Selbstmedikation

Was tun bei Kratzen, Brennen und Schluckbeschwerden?

In den Herbst- und Wintermonaten klagen Kunden häufig über Halsschmerzen, die in den meisten Fällen eine Erkältung ankündigen. Zur Linderung der Beschwerden bietet die Apotheke eine breite Palette rezeptfreier Rachentherapeutika. Ein Arztbesuch sollte angeraten werden, wenn die Symptome nach drei bis fünf Tagen nicht abgeklungen sind und/oder zusätzliche Anzeichen auf eine schwerwiegende Erkrankung hindeuten.

Bei nur leichtem Krankheitsgefühl, leichten bis mäßig starken Schluckbeschwerden, gerötetem Hals-Rachen-Raum und/oder einem Brennen in diesem Bereich können Halsschmerzen im Rahmen der Selbstmedikation behandelt werden. In den meisten Fällen ist eine virale, seltener eine bakterielle Infektion die Ursache. Zu den am häufigsten vorkommenden Erregern zählen Rhino-, Corona- und Adenoviren sowie β-hämolysierende Streptokokken der Gruppen A, C und G. Unbehandelt klingen die Beschwerden meist nach drei bis fünf Tagen ab, denn in vielen Fällen macht das Immunsystem die Keime unschädlich.

Doch Halsschmerzen können sehr unangenehm sein und die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Daher sind Betroffene für die Empfehlung eines schnell wirksamen, rezeptfreien Rachentherapeutikums durch die Apotheke dankbar. Auch bei Symptomen infolge einer Reizung der Rachenschleimhaut durch trockene Luft, Staub oder (Passiv-) Rauchen können derartige Präparate Abhilfe schaffen.

Breite Palette an Präparaten

Halsschmerzmittel zur lokalen Anwendung werden in Form von Lutschtabletten, Gurgellösungen oder Rachensprays angeboten. Sie enthalten desinfizierende, antibiotische oder lokalanästhetische Wirkstoffe, häufig in Kombinationen (siehe Tab. 1). Ebenfalls eine gute Empfehlung sind Produkte mit Pflanzenextrakten mit antiphlogistischer, adstringierender, antiseptischer oder schleimbildender Wirkung oder Tees bzw. Teemischungen (siehe Tab. 2). Insbesondere das Gurgeln mit warmem Salbei- oder Kamillentee wird bei Halsschmerzen als angenehm empfunden.


Tab. 1: Pflanzliche Rachentherapeutika

Pflanze
Präparate (Auswahl)*
Eibisch
Imupret® Dragees
Isländisch Moos
tetesept® Hals-activ Lutschpastillen
Kamille
Kamillosan® Mund- und Rachenspray
Myrrhe
Mint-Lysoform® Lösung
Pfefferminze
Inspirol® Halsbonbons
Salbei
Salvysat® Bürger Lösung
Spitzwegerich
Broncho-Sern® Saft

*zahlreiche Präparate enthalten Wirkstoff-Kombinationen

Pflanzliche Arzneimittel können bei unzureichender Wirksamkeit besser belegter symptomatischer Maßnahmen und bei Wunsch des Patienten mit Einschränkung empfohlen werden. Pflanzliche Inhaltsstoffe wirken antiphlogistisch, schleimbildend, antiseptisch, deodorierend und adstringierend. Oft werden auch Mischungen von traditionellen Heilpflanzen angeboten. Für die meisten Phytopharmaka liegt jedoch kein klinischer Wirksamkeitsnachweis mit kontrollierten Studien bei Halsschmerzen vor.

Bei sich anbahnenden Erkältungen mit Halsschmerzen können auch Präparate mit getrocknetem Presssaft von Echinacea purpurea als Monotherapie (z. B. Echinacin®) oder in Kombinationspräparaten (z. B. Esberitox®) zum Einsatz kommen. Auch Homöopathika werden bei Infektionen um Hals- und Rachenraum empfohlen (z. B. Meditonsin®).

Die Präparate-Auswahl sollte sich an den Vorlieben der Kunden orientieren. Eine Empfehlung von Lutschtabletten oder einem Rachenspray wird wegen der einfachen Anwendbarkeit gern angenommen. Zu beachten ist, dass für einige synthetische Wirkstoffe (z. B. Hexetidin, Benzocain) allergische Reaktionen als Nebenwirkung beschrieben sind. Einige Halsschmerzmittel sind wegen ihres Alkoholgehaltes bei alkoholkranken Personen, Kindern, Schwangeren oder Stillenden nicht oder nur eingeschränkt empfehlenswert.


Tab. 2: Rachentherapeutika mit synthetischen Inhaltsstoffen

Wirkstoff
Präparate (Auswahl)*
Aluminiumchlorid
Mallebrin® Konzentrat zum Gurgeln
Ambroxol
Mucoangin® gegen Halsschmerzen Lutschtabletten
Benzocain
Anaesthesin® Pastillen
Cetrimoniumbromid
Lemocin® Lutschtabletten
Cetylpyridiniumchlorid
Dobendan Strepsils® Dolo Lutschtabletten
Chlorhexidin
Chlorhexamed® Fluid Lösung
Dequaliniumchlorid
Gurgellösung-ratiopharm®
Dexpanthenol
Panthenol® 100 mg Jenapharm Tabletten
Dichlorbenzylalkohol
neo-angin® Halstabletten
Fusafungin
Locabiosol® S Inhalierspray
Hexetidin
Hexoral® Mundspray
Hyaluronsäure
GeloRevoice® Halstabletten
Lidocain
Wick® Sulagil Halsspray, Trachisan® Halsschmerztabletten
Povidon-Jod
Betaisodona® Mundantiseptikum
Tyrothrizin
Dorithricin® Halstabletten

*zahlreiche Präparate enthalten Wirkstoff-Kombinationen

Analgetika nur kurzzeitig einsetzbar

Analgetika wie Acetylsalicylsäure (auch in Kombination mit Coffein), Paracetamol, Ibuprofen oder Flurbiprofen (Dobendan Strepsils® direkt Lutschtabletten) können Halsschmerzen wirkungsvoll lindern. Sie sind zur Schmerzstillung bis zum bevorstehenden Arztbesuch oder zu Be-ginn einer antibiotischen Therapie besonders empfehlenswert. Da sie jedoch die Symptome einer schwerwiegenden Erkrankung verschleiern können, sollten sie nur kurzzeitig, das heißt höchstens für drei Tage, eingesetzt werden.

Linderung durch Hausmittel

Auch ganz einfache Maßnahmen – sog. Hausmittel – können zur Linderung von Halsschmerzen beitragen. Dazu zählen vor allem:

  • ausreichend trinken
  • häufiger ausruhen
  • Bonbons lutschen (mit Menthol, Salbei- oder Eucalyptusöl u. a., z. B. Emser® Pastillen)
  • Gurgeln mit Salzwasser (ein Viertel Teelöffel auf ein Glas Wasser) oder Salbeitee
  • (Passiv-) Rauchen meiden
  • bei Schluckbeschwerden weiches Essen bevorzugen, scharfe und stark gewürzte Speisen sowie Alkohol meiden
  • feucht-warme Halswickel bzw. Hals warmhalten (z. B. mit Medivital® Wärmeschal)

Grenzen der Selbstmedikation

In folgenden Fällen sollte den Kunden geraten werden einen Arzt aufzusuchen, da sich hinter den Beschwerden eine schwerwiegende Erkrankung verbergen kann:

  • bei Luftnot
  • bei starken Schluckbeschwerden und eitrig belegten, angeschwollenen Gaumenmandeln (Tonsillen)
  • wenn sich die Symptome nach 3 bis 5 Tagen nicht gebessert haben
  • bei zusätzlichen Symptomen z. B. Hautausschlag, stark geschwollenen Lymphknoten, Ohrenschmerzen
  • bei Fieber > 39°C

Bei Kindern und Jugendlichen ist besondere Aufmerksamkeit geboten, weil Erkrankungen wie das Pfeiffer‘sche Drüsenfieber (akute infektiöse Mononukleose) oder Scharlach die Ursache von Halsschmerzen sein können. Die Symptome des durch das Eppstein-Barr-Virus hervorgerufenen Pfeiffer‘schen Drüsenfiebers ähneln im frühen Kindesalter denen einer Erkältung. Bei Jugendlichen und Erwachsenen können Fieber, Lymphknotenschwellungen, Pharyngitis oder Exantheme auftreten. Das zur Familie der Herpesviren gehörende Virus infiziert B-Lymphozyten, die im Blutbild als atypische Zellen (Pfeiffer-Zellen) leicht identifiziert werden können. Auch bei Scharlach, der durch β-hämolysierende A-Streptokokken verursacht wird, treten Halsschmerzen, Fieber, vergrößerte Halslymphknoten und Beläge in Mund- und Rachenraum auf. Hier deuten bereits nach wenigen Tagen das typische kleinfleckige Exanthem und die "Himbeerzunge" auf die Erkrankung hin. Kinder unter zwei Jahren sollten bei Halsschmerzen grundsätzlich einem Arzt vorgestellt werden. Auch bei älteren Patienten ist dies ratsam, vor allem, wenn Unsicherheit bezüglich Vor- oder Begleiterkrankungen besteht. Da Menschen im höheren Lebensalter meist unter trockenen Schleimhäuten leiden, muss außerdem bedacht werden, dass eine nicht korrekte Anwendung bestimmter Arzneiformen die Ursache von Reizungen und Schmerzen im Rachenbereich sein kann. Zum Beispiel, wenn alkoholische Lösungen unverdünnt oder Tabletten mit zu wenig Flüssigkeit eingenommen werden.

Leitlinien-Empfehlungen

Ärztliche Leitlinien empfehlen Zurückhaltung bei der Verordnung von Antibiotika gegen Halsschmerzen. Die 2009 veröffentlichte S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM,) sagt beispielsweise aus, dass auch ein positiver Streptokokken-A-Nachweis keine Indikation für eine routinemäßige Antibiotika-Gabe darstellt. Hintergrund dafür sind unter anderem Erkenntnisse aus placebokontrollierten Studien bei Pharyngitis-Patienten, in denen Antibiotika in den meisten Fällen eine gering bis mäßig verkürzende Wirkung auf die Dauer von Halsschmerzen und von weiteren Symptomen wie Fieber und Kopfschmerzen hatten. Am meisten ausgeprägt war der Effekt in den Studien etwa am dritten Behandlungstag. Doch dann waren auch in den Kontrollgruppen bereits etwa ein Drittel der Behandelten schmerz- und etwa 80% fieberfrei, und zwar unabhängig von einem Streptokokken-Nachweis im Rachenabstrich (siehe Kasten: "Tipps für Patienten"). Wird ärztlicherseits eine Antibiotikatherapie erwogen, ist eine Penicillin-Gabe über sieben Tage Mittel der ersten Wahl.


TIPPS FÜR PATIENTEN

Brauchen Sie ein Antibiotikum?


In den meisten Fällen ist bei Halsschmerzen ein Antibiotikum überflüssig. Antibiotika bekämpfen nur Bakterien, keine Viren. Halsschmerzen werden aber ganz überwiegend durch Viren verursacht. Bei einigen Patienten sind Bakterien, meist Streptokokken, nachweisbar. Im Rachen findet man aber auch bei Gesunden Keime und viele Menschen haben auch Streptokokken im Rachen, ohne krank zu sein. Das körpereigene Immunsystem wird bei Rachen- und auch Mandelentzündungen in der Regel gut mit Erregern fertig, egal, ob es sich um Bakterien oder Viren handelt. Nur bei schwereren Erkrankungen sind Antibiotika eventuell sinnvoll. Die Krankheitsdauer kann um ein bis zwei Tage verkürzt werden. Ob aber der Nutzen größer ist als der Schaden, muss im Einzelfall durch den Arzt abgewogen werden.

Fehlender Wirksamkeitsnachweis bemängelt

In verschiedenen Publikationen wird das Fehlen von Wirksamkeitsnachweisen für Halsschmerzmittel bemängelt. So stellt beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) in ihrer 2009 veröffentlichten Leitlinie "Halsschmerzen" fest, dass – bis auf wenige Ausnahmen – für die meisten synthetischen und pflanzlichen Wirkstoffe in Rachentherapeutika keine Nutzennachweise durch randomisierte kontrollierte Studien vorliegen. Die Leitlinie trifft daher die Aussage: "Die Anwendung von Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays wird nicht empfohlen. … Die Anwendung von Lokalantiseptika macht nachweislich keinen Sinn, da sie nur an der Oberfläche wirken können, während sich die wesentliche Infektion in der Tiefe des Gewebes abspielt. Die teilweise in vitro und in vivo nachgewiesene bakterizide/bakteriostatische Wirkung dieser Substanzen ist auch angesichts der mehrheitlich viral bedingten Racheninfektionen ohne klinische Relevanz." Weiterführende Informationen finden sich unter: www.awmf-leitlinien.de.


Ökotest: Nutzen nicht belegt


Auch das Verbrauchermagazin Ökotest hat sich mit Halsschmerzmitteln beschäftigt und 20 verschiedene eingekauft und untersucht, vor allem Lutschtabletten und Pastillen, aber auch Sprüh- und Gurgellösungen. Alle sind als Arzneimittel zugelassen, eines davon als traditionelles Arzneimittel. Das Fazit von Ökotest: Egal ob die Präparate entzündungshemmend, keimtötend oder lokal betäubend wirken: Ihre Anwendung bei Halsschmerzen bringt keine Vorteile. Sie wirken bestenfalls rein symptomatisch, ohne die Dauer der Halsschmerzen zu verkürzen.

Sinnvoll erscheint einzig bei starken Halsschmerzen der kurzzeitige Gebrauch von Trachisan® Halsschmerztabletten mit dem lokal betäubend wirkenden Lidocain. Für dieses Produkt liegen belastbare Daten aus einer Studie vor, weshalb Ökotest es als einziges mit "befriedigend" beurteilt, alle anderen Präparate werden als "mangelhaft" oder "ungenügend" bewertet.

[Quelle: Öko-Test Dezember 2010.]

Quelle

Lennecke, K. et al.: Selbstmedikation. Leitlinien zur pharmazeutischen Beratung, 3. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart (2007).

Halsschmerzen. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Stand Oktober 2009, www.awmf-leitlinien.de

Rote Liste online, www.rote-liste.de


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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