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DAZ aktuell
Teil- oder Vollkostenrechnung?
Oder: Vom Selbstverständnis eines Freien Berufes – Ein Kommentar von Uwe Hüsgen
Der Kommentar von Dr. Thomas Müller-Bohn zum Thema „Teil- oder Vollkostenrechnung – eine neue Frage zum Honorar“ (DAZ 2014, Nr. 14, S. 10) ist in großen Teilen gelungen; im Ergebnis stimmt aber die Schlussfolgerung nicht. Denn bei der Diskussion geht es – auf der Grundlage von wirtschaftlichen Fakten – letztlich um die Wertschätzung der Arbeit der Apotheker und ihrer Mitarbeiter.
Ausgangspunkt der Diskussion anlässlich der diesjährigen Wirtschafts-Interpharm war die zentrale Forderung, für spezifische Leistungen außerhalb der Beratung zu und der Abgabe von (verschreibungspflichtigen Fertig-)Arzneimitteln (wie Medikationscheck, AMTS, usw.) neue Vergütungsformen zu etablieren. In der Diskussion ergab sich die Frage, ob oder in welchem Umfang diese Leistungen durch die Arzneimittelpreisverordnung abgedeckt seien, oder ob diesen Leistungen völlig neue Honorarelemente gegenübergestellt werden müssten.
Auch wurde der Frage nachgegangen, inwieweit u.a. die Abgabe von Arzneimitteln
- der besonderen Art (wie Rezepturen, Betäubungsmittel),
aber auch
- zu ungewöhnlichen Zeiten (Stichwort: Not- und Nachtdienst),
zusätzlich vergütet werden müsste.
Auf der Grundlage der Kostenträgerrechnung wird nun aktuell diskutiert, ob – zusätzlich zum Aufschlag gemäß Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) – ausschließlich die direkt zurechenbaren Kosten (Stichwort: Teilkostenrechnung) des Kostenträgers (z.B. eine Rezeptur oder ein Betäubungsmittel), oder auch die Gemeinkosten (Stichwort: Vollkostenrechnung) in die Kalkulation/Honorierung einfließen müssen.
Zur Erinnerung
Bis Ende 2003 unterlag das gesamte Apothekensortiment, vom sogenannten Ergänzungssortiment abgesehen, der AMPreisV. Mit diesem preisregulierten Umsatz- und Absatzanteil – von jeweils rund 90 Prozent – waren bis dahin alle (weiteren) Gemeinwohlverpflichtungen der Apotheken abgegolten.
Mit dem Anfang 2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) ist die AMPreisV völlig neu gestaltet worden; sie gilt seitdem vom Grundsatz her nur noch für verschrei-bungspflichtige Fertigarzneimittel (Rx-FAM). Außerdem wurden gleichzeitig die apothekenpflichtigen nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel nicht nur aus der Erstattungspflicht der GKV entlassen, sondern zusätzlich der freien Preiskalkulation der Apotheken übergeben.
Unabhängig von der Notwendigkeit einer in Zukunft zeitnahen, periodischen Anpassung des Beratungshonorars der Apotheken (auf der Grundlage der gesetzlichen Verpflichtung zur Überprüfung gemäß § 78 AMG!) ist eine von der Wirtschafts- und Gesundheitspolitik bis heute unbeantwortete Frage, wie bei einer Halbierung des preisregulierten Absatzmarktes (unter Einschluss von Vertragspreisen [die sich mittlerweile überwiegend als Preisdiktate der Krankenkassen herausgestellt haben] und Hilfstaxe) weiterhin alle – flächendeckend geforderten – Leistungen und Gemeinwohlverpflichtungen der Apotheken kostendeckend erbracht werden können. Denn in unserem Wirtschaftssystem gilt nach wie vor unumstößlich: Auf Dauer können nur rentabel betriebene Apotheken die gesetzlich geforderte ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen!
Die Situation heute
Bei der Umstellung der AMPreisV sollte der Anteil des Honorars (von ehemals 8,10 Euro) je zulasten der GKV abgegebenem Rx-FAM 90 Prozent und der kaufmännische Anteil (Festzu-schlag) 10 Prozent ausmachen. Da der Festzuschlag 3 Prozent [auf den Apothekeneinkaufspreis] beträgt, ist der „Honorar-Aufschlag“ also ursprünglich mit 27% angesetzt worden (entspricht der niedrigsten Aufschlagstufe der bis 2003 geltenden, degressiv ausgestalteten AMPreisV). Erreicht wurden in 2004 (ohne den 3%igen Festzuschlag) allerdings nur 23,2 Prozent.
Wie dem Rohertrags-Monitor Dezember 2013 (s. AZ 2014, Nr. 8) leicht zu entnehmen ist, fiel dieser (Honorar- anteilige) Aufschlag (gemäß AMPreisV) bis zum Jahre 2013 auf 19,5 Prozent! Daraus errechnet sich eine Handelsspanne von 15,43 Prozent (i.v.H. des Bruttoumsatzes).
Unter der Annahme, dass eine Apotheke nur Versicherte der GKV ausschließlich mit Rx-FAM versorgt, stellt sich die Frage, wie sie mit dieser Handelsspanne (von 15,43%) dauerhaft eine ordnungsgemäße Versorgung sicherstellen will.
Ordnungspolitische Grundsätze
„Den Apotheken obliegt die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung“, postuliert § 1 Abs. 1 ApoG. Zu einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung gehören selbstverständlich auch
- die Herstellung von Rezepturen,
- die Abgabe von Betäubungsmitteln,
- die Verpflichtung zur Beratung und
- der Not- und Nachtdienst.
Von all diesen Verpflichtungen ist der Arzneimittel-Fernabsatz (Versandhandel mit Arzneimitteln) ausgenommen. (Mit dem Gesetz zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von Apo-theken (ANSG) hat der Gesetzgeber diese Ungleichbehandlung erkannt und eine (gewisse) Abhilfe geschaffen.) Damit der Arzneimittel-Fernabsatz nicht auch noch (zusätzlich) subventioniert wird, sind in diesen, den Vor-Ort-Apotheken vorbehaltenen Segmenten (mittels Kostenträgerrechnung) zwingend Vollkosten anzusetzen!
Und wenn in der BtM-Studie der Apothekerkammer Nordrhein ein zusätzlicher personeller Zeitaufwand für Bestellung, Prüfung, Lagerung, Retoure, Vernichtung und Dokumentation je abgegebenem Rx-BFAM von zusätzlich gut 8,8 Minuten ermittelt wurde – die Aufwandsermittlung für Abgabe und Beratung wurde in dieser Studie bewusst ausgeschlossen –, so dürfen an dieser Stelle nicht nur die Personalkosten in die Berechnung einfließen. Denn von den Mitarbeitern wird gleichzeitig auch die „Betriebsausstattung“ (die sich in den Gemeinkosten niederschlägt!) genutzt.
Der Einwurf, mit dieser Argumentation fordere man den Gesetzgeber geradezu auf, das Honorar für Rx-FAM (von derzeit 8,35 Euro) im Fernabsatz zu senken, mit dem Ergebnis, dass die Krankenkassen dann gezielt aussteuern könnten und würden, entbehrt jedem ordnungspolitischen Grundsatz. Einerseits ist die Apothekenbetriebsordnung gerade in den Bereichen „Rezepturen“ und „Beratung“ aus gesundheitspolitischen Erwägungen (!) aktuell wesentlich verschärft worden. Gleichzeitig würden mit einem solchen (absehbaren?) Marktverhalten der Krankenkassen Versorgungsstrukturen zerstört, die über (höhere) Subventionen dann neu aufgebaut werden müssten – bei niedrigerem Qualitätsniveau.
Unabhängig davon sollte im Rahmen von (öffentlichen) Diskussionen immer bedacht werden, welche Argumente die eigene Verhandlungsposition stärken oder schwächen. Und gerade für Honorarforderungen Freier Berufe gilt: „Wer nicht belegen kann, was er leistet, darf sich nicht wundern, wenn seine Leistung nicht adäquat honoriert wird.“ (s. hierzu u.a. www.baunetz.de/recht/Abschlagsrechnung_Honorar_nur_fuer_nachgewiesene_Leistungen_43594.html)
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