Arzneimittel und Therapie

Neues Indiz für Krebsrisiko unter Insulin Glargin?

Vor einem Jahr hatten in der Zeitschrift Diabetologia veröffentlichte Beobachtungsstudien den Verdacht aufkommen lassen, dass sich unter dem Insulin-Analogon Insulin Glargin (Lantus®) das Krebsrisiko erhöht. Nun wurde eine neue Fall-Kontroll-Studie publiziert [1], die für weiteren Diskussionsstoff sorgt.

Eine Analyse des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hatte im Juni 2009 den Stein ins Rollen gebracht [3]. Mitarbeiter beider Institute hatten die Daten von 127.031 AOK-versicherten Diabetikern ohne Krebserkrankung in der Anamnese analysiert. Sie waren zwischen 2001 und 2005 entweder mit Humaninsulin oder den Analoginsulinen Lispro (Humalog®), Aspart (Novorapid®) oder Glargin (Lantus®) behandelt worden. Es handelte sich dabei überwiegend um Typ-2-Diabetiker. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass unter dem Insulinanalogon Glargin Patienten häufiger an Krebs erkranken als unter vergleichbaren Dosierungen von Humaninsulin: Danach ist bei Behandlung von 100 Diabetikern mit Glargin über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren im Vergleich zu Humaninsulin mit einer zusätzlichen Krebserkrankung zu rechnen. Das Risiko soll dosisabhängig steigen: Bei einer Tagesdosis von 10 Einheiten Glargin um 9%, bei 50 Einheiten Glargin um 31%. Die kurz wirksamen Insulinanaloga Lispro und Aspart scheinen das Krebsrisiko im Vergleich zu Humaninsulin nicht zu erhöhen. In die Analyse waren keine Daten von Patienten eingeflossen, die mit dem ebenfalls lang wirksamen Insulinanalogon Detemir behandelt worden sind.

Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift Diabetologia, dem Journal der European Association for the Study of Diabetes (EASD) zusammen mit drei weiteren europäischen Studien zur gleichen Fragestellung publiziert worden. Es handelte sich dabei um eine schwedische [2], eine schottische [5] und eine aus Großbritannien [4] stammende Analyse. Letztere konnte kein erhöhtes Krebsrisiko unter Glargin feststellen. Die schottische Studie fand eine nicht-signifikante Erhöhung des Brustkrebsrisikos unter Insulin Glargin, die schwedische Studie fand eine Verdoppelung des Brustkrebsrisikos. Jetzt wird berichtet, dass die erhöhte Brustkrebsinzidenz in der schwedischen Studie nach zwei Jahren Nachbeobachtung nicht mehr nachweisbar gewesen sein soll (s. Stellungnahme von Prof. Dr. G. Ehninger, im Heft auf S. 33 – 34), was Prof. Dr. Peter Sawicki, Leiter des IQWiG, im Gespräch mit der DAZ allerdings abstreitet (s. Interview "Die Sicherheit ist nicht erwiesen!", im Heft auf S. 35).

Insgesamt waren in den 2009 veröffentlichten vier Studien die Daten von über 300.000 Diabetikern ausgewertet worden, 34.392 waren mit Insulin Glargin behandelt worden.

Auslöser für das Aufflammen der Diskussion ist eine neue Fall-Kontroll-Studie. Wissenschaftler der Universität Florenz haben dazu unter Leitung von Edoardo Mannucci die Daten von 1340 ambulant behandelten Typ-2-Diabetikern analysiert. Sie stellten fest, dass unter höheren Dosierungen von Insulin Glargin das Risiko, an Krebs zu erkranken, steigt. Prof. Dr. Peter Sawicki sieht darin ein weiteres Indiz für ein Krebsrisiko unter Insulin Glargin, Prof. Dr. Gerhard Ehninger kommt zu einer völlig anderen Interpretation der Studienergebnisse (s. Abschnitt "Willkürlicher Grenzwert", im Heft S. 33 und 34).


Literaturangaben finden Sie, wenn Sie hier klicken.



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