Im Fokus

Triclosan in Kosmetika

Gefährden Körperpflegeprodukte Herz- und Skelettmuskulatur?

Eine Kommentierung von Ralf Stahlmann | Triclosan [5-Chlor-2-(2,4-dichlorphenoxy)phenol] ist ein bakterizid wirksamer Stoff, der unter anderem in Körperpflege-Produkten weit verbreitet ist. Die Wirksamkeit und Toxizität der Substanz sind in zahlreichen Publikationen beschrieben worden. Allerdings gibt es bisher keine Informationen über eine mögliche Beeinflussung der Muskulatur. Ob eine Gefahr für myotoxische Wirkungen des Biozids besteht, wurde daher von Wissenschaftlern in Kalifornien untersucht. Sie veröffentlichten im August 2012 eine Arbeit, in der die Wirkungen von Triclosan auf die Skelett- und Herzmuskulatur beschrieben wurden. Diese Publikation fand ein breites Echo in der Presse, über die Effekte wurde zum Beispiel mit Überschriften wie "Dramatische Wirkung auf die Herzleistung" berichtet.
Abb. 1: Triclosan ist ein Phenolderivat , das nur als solches biologisch aktiv ist. Im Körper wird es sehr schnell durch Glucuronidierung und Sulfatierung inaktiviert. Triclosan wirkt bakterizid und wird als Desinfektionsmittel in Konzentrationen von 0,2 bis 2% und als Konservierungsmittel in Konzentrationen bis zu 0,3% eingesetzt.

Viele Verbraucher fragen sich nun, ob eine direkte Gefahr durch den Stoff bei Benutzung von Zahnpasta, Seifen oder Desinfektionsmitteln ausgeht. Die Ergebnisse der Experimente aus den USA sollen daher etwas genauer beschrieben und bewertet werden. Es soll jedoch vorab betont werden, dass für eine Abschätzung möglicher Risiken für den Menschen auf der Basis von Tierexperimenten oder Zellkulturversuchen ein Vergleich der Humanexposition mit den experimentell benutzten Konzentrationen essenziell ist. Auch die Frage der Metabolisierung und damit Inaktivierung eines Stoffes darf nicht außer Acht gelassen werden.

Ein Blick auf die Strukturformel von Triclosan zeigt, dass es sich bei dem Desinfiziens um ein Phenolderivat handelt (Abb. 1). Die Substanz besitzt damit eine freie Hydroxylgruppe und unterliegt im Säugetierorganismus einem raschen Phase-II-Metabolismus: Triclosan wird glucuronidiert und sulfatiert. Nur ein sehr geringer Anteil liegt unverändert in biologisch aktiver Form vor. Beim Menschen lässt sich im Blut überwiegend das Glucuronid nachweisen, bei Mäusen überwiegt das Sulfat als Stoffwechselprodukt. Freies, nicht glucuronidiertes und damit toxikologisch relevantes Triclosan ist bei chronischer oraler Exposition im Blut des Menschen kaum nachweisbar, denn es unterliegt einem raschen First-pass-Effekt.

Die Experimente

Zunächst wurde die Griffstärke von Mäusen überprüft. Nach einer intraperitonealen Bolusinjektion von 40 mg Triclosan pro kg Körpergewicht, gelöst in DMSO, war die Fähigkeit der Mäuse, sich an einem Gitter festzuhalten, um 18% reduziert. Die Griffstärke wurde überprüft, indem der Untersucher das Tier in einer "leichten Horizontalbewegung" am Schwanz zog und die Maus so vom Gitter löste. Dies geschah mehrmals innerhalb einer Stunde nach der Injektion. Eine Betrachtung der Einzelwerte zeigt, dass der Effekt nur bei drei von sieben Mäusen etwas ausgeprägter war als bei den Kontrollmäusen, die das Lösungsmittel DMSO bekommen hatten. Bei einer weiteren Maus wurde keine Wirkung festgestellt – sie wurde als "non-responder" aus der statistischen Bewertung ausgeschlossen. Dieses Experiment wurde nur mit einer Gruppe von Mäusen in der angegebenen Dosierung durchgeführt. Bei niedrigeren Dosierungen wäre wahrscheinlich kein Effekt nachweisbar gewesen, höhere Dosierungen hätten die Mäuse wahrscheinlich getötet. In früheren Untersuchungen wurde gezeigt, dass eine intraperitoneal verabreichte Dosis von 84 mg/kg für die Hälfte der Versuchstiere tödlich ist (LD50).

In einem zweiten Experiment wurde bei narkotisierten Mäusen ein Katheter über die Arteria carotis in die linke Herzkammer geschoben und die Auswurfleistung des Herzens gemessen. Hier ergab sich bei der höchsten untersuchten Dosierung von 25 mg/kg – wiederum i. p. verabreicht – eine um 25,3 ± 15,7% reduzierte Herzleistung. Die Messungen wurden fünfzehn Minuten nach der Triclosan-Injektion durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt wurde im Blut der Tiere eine Konzentration an freiem, nicht metabolisiertem Triclosan in Höhe von 0,31 ± 0,09 µM (ca. 90 µg/l) gemessen.

Um die möglichen Mechanismen dieser beobachteten Wirkung genauer zu untersuchen, führten die Wissenschaftler In-vitro-Experimente mit Kardiomyozyten und Skelettmuskelzellen durch. Triclosan wurde in einer Konzentration von 10 µM (= 2900 µg/l) ins Medium gegeben – also in einer Konzentration, die etwa 30-fach höher war als die, welche im Blut der Mäuse wenige Minuten nach der Injektion gemessen wurde. Die Kardiomyozyten wurden dann mit einer Frequenz von 1 Hz elektrisch stimuliert. Unter diesen Bedingungen waren sehr deutliche Effekte auf den Calciumtransienten feststellbar. Als Calciumtransient – in der Regel mit Ca2+-empfindlichen Fluoreszenzfarbstoffen gemessen – bezeichnet man die zeitliche Änderung der intrazellulären Calciumkonzentration im Verlaufe eines Kontraktions-Relaxations-Zyklus. Niedrigere Triclosan-Konzentrationen von 0,5 µM verursachten in isolierten, elektrisch stimulierten Skelettmuskelzellen eine Zunahme der Amplituden der Ca2+-Transienten, die doppelte Konzentration von 1 µM verursachte dagegen eine Abnahme dieser Amplituden innerhalb des Beobachtungszeitraums von 40 Minuten. Bei der in den anderen Experimenten eingesetzten Konzentration von 10 µM kam es innerhalb weniger Minuten zu einem raschen Abfall der Calciumtransienten-Amplitude, möglicherweise weil die Zellen bei diesen Konzentrationen bereits schwer geschädigt waren.


Prof. Dr. Ralf Stahlmann, Berlin, sieht keine Gefahr von Herz- und Muskelschäden bei Anwendung Triclosan-haltiger Körperpflegeprodukte.

Fragwürdige Tierversuche

Grundsätzlich sollte in tierexperimentellen Untersuchungen zur Toxikologie von Fremdstoffen der gleiche Expositionsweg gewählt werden, wie er für den Menschen relevant ist. Die bei narkotisierten Mäusen beobachteten Wirkungen von Triclosan auf die Herzmuskulatur wurden nach einer intraperitonealen Bolusinjektion von hohen Dosen festgestellt, während der Mensch den Stoff primär über die Haut oder auch oral aufnimmt, wenn etwa Triclosan-haltige Zahnpasta oder Mundwasser verschluckt werden. Darüber hinaus sind die Tierexperimente zum Teil methodisch fragwürdig – es ist sicher nicht sinnvoll, aus einer kleinen Gruppe von untersuchten Mäusen eine als "non-responder" herauszunehmen, damit die Ergebnisse statistisch signifikant werden. Um die Ergebnisse der zuvor beschriebenen Experimente besser einordnen zu können, sollen kurz die pharmakokinetischen Eigenschaften von Triclosan beschrieben werden.

Geringe Aufnahme über die Haut

Die Aufnahme des Stoffes über die Haut ist gering. Klinische Pharmakologen aus Köln behandelten freiwillige Versuchspersonen mit 60 g einer Salbe, die 2% Triclosan enthält, um die dermale Exposition zu untersuchen. Die empfohlene Dosis liegt bei zweimal täglich 2,5 g Salbe. Es wurden im Mittel etwa 6% der Substanz unter diesen Bedingungen über die Haut aufgenommen, bei bestimmungsgemäßer Dosierung hätte eine systemische Exposition von 0,084 mg/kg Körpergewicht resultiert. Dies zeigt, dass selbst bei extremer dermaler Anwendung ein sehr großer Abstand zu den tierexperimentell angewandten Dosierungen in Höhe von bis zu 40 mg/kg besteht.

Mundwasser verschluckt – ein Problem?

Wie ist die Exposition, wenn ein Mensch eine größere Menge Mundwasser verschluckt? Diese Frage wurde im Institut für Zahnheilkunde des Karolinska-Instituts in Schweden untersucht. Probanden schluckten 13 ml eines Mundwassers ("Colgate Total"), das 0,03% Triclosan enthält, die Dosis betrug damit 4 mg, bezogen auf das Körpergewicht der Probanden resultierten Dosierungen zwischen 42 und 78 µg/kg. Innerhalb von ein bis drei Stunden wurden bei den zehn Probanden Maximalwerte von 148 bis 354 µg/l im Plasma gemessen. Die Spitzenkonzentrationen im Blut lagen also unter diesen Bedingungen bei etwa 1 µM (= 290 µg/l). Das unkonjugierte, freie Triclosan machte in den ersten sechs Stunden der Untersuchung allerdings nur etwa ein Drittel der Gesamtkonzentration aus (ca. 50 bis 120 µg/l), bereits neun Stunden nach dem Verschlucken des Mundwassers lag die Konzentration der nicht metabolisierten Verbindung unter der Nachweisgrenze von 0,1 µg/l, glucuronidiertes Triclosan war dagegen noch nach vier Tagen nachweisbar.

Triclosan in Muttermilch

In der gleichen Arbeitsgruppe wurden bei 36 stillenden Frauen die Konzentrationen von Triclosan und seinen Metaboliten im Plasma und in der Milch gemessen. Im Plasma waren die Konzentrationen stets höher als in der Milch. Allerdings bestand eine sehr große Variabilität: Die Konzentrationen schwankten bei Frauen, die Triclosan-haltige Körperpflegeprodukte benutzten, zwischen 0,49 und 38 µg/l Blutplasma, mit einem Medianwert von 6,7 µg/l. Bei Frauen, die entsprechende Produkte nicht benutzten, war die Substanz im Blut ebenfalls nachweisbar, jedoch etwa 100-mal niedriger: Es resultierte ein Medianwert von 0,067 µg/l. Diese Werte beziehen sich auf die Summe von freiem und glucuronidiertem Triclosan, denn vor der Bestimmung durch Gaschromatographie und Massenspektrometrie wurden die Konjugate in den Proben hydrolysiert. Wie zuvor beschrieben wurde, liegt der ganz überwiegende Teil der Substanz im menschlichen Blut an Glucuronsäure gekoppelt und damit in biologisch inaktiver Form vor.

Fazit: kein erhöhtes myotoxisches Risiko

Ein erhöhtes Risiko für myotoxische Effekte beim Menschen durch Triclosan-haltige Produkte ist aus den publizierten Daten nicht abzuleiten. Die Versuche wurden mit freiem Triclosan in Konzentrationen von bis zu 2900 µg/l durchgeführt, im menschlichen Blut sind bei "normaler" Exposition durch Benutzung Triclosan-haltiger Körperpflegeprodukte nur sehr viel niedrigere Konzentrationen des Stoffes vorhanden, der darüber hinaus im Blut des Menschen in Form des inaktiven Glucuronids vorliegt.

Ökotoxikologische Risiken getrennt betrachten

Die Autoren beschreiben in der umfangreichen Publikation auch Wirkungen auf die Bewegungen von Fischen bei Konzentrationen von 0,52 µM. Ob diese Effekte unter ökotoxikologischen Aspekten von Bedeutung sein könnten, wurde in diesem Kommentar nicht berücksichtigt. Effekte bei Tieren, die nicht zu den Säugetieren gehören, sollten nicht für eine Risikoabschätzung möglicher toxischer Wirkungen beim Menschen herangezogen werden. Mögliche ökotoxikologische Risiken müssen getrennt bewertet werden.

Die Frage nach der Notwendigkeit

Eine weitere Frage muss abschließend gestellt werden: Ist es überhaupt sinnvoll, diese und ähnlich wirksame Stoffe zunehmend in diversen Körperpflegeprodukten, Haushaltsreinigern, Textilien usw. einzusetzen? Der Mensch lebt in Symbiose mit einer komplexen Mikroflora, und die häufige Verwendung von Stoffen, die hier eingreifen, sollte stets sehr kritisch hinterfragt werden. Ohne eindeutig erkennbaren Nutzen ist die Verwendung einer Chemikalie grundsätzlich nicht zu befürworten. Humantoxikologische Risiken sollten aber nicht als Argument verwendet werden, wenn über ökotoxikologische Aspekte, mögliche bakterielle Resistenzentwicklungen oder seltene allergische Reaktionen von Verbrauchern diskutiert wird.


Literatur

[1] Cherednichenko G et al.: Triclosan impairs excitation-contraction coupling and Ca2+ dynamics in striated muscle. PNAS Published online before print August 13, 2012, doi: 10.1073/pnas.1211314109 13. August 2012


Weitere Literatur beim Verfasser


Autor

Prof. Dr. med. Ralf Stahlmann, Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Luisenstr. 7, 10117 Berlin



DAZ 2012, Nr. 38, S. 58

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.