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Arzneimittel und Therapie
Depressive Arbeitnehmer erkennen und wertschätzen
Betroffene und Arbeitgeber rechtzeitig unterstützen
„Noch viel zu häufig werden depressive Erkrankungen zu spät erkannt und vorhandene Behandlungsmöglichkeiten unzureichend genutzt“, sagte Prof. Dr. Detlef Dietrich, Repräsentant der European Depression Association für Deutschland und Mitglied des wissenschaftlichen Gremiums der EDA. „Würden wir die Depression rechtzeitiger und häufiger diagnostizieren sowie eine rasche und nachhaltige Behandlung einleiten, wäre die Zahl der langfristig erkrankten Menschen deutlich geringer.“ In Deutschland erkranken circa 15% der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an einer Depression. Die Patienten leiden unter negativen Stimmungen, die von Antriebs- und Freudlosigkeit über Hoffnungslosigkeit bis zu Suizidgedanken reichen. Zusätzlich treten häufig Schlafstörungen und somatische Beschwerden auf. Diese greifen in das Privatleben und den Berufsalltag ein. Der IDEA (Impact of Depression at Work in Europe Audit)-Studie zufolge, bei der 7000 Arbeitnehmer und Manager aus sieben europäischen Ländern befragt wurden, betrug die durchschnittliche Anzahl der durch Depression bedingten Fehltage in Deutschland 41 Werktage pro Episode. 20% der Befragten gaben an, bereits einmal als depressiv diagnostiziert gewesen zu sein. Die im Rahmen der IDEA-Studie befragten Arbeitnehmer gaben an, dass Beratung, Beratungsdienste sowie ein gesetzlicher Schutz hilfreich wären. Weiterhin wurde auch ein Training für den Umgang mit Depression für alle Mitarbeiter, die Personalabteilung und Vorgesetzte als sehr nützlich eingestuft. Nur ein Drittel der Manager fühlte sich ausreichend über den Umgang mit depressiv erkrankten Mitarbeitern informiert. Damit Vorgesetzte eine Depression des Arbeitnehmers besser erkennen und darauf richtig reagieren können, ist es wichtig, richtig geschult zu sein. Dr. Hans-Peter Unger, Chefarzt des Zentrums für seelische Gesundheit, Asklepios Klinik Hamburg-Harburg, hob hervor, dass eine Schulung von Vorgesetzten nur sinnvoll sei, wenn es nach einem Mitarbeitergespräch im Betrieb Ansprechpartner gibt, an die sich Führungskräfte wenden können. Für eine Zusammenarbeit spielen Betriebsärzte, Personalabteilung, betriebliche Sozialarbeiter und externe Employee Assistance Programme (EAP) eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus ist eine enge Kooperation zwischen Betriebsärzten und psychiatrisch/psychosomatischen Versorgungssystemen essenziell. Dazu zählen niedergelassene Ärzte, Psychotherapeuten oder Institutsambulanzen. Das Ziel der engen Zusammenarbeit: lange Wartezeiten vermeiden, um eine passende Behandlung schnellstmöglich zu beginnen.
Auf Arbeitsqualität und -quantität selbst achten
Optimal wäre es, wenn betroffene Mitarbeiter selber überlastende Aufgabenstellungen erkennen und Vorgesetzte ansprechen. Die Beschäftigten sollten sich genügend Zeit zum Entspannen einräumen, professionelle Unterstützung nutzen und zudem soziale sowie emotionale Hilfe von Freunden oder Familienmitgliedern annehmen. „Ein geeigneter Arbeitsplatz kann stabilisieren und wie ein Antidepressivum wirken“, so Prof. Dr. Detlef E. Dietrich, ärztlicher Direktor des Ameos Klinikum Hildesheim. Vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz können mit Vorgesetzten, Betriebsarzt und der Personalabteilung die Aufgabenbereiche und Anforderungen an den Mitarbeiter festgelegt werden, so dass dieser weder über- noch unterfordert wird. Dabei ist eine stufenweise Wiedereingliederung wichtig. Insbesondere bei längerer Arbeitsunfähigkeit ist der Wiedereingliederungsprozess entscheidend, der bereits mit dem Beginn der Behandlung des depressiv Erkrankten eingeleitet werden sollte. Geben Vorgesetzte in regelmäßigen Abständen den Betroffenen eine Rückmeldung, so kann das unterstützend wirken und das Selbstbewusstsein durch Anerkennung und Wertschätzung der geleisteten Arbeit fördern.
Aktionsnetz „Depression am Arbeitsplatz“
„Wissensdefizite seitens der Betroffenen und der Personalverantwortlichen in den Betrieben bezüglich der Symptome und Ursachen der Depression sowie ihrer Auswirkungen auf das Arbeits- und Sozialverhalten sind oft Ursache für eine verspätete oder suboptimale Behandlung“, so Priv.-Doz. Dr. Christine Rummel-Kluge, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Geschäftsführerin der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Daher bietet die Stiftung Deutsche Depressionshilfe mit dem Aktionsnetz „Depression am Arbeitsplatz“ Führungskräften und Gesundheitsverantwortlichen in Schulungen Hilfestellungen. So werden in Rollenspielen Gespräche mit depressiv erkrankten Mitarbeitern geübt, um die Vorgesetzten besser auf die Konfrontation mit Betroffenen im realen Arbeitsleben vorzubereiten.
Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen
Oftmals führt eine Langzeitarbeitslosigkeit zu einer Depression. Diese psychische Erkrankung wiederum erschwert eine Reintegration in den Arbeitsmarkt. Die Arbeitsplatzsuche wird durch die krankheitsbedingte Antriebslosigkeit und das verringerte Selbstbewusstsein erschwert. Modellprojekte in München und Leipzig, in denen Arbeitsagenturen vor Ort das Programm „Psychosoziales Coaching“ zusätzlich anbieten, zeigten, dass Langzeitarbeitslosen mit Depression geholfen werden kann. Über 90% der Erkrankten waren unbehandelt oder erhielten keine leitlinienkonforme Behandlung. Ziele dieses Coachings sind die psychiatrische/psychotherapeutische Versorgung zu verbessern und die psychische Gesundheit und Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit zu steigern. So kann dazu beigetragen werden, dass die Klienten wieder auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe unterstützt eine bundesweite Ausweitung der Modellprojekte „Psychosoziales Coaching“.
Quelle
IDEA: Impact of Depression at Work in Europe Audit Final report. www.europeandepressionday.com
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