INTERPHARM 2014 - Mikronährstoffe

Die Mikronährstoff-Räuber

Mit medikationsorientierter Supplementierung gegen negative Effekte der Pharmakotherapie

hb | Uwe Gröber, Essen, bedauert, dass die negativen Auswirkungen der Pharmakotherapie auf den Mikronährstoffhaushalt immer noch zu wenig beachtet werden. Dabei könnten die potenziellen gesundheitlichen Risiken für den Patienten durchaus mithilfe gezielter Interventionen verringert werden. Wie dies geschehen kann, machte er an Beispielen verschiedener Wirkstoffe und Therapien fest.
Uwe Gröber: „Vitamin D-Einnahme, weil es gut ist, davon halte ich gar nichts. Wir messen immer.“

Arzneimittel und Mikronährstoffe benutzen im menschlichen Organismus bei der Absorption, Metabolisierung und Elimination die gleichen Transport- und Stoffwechselwege (Abb.).

So besteht immer das Risiko, dass Pharmaka mit dem Stoffwechsel essenzieller Mikronährstoffe interagieren. Diese sind wichtige Biokatalysatoren. Kaum ein physiologischer Prozess des Körpers läuft ohne ihre Beteiligung ab. Eine Beeinträchtigung des Mikronährstoffstatus bleibt deshalb langfristig im Intermediärstoffwechsel nicht ohne Folgen.

Mitochondrien schützen

Viele Arzneimittel wirken toxisch auf Mitochondrien, die die Nahrungs- in Zellenergie transformieren. Mitochondriale Schäden durch Arzneimittel betreffen daher Organe mit hoher Stoffwechselaktivität, wie

  • Leber (z.B. Leberverfettung),
  • Nieren (z.B. Nierenversagen),
  • Pankreas (z.B. Diabetes),
  • Herz (z.B. Kardiomyopathie),
  • ZNS (z.B. Neuropathien, kognitive Störungen),
  • Skelettmuskulatur (z.B. Myopathien, Rhabdomyolyse)

Hieraus hat sich eine neue Therapieform entwickelt, die mitochondriale Medizin. Sie basiert darauf, die Mitochondrien zu schützen und fehlerhafte Prozesse durch eine gezielte Nährstofftherapie zu beheben.

Anhand von Fallbeispielen für die Apothekenpraxis illustrierte Gröber relevante Interaktionen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen und gab Ratschläge für ein rationales Nebenwirkungsmanagement entsprechender Arzneistoffe.

Unstrittig ist für ihn mittlerweile, dass Krebspatienten im Hinblick auf die Therapieeffizienz und die Lebensqualität von einer adjuvanten Therapie mit Vitamin D, Selen und L-Carnitin profitieren können (Tabelle).

Die Empfehlung „keine Antioxidanzien während der Chemotherapie“ bezeichnete Gröber als „an den Haaren herbeigezogen“. Vielmehr verbessern diese die Lebensqualität der Patienten und verstärken teilweise auch die Wirkung der Therapie. Aus randomisierten Studien mit Cyclophosphamid, Methotrexat, 5-Fluorouracil (CMF) plus Vitamin C, Anthrazyklinen (Doxorubicin, Daunorubicin) plus Coenzym Q10 und Cisplatin/ Cyclophosphamid plus Selen haben sich günstige Effekte hinsichtlich der Tumorresponse, eines protektiven Effektes auf kardiale Funktionen bzw. eines signifikanten Anstiegs der Leukozyten und einer Reduktion der meisten Nebenwirkungen, gezeigt. Für die Apotheke empfiehlt Gröber, sich die Medikation des jeweiligen Patienten anzuschauen und hiernach eine adäquate Zusatzmedikation auszuwählen.

Genauso profitieren Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus von der medikationsorientierten Supplementierung von Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren, Magnesium, Vitamin B12 und Coenzym Q10.

Bei Statinen, die ein moderat erhöhtes Diabetes-Risiko verursachen und mit Nierenversagen in Verbindung gebracht werden, sollte das Nebenwirkungsmanagement auf die Substitution von Coenzym Q10, Selen, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren abzielen.

Das Antiepileptikum Valproinsäure kann starke Störungen im Carnitin-Haushalt auslösen, indem es sich mit diesem zu Valproylcarnitin verbindet, das wiederum vermehrt ausgeschieden wird. Die pathophysiologischen Konsequenzen sind Gewichtszunahme, Hyperammonämie, Enzephalopathie und Hepatotoxizität. Erwachsene sollten dreimal täglich 1 g L-Carnitin als Tartrat per os bekommen, bei Hyperammonämie auch deutlich mehr.

Protonenpumpenhemmer stören die Vitamin B12-Resorption. Je länger die Protonenpumpenhemmer eingenommen werden, umso höher das Risiko. Die Patienten sollten deshalb zusätzlich Vitamin B12 einnehmen, z.B. als Lutschtabletten oder als Nasenspray.

Bei Krebs immer Selen bestimmen

Wichtig für eine angemessene Supplementierung ist eine Bestimmung der Blutspiegel. Bei Krebspatienten sollte z.B. immer Selen und Vitamin D bestimmt werden. Dabei ist in der Apotheke auch einiges an Labordiagnostik möglich, z.B. für Vitamin B12 und Vitamin D.

Harsche Kritik übte Gröber abschließend an der Leitlinien-orientierten Schulmedizin, da diese medikationsinduzierte Störungen des Mikronährstoffhaushalts seit Jahren ignoriert. Er fordert, dass Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen endlich in das universitäre Curriculum der klinisch-pharmakologischen Ausbildung der Apotheker und Ärzte aufgenommen werden.


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