- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 8/2010
- Diabetiker können von ...
Ernährung aktuell
Diabetiker können von Vitamingaben profitieren
Das Schicksal des Diabetikers wird maßgeblich von diabetisch bedingten Mikro- und Makroangiopathien bestimmt. Sie führen zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Lebensqualität und sind Ursache der im Mittel um 30 Prozent verringerten Lebenserwartung. Spätschäden an den kleinen Gefäßen der Augen, Nieren oder Nerven sind vor allem bei Typ-1-Diabetes und insbesondere den oftmals multimorbiden Typ-2-Diabetikern mit einem deutlich erhöhten Risiko zu erblinden, chronisches Nierenversagen zu entwickeln oder an Neuropathien zu erkranken, assoziiert. Oxidativer Stress spielt bei beiden Formen des Diabetes mellitus eine pathogenetische Rolle bei der Entstehung vaskulärer Komplikationen in Form von Makro- (Arteriosklerose) und Mikroangiopathien (diabetische Retino-, Nephro-, Neuropathie) (Abb. 1). Glucose und die im Rahmen der Proteinglykosilierung gebildeten Ketoamine (AGEs) sind leicht oxidierbar und fördern zusätzlich die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) [1].
Vitamine und andere Mikronährstoffe besitzen in der Prävention und Therapie ernährungsassoziierter Krankheiten wie Diabetes mellitus ein hohes Potenzial. Ei-ne Unterversorgung mit Vitaminen kann bei diabetischer Stoffwechsellage das Risiko für vaskuläre Komplikationen fördern. Im Hinblick auf die diabetische Versorgung und den erhöhten Bedarf muss bei Diabetikern die diätetische Versorgung mit Vitamin C, Vitamin B1 , Folsäure und Vitamin B12 als kritisch bewertet werden (Tab. 1).
Diabetiker haben zu niedrige Vitamin-C-Spiegel
Vitamin C stellt für den Diabetiker ein wichtiges antioxidativ wirksames und endothelprotektives Vitamin dar. Im Vergleich zu gesunden Personen weisen Diabetiker signifikant reduzierte Vitamin-C-Spiegel im Plasma (um über 30 Prozent) und intrazelluläre Vitamin-C-Konzentrationen auf. Nach den Ergebnissen der EPIC-Norfolk-Studie, einer multizentrischen Kohorten-Studie an 2898 Männern und 3560 Frauen (Alter: 45 bis 74 Jahre) korreliert der HbA1C -Wert invers mit dem Vitamin-C-Status: Personen mit niedrigem HbA1C -Wert (< 7%) haben signifikant höhere Vitamin-C-Plasmaspiegel als solche mit einem hohen HbA1C -Wert (≥ 7%). Eine Erhöhung der Vitamin-C-Plasmaspiegel um 20 µmol/l reduziert das Risiko einer nicht diagnostizierten Hyperglykämie um nahezu ein Drittel [2, 3]. Bemerkenswert ist, dass sogar bei gleicher oraler Supplementierung (1 g Vitamin C/Tag, p.o.) die Vitamin-C-Plasmaspiegel von Diabetikern mit und ohne Angiopathie gegenüber Stoffwechselgesunden signifikant erniedrigt sind [4]. Die erhöhte oxidative Belastung und der beeinträchtigte Vitamin-C-Metabolismus erfordern bei diabetischer Stoffwechsellage zum Erreichen präventiv wirksamer Vitamin-C-Plasmaspiegel eine zusätzliche regelmäßige Supplementierung (z. B. 500 mg Vitamin C/d, p.o.).
Oft kritisch: Versorgung mit Vitamin B1 ...
B-Vitamine spielen eine zentrale Rolle im Energie- und Kohlenhydratstoffwechsel. Ihre Aufgaben in unserem Körper reichen von der Steuerung der Nerven- und Herzfunktion über die Blutbildung und Energiegewinnung in unseren Körperzellen bis zur Abwehrfunktion und Gesunderhaltung von Haut und Haaren. Da die B-Vitamine wasserlöslich sind, gehen sie bei Diabetikern vermehrt infolge der häufig gestörten Nierenfunktion und/oder medikamentös bedingt über den Urin verloren. Eine aktuelle Studie belegt, dass bei Diabetikern eine um 75% reduzierte Konzentration von Vitamin B1 im Blut vorliegt und die renale Ausscheidung 16- bzw. 24-fach (Typ-2 bzw. Typ-1) erhöht ist [5]. Das lipidlösliche Vitamin B1 -Prodrug Benfotiamin hat sich zudem in zahlreichen Studien als Therapieoption in der frühen Phase der diabetischen Neuropathie erwiesen [6].
... Vitamin B12 und Folsäure
Stoffwechsel- und therapiebedingt kann auch der Bedarf an Folsäure und Vitamin B12 erhöht sein, insbesondere bei Typ-2-Diabetikern, die mit Metformin und Protonenpumpenhemmern behandelt werden (Abb. 2) [7]. Nach den Ergebnissen der Hoorn Studie ist eine Hyperhomocysteinämie bei Typ-2-Diabetikern gegenüber Nicht-Diabetikern mit einem 2-fach erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert. Eine Hyperhomocysteinämie (Homocysteinplasmaspiegel ≥ 10 µmol/l) steigert beim Diabetiker zusätzlich das Risiko für Angiopathien [8].
Auf Vitamin D achten
Studien geben Hinweise darauf, dass ein Vitamin-D3 -Mangel als pathogenetischer Faktor für Typ-1-Diabetes und das metabolische Syndrom gezählt werden muss, da er die Insulinresistenz erhöht und die Insulinsekretion der Betazellen im Pankreas verringert [9]. Zwischen dem Vitamin-D3 -Status und der Diabetes-Prävalenz, der Glucosekonzentration und der Insulinresistenz besteht zudem eine inverse Relation [10]. Eine Normalisierung des Vitamin-D3 -Status könnte bei Diagnose eines Typ-1-Diabetes dazu beitragen, die noch vorhandenen Betazellen vor der weiteren Zerstörung zu schützen. Bei Typ-2-Diabetikern zeigen einige Studien, dass die Supplementierung von Vitamin D3 die Glucosetoleranz verbessert und die Insulinresistenz verringert.
Fazit
Der Vitamin-Status sollte bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern labordiagnostisch kontrolliert und gegebenenfalls durch individuelle Supplementierung kompensiert werden, gemäß dem bewährten Spruch "Ernährungsmedizinisches Vertrauen ist gut, labordiagnostische Kontrolle ist besser!".
Literatur [1] Martin, M, Gröber, U, Ploss, O, Komplementäre Verfahren in der Diabetologie. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 2007. [2] Will JC, Byers T, Does diabetes mellitus increase the requirement for Vitamin C? Nutr Rev 1996; 54(7): 193 – 202. [3] Will JC, et al., Serum vitamin C concentrations and diabetes: findings from the Third National Health and Nutrition Examination Survey, 1988 – 1994. Am J Clin Nutr 1999; 70(1): 49 – 52. [4] Sinclair, AJ, et al., Disturbed handling of ascorbic acid in diabetic patients with and without microangiopathy during high dose ascorbate supplementation. Diabetologia 1991; 34(3), 171 – 175. [5] Thornalley PJ, et al. High prevalence of low plasma thiamine concentration in diabetes linked to a marker of vascular disease. Diabetologia 2007; 50: 2164 – 2170. [6] Gröber, U, Diabetes mellitus – Metabolic Tuning mit Benfotiamin. Deutsch Apoth Ztg 2008; 148(4): 125 – 128. [7] Gröber, U, Vitamin B12 -Mangel durch Metformin. Deutsch Apoth Ztg 2009; 149(1/2): 72 – 73. [8] Hoogeveen, E.K., et al., Hyperhomocysteinemia increases risk of death, especially in type 2 diabetes: 5-year follow-up of the Hoorn Study. Circulation 2000; 101(13): 1506 – 1511. [9] Boucher, RJ, Inadequate vitamin D status: Does it contribute to the disorders comprising syndrome X? Br J Nutr 1998; 79: 315 – 327. [10] Chiu, KC, et al., Hypovitaminosis D is associated with insulin resistance and beta cell dysfunction. Am J Clin Nutr 2004; 79: 820 – 825.
Autor
Uwe Gröber
Akademie & Zentrum für Mikronährstoffmedizin
Zweigertstraße 55,
45130 Essen
Tab. 1: Vitamine, für die Diabetiker einen erhöhten Bedarf haben. | |
Vitamin |
Erhöhter Bedarf durch |
Vitamin C |
Hyperglykämie, oxidative Belastung |
Vitamin B1
|
Hyperglykämie, erhöhte renale Verluste |
Vitamin B12
|
Erhöhte renale Verluste, Resorptionsstörungen alters- und medikationsbedingt (z. B. Metformin) |
Folsäure |
Erhöhte renale Verluste, niedrige diätetische Aufnahme, medikationsbedingt |
In unserem aktuellen Heft finden Sie ein von der DAZ-Redaktion erstelltes Poster zum Thema Vitamine beigelegt. Darauf sind die für den Menschen essenziellen Vitamine mit Bedarf, Funktion, Lebensmittelquellen sowie ihrer Bedeutung für Prävention und Therapie aufgeführt. Zudem finden Sie darauf verschiedene Personengruppen, für die ein Mehrbedarf an einem oder mehreren Vitaminen gegeben sein kann und die Möglichkeit, die von Ihnen für diese Personengruppen empfohlenen Vitaminsupplemente zu ergänzen.
Wir hoffen, Sie mit diesem Poster ein wenig bei Ihrer Beratungstätigkeit unterstützen zu können.
In der kommenden DAZ werden Sie ein entsprechendes Poster zum Thema Mineralstoffe vorfinden.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.