Feuilleton

Pflanzenbücher von gestern

Ausstellung in Leipzig

Die Universitätsbibliothek Leipzig stellt bis zum 30. März 50 illustrierte Pflanzenbücher aus dem Vermächtnis des Rittergutsbesitzers Rudolph Benno von Römer (1803 – 1871) aus. Damit ehrt sie einen ihrer Förderer und veranschaulicht zugleich den Kenntnisstand der Botanik im 18. und 19. Jahrhundert.

Rudolph Benno von Römer

Die Prachtkerzen aus Nordamerika gehören zu den Nachtkerzen; hier Oenothera gaura syn. Gaura biennis aus Philipp Caspar Junghans: „Icones plantarum officinalium ad vitam impressae“, Halle 1787. In Deutschlands Gärten wächst vor allem die Art Oenothera lindheimeri.

Als Spross eines sächsischen Adelsgeschlechtes besaß von Römer das Rittergut Löthain bei Meißen und war von 1836 bis 1864 Abgeordneter im sächsischen Landtag. Im Privatleben war er ein passionierter Botaniker. Er trug eine botanische Bibliothek mit 2600 Bänden – viele davon sehr aufwendig illustriert – zusammen, die er testamentarisch der Universitätsbibliothek Leipzig vermachte; ebenso sein Herbarium und eine Autografensammlung. Zudem stiftete er der Universität einen beträchtlichen Geldbetrag, mit dessen Zinsen ein Kustos für das Herbarium besoldet sowie „Prämien für eine botanische Preisaufgabe bzw. ein Stipendium für einen Botaniker, welcher im Interesse der naturhistorischen Sammlungen der Universität eine Reise macht“, bereitgestellt werden sollten.

Schon zuvor hatte von Römer eine zweijährige Expedition des Leipziger Botanikers Heinrich Moritz Willkomm (1821–1895) zur Erforschung der Iberischen Halbinsel großzügig unterstützt.

Botanikprofessor Gustav Kunze

1821 hatte von Römer sich an der Universität Leipzig zum Studium der Rechtswissenschaften immatrikuliert. Zwei Nachschriften von botanischen Vorlesungen seines späteren Freundes Gustav Kunze (1793–1851) zeigen indessen, wo seine persönlichen Interessen lagen.

Kunze hatte nach dem Medizinstudium eine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen: 1822 wurde er zum außerordentlichen Professor für Medizin und einige Jahre später zum Kurator und Bibliothekar an der Vereinten Gehlerschen Medicinischen Bibliothek zu Leipzig berufen. Ab 1835 war er außerordentlicher (ab 1845 ordentlicher) Professor für Botanik, und seit 1837 Direktor des Botanischen Gartens der Universität Leipzig. 1840/1851 publizierte Kunze das zweibändige Standardwerk „Die Farnkräuter, in colorirten Abbildungen naturgetreu erläutert und beschrieben“. Als Pharmakognost verfasste Kunze mit Friedemann Göbel (1794–1851) eine „Pharmaceutische Waarenkunde“ (2 Bände, 1827/1834). Heinrich Gottlieb Ludwig Reichenbach (1793–1879), Direktor des botanischen Gartens in Dresden, benannte ihm zu Ehren die australische Pflanzengattung Kunzea (Myrtaceae).

Pflanzenporträts

Die Buchillustrationen der Ausstellung spiegeln sowohl die Entwicklung der botanischen Wissenschaften als auch der Druckgrafik wider. Die kolorierten Kupferstiche des späten 18. Jahrhunderts bestechen durch ihre Vollkommenheit bis ins kleinste Detail. In den besten Werken ist der wissenschaftliche Informationswert nicht weniger groß als die ästhetische Qualität. Die Erfindung der Lithografie um 1800 ermöglichte detailgetreue Darstellungen in weitaus höheren Auflagen als beim Kupferstich, doch die Kehrseite dieses Fortschritts war oft ein geringerer künstlerischer Wert.

Abbildungen von „Fremden Schönheiten“ lassen die Fülle der Pflanzenarten erahnen, die seit dem 18. Jahrhundert auf Expeditionen gesammelt wurden und in die botanischen Gärten und Gewächshäuser Europas gelangten. Die meisten der ausgestellten Bücher betreffen jedoch die Flora Europas. Dabei wird deutlich, dass ursprünglich die Pharmakognosie – d.h. das Wissen über Arzneipflanzen und Arzneidrogen – vorherrschend war. Neben die angewandte Botanik traten seit dem 18. Jahrhundert andere wissenschaftliche Aspekte: So studierte man in botanischen Gärten den Vegetationszyklus und die Fortpflanzung einzelner Spezies. Damit einher ging die Erforschung des „natürlichen Systems“ der Pflanzen. Ein Teil der Ausstellung ist den „Frühlingsboten“ gewidmet. Denn die Illustratoren aller Epochen haben die Blüten jener Pflanzen, die ihre Energie in Zwiebeln speichern und im zeitigen Frühjahr daraus ein wahres „Blütenfeuerwerk“ entfachen, stets besonders liebevoll und aufwendig koloriert. 

Scharfer Rittersporn oder Stephanskraut(Delphinium staphisagria), Kupferstich aus der „Flora Graeca” von John Sibthorp (10 Bände, Oxford 1806–1840). Im Gegensatz zu anderen Arten der Gattung ist der Blütensporn nur sehr kurz. Typisch sind die verschiedenartigen Laubblätter sowie die Behaarung des Stängels und der Blatt- und Blütenstiele.
Mäusedorn(Ruscus aculeatus) aus Giorgio Bonelli: „Hortus romanus juxta systema Tournefortianum paulo strictus distributus“, Band 1, Rom 1772. Das Pflanzensystem von Joseph Pitton de Tournefort war damals weiter verbreitet als dasjenige von Linné. – Das besondere Merkmal des Mäusedorns, die Phyllokladien mit Blüten und Früchten, ist hier nur wenig ansprechend dargestellt.
Christrose(Helleborus niger) aus Friedrich Dreves und Friedrich Gottlob Hayne: „Botanisches Bilderbuch für die Jugend und Freunde der Pflanzenkunde“, 5 Bände, Leipzig, 1794–1819. Die beliebte Gartenpflanze ist in der freien Natur nur selten anzutreffen.

Ausstellung

Universitätsbibliothek Leipzig, Fürstenzimmer

Beethovenstr. 6, 04107 Leipzig

www.ub.uni-leipzig.de/ roemersgarten

Geöffnet: Täglich von 8 bis 18 Uhr

Katalog: 92 Seiten, 19,60 €, ISBN 978-3-86583-826-1

Reinhard Wylegalla

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