Arzneimittel und Therapie

Betablocker stehen auf dem Prüfstand

Der Nutzen von Betablockern wird in einer aktuellen Studie infrage gestellt. Ausgangspunkt der Forscher war es, die seit Jahrzehnten übliche Therapie mit Betablockern nach Herzinfarkt unter Berücksichtigung moderner therapeutischer Ansätze einer Prüfung zu unterziehen. Das Ergebnis ihrer Studie, in der Patienten mit KHK-Risiken, mit stabiler KHK und mit stabiler KHK nach einem Myokardinfarkt eingeschlossen waren, zeigte nicht durchweg den erwarteten Nutzen.
Bei einer stabilen koronaren Herzerkrankung zeigenBetablocker bei vielen Patienten keine kardioprotektive Wirkung,so das überraschende Ergebnis einer Auswertung des prospektiven REACH-Registers. Die Behandlung mit Betablockern im Zeitraum von drei bis vier Jahren war mit keiner Reduktion der Rate kardiovaskulärer Ereignisse assoziiert.  Foto: crimson – Fotolia.com

Zahlreiche Studien aus früheren Jahren belegen den Nutzen von Betablockern in der Nachsorge von Herzinfarktpatienten. Diese Ergebnisse wurden oft einfach auf andere Patientengruppen ohne vorhandene Evidenz übertragen. Aktuelle Studien zeigen, dass dieses Vorgehen vermutlich zu einer Überversorgung von Patienten geführt hat. Auch in der aktuell im Journal of the American Medical Association veröffentlichten Studie wird die weit verbreitete Standardtherapie mit Betablockern bei Patienten mit und ohne KHK-Risiken und bei Patienten nach einem Infarkt infrage gestellt. Insgesamt wurden 44.708 Patienten aus dem REACH-Patientenkollektiv (REACH: Reduction of Atherothrombosis for Continued Health) im Mittel über 44 Monate beobachtet. 14.000 dieser Patienten hatten nach Herzinfarkt eine stabile koronare Herzerkrankung (KHK), weitere 12.000 Patienten eine stabile KHK, jedoch bis dato keinen Herzinfarkt. Bei 18.700 ebenfalls in die Studie eingeschlossenen Patienten bestanden lediglich KHK-Risikofaktoren. Innerhalb dieser jeweiligen Patientengruppen wurden Paare gematcht, also ein direkter Vergleich bei möglichst identischen Ausgangsvoraussetzungen zwischen einem Patienten, in dessen Therapie ein Betablocker integriert ist, und einem Patienten, der nicht mit einem Betablocker versorgt wird, durchgeführt.

Nutzen nur für spezielle Patienten

Die primären Endpunkte der Studie waren Schlaganfall, Herzinfarkt oder ein durch ein kardiovaskuläres Ereignis ausgelöster Todesfall. Als sekundäre Endpunkte hatte die Forschergruppe Krankenhausaufenthalte wegen arteriosklerotischer Probleme oder Revaskularisierungseingriffe definiert. In keiner der drei beschriebenen Patientengruppen konnte ein signifikanter Rückgang kardiovaskulärer Ereignisse festgestellt werden. In spezifischen Untergruppen konnten jedoch Unterschiede identifiziert werden. So profitierten Patienten, die in den vergangenen zwölf Monaten einen Herzinfarkt erlitten hatten, von der Betablockereinnahme: Sie mussten weniger häufig stationär in einem Krankenhaus wegen ihrer Herz-Kreislauf-Erkrankung versorgt werden. Auch die Zahl der Revaskularisierungen fiel geringer aus. Bei Patienten mit einer stabilen KHK ohne Herzinfarktanamnese hingegen konnte eine häufigere Inanspruchnahme stationärer Versorgung und Revaskularisierung festgestellt werden, sofern diese Betablocker einnahmen. Für Patienten, die Betablocker einnahmen, weil bei ihnen mindestens drei kardiovaskuläre Risikofaktoren vorlagen, traten in signifikantem Umfang häufiger sowohl primäre als auch sekundäre Endpunktereignisse auf. Der Studiengruppe lagen nach eigenen Aussagen keine Informationen dazu vor, ob die Patienten mit Herzinfarkt in der Anamnese bereits vor diesem Betablocker eingenommen haben; auch Daten zur Dosis und um welchen Betablocker es sich im Einzelfall handelt, wurden in dem Patientenkollektiv nicht erhoben. Darüber hinaus fehlten zu den Patienten zahlreiche klinische Angaben wie Schweregrad der Herzinsuffizienz oder um welche Art von Herzinfarkt es sich handelte. Deshalb sind nach Einschätzung der Forscher weitere Untersuchungen notwendig. Dennoch sehen sie aufgrund ihrer Ergebnisse lediglich für herzinsuffiziente Patienten und für Herzinfarktpatienten in einem gewissen Nachsorge-Zeitraum einen hohen Nutzen der Betablockergabe.


Quelle

Bangalore, S. et al.: β-Blocker Use and Clinical Outcomes in Stable Outpatients With and Without Coronary Artery Disease. JAMA (2012) 308 (13), 1340 – 1348.


Apothekerin Dr. Constanze Schäfer, MHA



DAZ 2012, Nr. 42, S. 100

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