröber U: Interaktionen – Arzneimittel und Mikronährstoffe. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2009 [4] Wolters M, Ströhle A, Hahn A: Neue Erkenntnisse zu Vitamin D und Vitamin B12. DAZ 2/2005.

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Mögliche Ursachen für einen Vitamin-B12-Mangel [aus 4]


alimentärer Mangel

  • bei langjährigen strikten Vegetariern (Veganer) Malabsorption
  • perniziöse Anämie (atrophische Gastritis Typ A)
  • Gastrektomie
  • atrophische Gastritis Typ B (verminderte Freisetzung von B12 aus Nahrungsmitteln)
  • Erkrankungen des Dünndarms, besonders des Ileums (Gluten-induzierte Enteropathie, Morbus Crohn und andere entzündliche Darmerkrankungen)
  • Resektion des Ileums
  • Pankreas-Erkrankungen
  • Resorptionsstörung durch Medikamente
  • hereditäre Störungen der Vitamin-B12-Digestion und -Absorption (Enzymmangel; Mangel an IF)
  • Pathologische Darmbesiedlung (Overgrowth-Syndrom)

Medikamenten-induziert

  • Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin, Primidon)
  • Protonen-Pumpen-Inhibitoren (Omeprazol)
  • H2 -Rezeptoren-Blocker (Cimetidin, Ranitidin)
  • Antidiabetikum Metformin
  • Antibiotika (Chloramphenicol, Neomycin)
  • Colestyramin

hereditäre Störungen des intermediären Cobalaminstoffwechsels

  • Transcobalamin-II-Mangel
  • Adenosyltransaminase-Mangel
  • Cobalamin-Reduktase-Mangel
  • Methionin-Synthase-Mangel

erhöhter Bedarf

  • Hyperthyreoidismus
  • Wachstum
  • Parasitismus (Fischbandwurm)

erhöhte Ausscheidung

  • Mangelhafte Funktion von Vitamin-B12-Bindungsproteinen im Serum
  • Leber- und Nierenerkrankungen

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