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Dermatologie
Das Wechselspiel von Haut und Psyche
Wie die Seele die Haut beeinflusst – und umgekehrt
Unverarbeitete emotionale Konflikte wirken sich vor allem bei chronischen Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Psoriasis negativ auf die Haut aus, verursachen Krankheitsschübe oder verstärken bestehende Probleme. Aber auch kranke Haut kann wiederum zur seelischen Belastung und zum Auslöser für psychische Erkrankungen werden – ein wahrer Teufelskreis entsteht.
Die Haut – unsere Visitenkarte
In vielfältiger Weise reflektiert die Haut das seelische Befinden sowie die körperliche Verfassung. Die Haut als „Spiegel der Seele“ stellt bereits im Volksmund die Schnittstelle zwischen Körper und Seele dar. Der Ausdruck innerer Konflikte findet sich in vielen Redensarten: dünnhäutig oder dickhäutig sein, eine ehrliche Haut sein, sich nicht wohlfühlen in seiner Haut, aus der Haut fahren wollen, wir können nicht aus unserer Haut heraus, das geht uns unter die Haut etc. Einige Gefühle und Reaktionen zeigen sich sehr deutlich nach außen: Man wird rot vor Scham und blass vor Schreck, man schwitzt vor Aufregung, die Haare sträuben sich vor Entsetzen oder wir bekommen eine Gänsehaut. Über die Haut treten wir in Kontakt zur Außenwelt, sie ist ein wichtiges Kommunikationsmedium. Hierbei spielt die Ästhetik eine entscheidende Rolle. Steht glatte, reine Haut als Ausdruck für allgemeine Gesundheit und Attraktivität, so löst eine sichtbar kranke Haut Gefühle von Ablehnung, Unsicherheit und Ekel aus, provoziert im sozialen Umfeld die Furcht vor Ansteckung und damit häufig Antipathie. Patienten mit Hauterkrankungen müssen sich daher nicht nur mit den unmittelbaren Folgen der Erkrankung auseinandersetzen, sondern auch mit den dadurch bedingten Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen.
Meist sichtbare, vor allem entstellende Hautveränderungen wirken sich auf die Persönlichkeit des Betroffenen aus und beeinflussen das Selbstbewusstsein der Patienten. Auf reale oder gefühlte Stigmatisierung reagiert der Patient mit Kontaktängsten und sozialem Rückzug, er hat Angst vor Abwertung durch seine Mitmenschen. Chronische Hauterkrankungen werden von den Betroffenen oft als hochgradig belastend erlebt. Dies kann bei entsprechender Disposition zur Manifestation psychischer Störungen führen. Mehr als 30% aller Patientinnen und Patienten dermatologischer Kliniken zeigen psychische Auffälligkeiten und Störungen [1].
Definition Psychosomatische Dermatologie
Die psychosomatische Dermatologie beschäftigt sich mit Hautkrankheiten (Neurodermitis, Psoriasis, Kontaktdermatitis, Akne, Urtikaria etc.), bei denen psychosoziale Ursachen, Folgen oder Begleitumstände (Partnerschaft, Familie, Beruf) einen wesentlichen Einfluss auf die Erstmanifestation, die Ausprägung oder den Verlauf der Hautsymptomatik haben. Dermatosen werden in dieser Hinsicht unter einem bio-psychosozialen Modell ganzheitlich gesehen. Neben den psychosozialen Auslösemechanismen befasst sich die psychosomatische Dermatologie mit der Krankheitsverarbeitung von Hauterkrankungen und schließt auch die Auswirkungen der Hautveränderungen auf die Beziehung zwischen dem hautkranken Menschen und seiner sozialen Umgebung mit ein [2].
Psychosomatische Gesichtspunkte
Hautkrankheiten können nicht nur nach rein dermatologischen, sondern auch nach psychosomatischen Aspekten eingeteilt werden. Neben Dermatosen und psychischen Erkrankungen, die ohne Zusammenhang nebeneinander bestehen (Koinzidenz), lassen sich in der psychosomatischen Dermatologie drei Hauptgruppen unterscheiden [3]:
- Hauterkrankungen, die auf psychische Störungen zurückgehen, z.B. Artefakte, Trichotillomanie, Dermatozoenwahn, somatoforme Störungen (Befindlichkeitsstörungen, hypochondrische Aspekte), körperdysmorphe Störungen (Entstellungssyndrom) und andere. Hier steht primär die psychische Störung im Vordergrund, somatische Beschwerden treten sekundär hinzu.
- Dermatosen mit multifaktorieller Grundlage, deren Verlauf psychischen Einflüssen unterliegt (psychosomatische Krankheitsbilder): Psoriasis, Neurodermitis, Akne, chronische Formen der Urtikaria, Prurigo simplex subacuta, Hyperhidrose und andere.
- Psychische Störungen infolge von schweren oder entstellenden Dermatosen (somatopsychische Krankheitsbilder): Anpassungsstörung sowie Depression und Angststörung. Hier steht primär die Hauterkrankung im Vordergrund und sekundär kommen psychische Störungen dazu. Derartige somatopsychische Störungen treten besonders bei chronischen Hauterkrankungen auf, die in sichtbaren Regionen lokalisiert sind (Kopf, Hände etc.) und daher mit einer Einschränkung des Selbstwertgefühls einhergehen.
Psychologische Faktoren und atopische Dermatitis
Die atopische Dermatitis ist eine multifaktorielle, chronisch entzündliche Hauterkrankung, die vor allem im Kindesalter auftritt. Sie gilt heute als Prototyp psychosomatischer Reaktionen und ist in dieser Hinsicht auch die am besten wissenschaftlich untersuchte Erkrankung. Neben verschiedenen anderen Auslösern (Unverträglichkeit von Nahrungsmitteln, Textilien, allergenhaltigen Pflegeprodukten u.a.) scheinen immunologische Dysfunktionen und psychologische Faktoren wie Stress eine wichtige Rolle zu spielen. So deuten psychoneuroimmunologische Studien bei Neurodermitis-Patienten auf eine Dysfunktion der Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und des sympathischen Nervensystems unter Belastung hin [4]. Bei Kindern mit Neurodermitis konnte unter Stressbelastung eine verminderte Ausschüttung von freiem Cortisol als Antwort auf psychosozialen Stress nachgewiesen werden [5]. Diese Beobachtung einer verminderten endogenen Cortisol-Ausschüttung könnte ein möglicher Erklärungsansatz für die häufig beschriebene stressbezogene Exazerbation der Hautsymptome sein.
Darüber hinaus können lebensverändernde Ereignisse wie alterstypische Krisen beim Übergang vom Elternhaus in den Kindergarten, in die Schule, familiäre Konflikte oder berufliche Überlastungen Juckreiz hervorrufen bzw. die Juckreizschwelle herabsetzen [6].
Psychosoziale Belastung
Folgende Faktoren können die psychosoziale Belastung bei Hauterkrankungen abschwächen oder verstärken [24]:
krankheitsbezogene Faktoren
- Art der Hautveränderungen
- Lokalisation und Sichtbarkeit der Hautveränderungen
- Ätiologie (genetische Disposition, Eigen- oder Fremdverursachung)
- Verlauf (akut, rezidivierend, subchronisch, chronisch)
- Prognose (Grad der Chronizität, Letalität)
- Therapiemöglichkeiten
intrapsychische Faktoren
- emotionale Stabilität/Instabilität
- Stressreagibilität/Stressresistenz
- Krankheitsbewältigungskompetenz
- krankheitsbezogene Kognitionen
- Krankheitsmodell
- krankheitsbezogene Emotionen (Scham, Schuld, Verzweiflung, Ärger, Hilflosigkeit etc.)
- Selbstwertgefühl
- Körperbild
- Integration der Erkrankung in das Körperbild
- Kontrollüberzeugung
soziale Faktoren
- Stabilität persönlicher Beziehungen (Partnerschaft, Freundschaft)
- soziale Unterstützung
- Arzt-Patient-Beziehung
Belastungsquellen bei atopischer Dermatitis
Der am meisten belastende Faktor bei der Neurodermitis ist zweifelsohne der quälende Juckreiz, der bei bis zu 60% der Betroffenen ein gestörtes Schlafverhalten bewirkt [7]. Der Schlafmangel wiederum führt zu Müdigkeit, oftmals auch zu einer gesteigerten Reizbarkeit, geringer Konzentrationsfähigkeit sowie zu Wutausbrüchen. Darüber hinaus bedeutet das sichtbar veränderte Erscheinungsbild der Haut für den Patienten oft Stress in erheblichem Ausmaß. Die Betroffenen fühlen sich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt und neigen zu Depressivität oder sozialem Rückzug [8]. Viele chronisch kranke Kinder und Jugendliche mit Neurodermitis belastet ihre Erkrankung in sozialen Situationen (angesprochen und angestarrt werden, Hänseleien und Ablehnungen) [9]. Subjektiv werden dabei Einschränkungen in Schule und Freizeit meistens schwerwiegender als die Erkrankungen selbst empfunden. Hier sind die Eltern gefragt, um ihren Kindern das nötige Selbstbewusstsein zu vermitteln bzw. mit Betreuern oder anderen Erwachsenen klärende Gespräche zu führen.
Krankheitsbewältigung bei Neurodermitis
Um den Teufelskreis von Anspannung und Hautekzemen zu durchbrechen, können verschiedene Methoden zur Stressbewältigung hilfreich sein. Sie sollten einen festen Platz im Tagesgeschehen einnehmen:
- Entspannungstechniken (autogenes Training, Yoga, progressive Muskelentspannung nach Jacobsen) ermöglichen Eltern und Kindern, leichter mit Stress und Kratzverlangen umzugehen.
- Massagen im Säuglingsalter lockern die Muskulatur und fördern einen intensiven Hautkontakt mit dem Kind.
- Das Kratzverlangen lässt sich mit geeigneten Techniken (z.B. bewusste Kontrolle des Reflexes durch starke Konzentration) unterbinden.
- Dem Kind sollte ein geregelter Tagesablauf vorgegeben werden mit Möglichkeiten, sich abzureagieren (Toben im Garten etc.) und mit Pausen für einen Nachholschlaf.
- Der Tag sollte ruhig ausklingen. Empfehlenswert ist ein festes Einschlafritual (Singen, Vorlesen), welches das Kind vom Juckreiz ablenkt und ihm Geborgenheit vermittelt.
- Eltern sollten möglichst gelassen bleiben, da sich Stress auf die Kinder überträgt.
Von großer Bedeutung ist das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern. Es sollte von Ehrlichkeit und Vertrauen geprägt sein. Eltern sollten unbedingt eine Überbehütung vermeiden und stattdessen den selbstständigen Umgang des Kindes mit dem Juckreiz fördern. Weiterhin sollten sie das Kind darin bestärken, dass Neurodermitis kein persönlicher Makel ist und es sich deshalb nicht vor anderen Kindern verstecken muss. Die Hautkrankheit sollte vielmehr zum Alltag gehören, in dem regelmäßiges Eincremen der Haut ein festes Ritual darstellt. Eltern sollten sich immer Zeit zur Entspannung nehmen und den Hautkontakt mit ihrem Kind pflegen, um durch die Berührung Geborgenheit zu vermitteln. Zu einer guten Behandlung des atopischen Ekzems gehört auch stets die Unterstützung der Eltern, insbesondere der mitleidenden Mütter, deren Gemütszustand durch die außer Kontrolle geratene Krankheit des Kindes und die aufreibende Pflege beeinträchtigt ist. Mit zunehmendem Alter der Betroffenen treten neben dem familiären Umfeld zunächst der schulische Kontext und dann das berufliche Umfeld in den Vordergrund.
Umfassende Therapie
Während der Therapie muss der Patient – bzw. die Eltern als Stellvertreter für ihre kranken Kinder – spüren, dass er als kompetenter Partner im Umgang mit der Erkrankung wahrgenommen wird, dass sich der Therapeut mit der Erkrankung auskennt und keine Überforderung oder gar Aversion erkennen lässt. Um zu erreichen, dass sich die Betroffenen wegen der immer wiederkehrenden Schübe nicht hilflos der Krankheit ausgeliefert fühlen, sollten ihnen konkrete Verhaltensmaßnahmen an die Hand gegeben werden. Neben der dermatologischen Behandlung gilt es, den Juckreiz-Kratz-Teufelskreis zu unterbrechen. Hier können die Patienten selbst aktiv werden und ein sogenanntes „Kratz-Tagebuch“ führen. Anhand der Eintragungen kann deutlich werden, in welchen Situationen der Juckreiz und damit das Kratzen auftreten. So lassen sich psychische und allergische Einflüsse besser unterscheiden sowie subjektive Stressfaktoren feststellen und meiden. Zudem können psychotherapeutische Interventionen wie Stressmanagement, Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder eine Neurodermitisschulung zu einer deutlich verbesserten Hautsymptomatik führen [10].
Die Haut als Schutzpanzer: Psoriasis
Die Psoriasis vulgaris soll als Beispiel dienen für eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, bei der vor allem Erwachsene mit psychosozialen Belastungen konfrontiert werden. Mit einer Prävalenz von 2 % leiden in Deutschland etwa 1,5 Millionen Menschen an Schuppenflechte [11]. Diese genetisch prädisponierte Erkrankung kann durch mechanische Reizungen, Infektionen oder Arzneimittel ausgelöst werden, aber auch durch verschiedene psychosoziale Provokationsfaktoren [12]. Zu den psychosozialen Beeinträchtigungen liegen zahlreiche Studien vor, die die Schwierigkeiten im sozialen Umfeld und das daraus resultierende Stigmatisierungserleben der Patienten umfassen sowie das Auftreten von psychischen Störungen (z.B. Depression) [13].
Die Schuppenflechte ist zwar gutartig und nicht ansteckend, allerdings haben viele Patienten so ausgeprägte Symptome, dass sie hinsichtlich ihrer Lebensqualität extrem eingeschränkt sind und die Krankheit ähnlich schlimm empfinden wie einen Diabetes mellitus oder einen Herzinfarkt [14]. In einer umfangreichen Befragung von 3755 Patienten empfanden sich 45% der Befragten durch die Erkrankung problematisch und 25% sogar stark psychosozial belastet, vor allem bei der Kleiderwahl, beim Friseur, im Schwimmbad, beim Sport sowie im Sexualleben [15]. Bereits bei geringer objektiver Krankheitsschwere war eine erhebliche psychosoziale Beeinträchtigung feststellbar. Die Stigmatisierungsgefühle scheinen hauptsächlich durch die Angst vor der negativen Bewertung durch andere Personen ausgelöst zu werden.
Nicht selten fühlen sich die Betroffenen sozial ausgegrenzt. So mag es nicht verwundern, dass Patienten mit schwerer Psoriasis vermehrt an Depressionen leiden und laut Studien mehr Antidepressiva als die Normalbevölkerung einnehmen [16]. Das gehäufte Auftreten von Alkoholabhängigkeit, Adipositas, Depression und Suizid, das bei Psoriatikern immer wieder ins Auge fällt, ist vielfach im Zusammenhang mit der Schwere der konflikthaften Krankheitsverarbeitung zu sehen [17, 18].
Auslösefaktoren bei Psoriasis
Hautrezidiven gehen oft Belastungssituationen voraus. Zu diesen zählen nicht nur die sogenannten kritischen Lebensereignisse wie Krankheit oder Tod eines Angehörigen, sondern auch alltägliche Stresssituationen (z.B. Prüfungsphasen oder Probleme am Arbeitsplatz) sowie seelische Konflikte. Oft entspricht die gefühlte Belastung nicht anderen Krankheitsparametern wie dem Prozentsatz der befallenen Körperoberfläche. Auch bei nur kleinflächigen Hautveränderungen werden mitunter starke Einschränkungen und erheblicher Leidensdruck empfunden [19].
Ähnlich wie bei der Neurodermitis scheinen endokrinologische und immunologische Reaktionen durch Stress triggerbar zu sein. Demnach können psychosoziale Faktoren über enge anatomische und funktionelle Verknüpfungen zwischen dem zentralen Nervensystem und dem Immunsystem einen modulierenden Einfluss auf die immunologischen Prozesse ausüben [20].
Krankheitsverarbeitung bei Psoriasis
Wie bei den meisten Hauterkrankungen hat auch bei der Psoriasis das Beziehungsleben zu sich und anderen Auswirkungen auf die Hauterscheinungen. In einer Studie [22] wurde untersucht, inwiefern die Betroffenen den Eindruck hatten, ihre Erkrankung selbst beeinflussen zu können. Diejenigen, die das Gefühl hatten, die Probleme des Lebens selbst meistern zu können, entwickelten deutlich später einen neuen Psoriasis-Schub als diejenigen, die sich der Erkrankung hilflos ausgeliefert fühlten.
Eine adäquate Krankheitsverarbeitung ist also sehr wichtig. Die Kontaktaufnahme zu einer Selbsthilfegruppe kann helfen, mit der Krankheit selbstbewusster umzugehen. Häufig führt der Austausch mit anderen Betroffenen dazu, dass sich Psoriatiker besser akzeptieren und Anregungen erhalten, neue Wege zu gehen. Auch strukturierte Schulungsprogramme bieten eine gute Unterstützung. Experten geben in Kleingruppen praktische Hinweise zum eigenständigen Umgang mit der veränderten Haut, zur Hautpflege wie auch zum „Stressabbau“. Während der stationären Rehabilitation werden Patientenschulungen routinemäßig durchgeführt, im ambulanten Bereich nur in einzelnen Zentren. Selbsthilfeorganisationen wie der Deutsche Psoriasis Bund bieten aber umfangreiche Beratungen für Patienten an. Schwerpunkte werden hierbei gesetzt auf Informationen zu den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und zur täglichen Pflege, Entspannungstechniken, Selbstsicherheitstraining, Aufklärung über die Rolle der Vererbung und Informationen zum Thema Ernährung.
Krankheitsbewältigung psychosomatischer, stressassoziierter Hauterkrankungen
Im Vergleich zu Hautgesunden finden sich sowohl bei Neurodermitis-, als auch bei Psoriasis-Patienten als Persönlichkeitscharakteristika gehäuft eine erhöhte Ängstlichkeit, eine gesteigerte Stressvulnerabilität in sozialen und beruflichen Konfliktsituationen sowie ein geringer Glauben an die Selbstwirksamkeit [23]. Jedoch erleben nicht alle Betroffenen ihre sichtbaren Hautsymptome als gleich belastend, sondern es bestehen deutliche individuelle Unterschiede in der Bewertung und der Bewältigung der Krankheit und der mit der chronischen Dermatose einhergehenden psychosozialen Belastungen. Hierbei spielt die persönliche Stressbewältigungskompetenz eine entscheidende Rolle, aber auch, wie der Betroffene selbst sowie seine Familie und Freunde mit der Erkrankung umgehen. In einer Reihe von Studien hat sich gezeigt, dass weniger die medizinische Diagnose den Umgang mit der Erkrankung determiniert als vielmehr die Frage, wie vorhersagbar der Verlauf der Erkrankung erscheint, wie stark die funktionellen Einschränkungen den Alltag des Betroffenen und seiner Familie belasten, vor allem aber wie sichtbar die Krankheitssymptome sind. Patienten, deren Hautveränderungen bevorzugt im Gesicht oder an den Händen lokalisiert sind, fühlen sich stärker sozial stigmatisiert und von der ästhetischen Norm abweichend. Weitere psychologisch relevante Faktoren sind Alter und Geschlecht des Patienten sowie persönliche und zwischenmenschliche Risiko- und Schutzfaktoren [24].
Fazit
Eine chronische Dermatose kann nicht rein auf die medizinische Problematik reduziert werden, denn psychosoziale Belastungen treten bei vielen Betroffenen mit Hauterkrankungen gehäuft und intensiviert auf. Sie beeinflussen den Krankheitsverlauf in vielfältiger Weise und stellen daher eine besondere Herausforderung in der Versorgung dar [24]. Zu berücksichtigen sind bei der Behandlung die jeweiligen Persönlichkeitsaspekte, Bewältigungsstrategien sowie der individuelle Lebensstil. Für ein effektives Krankheitsmanagement bedürfen die Patienten neben der dermatologischen Therapie einer bedarfsgerechten Beratung und Betreuung, aber auch der Unterstützung sowie Akzeptanz durch das soziale Umfeld. Je mehr die Patienten in ihre Umwelt integriert sind, desto besser ist die sekundäre Krankheitsverarbeitung, desto unwahrscheinlicher eine Entstellungsproblematik.
Quellen
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[2] AWMF-S2-Leitlinie Nr. 013/024: Psychosomatische Dermatologie, Stand der letzten Aktualisierung: 10/2006.
[3] Faust V. Haut und seelische Störungen. www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/haut.html
[4] Buske-Kirschbaum et al. Altered responsiveness of the hypothalamus-pituitary-adrenal axis and the sympathetic adrenomedullary system to stress in patients with atopic dermatitis. J Clin Endocrinol Metab (2002) 87(9): 4245-4251.
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[25] Winterhagen I. Beratungspraxis Neurodermitis, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2011.
[26] Winterhagen I. Beratungspraxis Psoriasis, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2011.
Autorin
Ines Winterhagen hat in Marburg Pharmazie studiert und ist seit der Approbation 2003 in der öffentlichen Apotheke tätig. Sie ist Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Homöopathie und Naturheilkunde. In der Reihe „Beratungspraxis“, die im Deutschen Apotheker Verlag erscheint, schrieb sie die Bücher „Neurodermitis“ und „Psoriasis“. Sie ist Referentin und Mitglied im Weiterbildungsausschuss der LAK Baden-Württemberg.
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