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Arzneimittel und Therapie
Dengue- statt Fußballfieber
Was ist bei Reisen nach Brasilien zu beachten?
Denguefieber ist die sich am schnellsten verbreitende durch Mücken übertragene Viruserkrankung. In den letzten 50 Jahren wurden eine 30-fache Zunahme der Inzidenz und eine Ausbreitung in neue Länder beobachtet. Pro Jahr werden geschätzt 50 Millionen Menschen infiziert, und 2,5 Milliarden Menschen leben in Endemie-Gebieten. Eines dieser Endemie-Gebiete ist Brasilien, wo das Virus durch die Mückenart Aedes aegypti übertragen wird und im Jahr 2013 ein bis vier Millionen Dengue-Fälle gemeldet wurden. Im Hinblick auf die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft ist es besonders wichtig, Reisende umfassend über die Risiken zu informieren.
Das Dengue-Virus
Das Dengue-Virus ist ein kleines einzelsträngiges RNA-Virus mit vier bekannten Serotypen (DEN-1 bis -4). Es wird nicht direkt von Mensch zu Mensch, sondern von infizierten Mücken der Gattung Aedes (hauptsächlich Aedes aegypti) übertragen, die weltweit in tropischen und subtropischen Gebieten vorkommen. In kälteren Gebieten sowie über 1000 Metern Höhe sind sie selten zu finden. Als Brutstätten dienen meist Wasserbehälter (auch kleine Behälter wie Blumenvasen oder Astgabeln) in der Nähe von menschlichen Siedlungen. Die erwachsenen Tiere verbringen die meiste Zeit ihres Lebens in einem Haus. Für die großräumige Verbreitung des Virus sind also überwiegend infizierte Menschen verantwortlich.
Hat eine Mücke einen infizierten Menschen gestochen, so breitet sich das Virus innerhalb von acht bis zwölf Tagen in ihrem Körper aus. Sie bleibt danach für den Rest ihres Lebens infektiös und kann weitere Menschen durch ihren Stich anstecken.
Nach dem Stich und einer Inkubationszeit von vier bis zehn Tagen kann ein breites Spektrum an Symptomen auftreten, obwohl die meisten Infektionen asymptomatisch verlaufen. Es wird angenommen, dass die Infektion lebenslange Immunität gegen den selben Serotyp verleiht, aber der Schutz gegen andere Typen nur für zwei bis drei Monate nach der Erstinfektion anhält. Die Schwere der Erkrankung hängt von individuellen Faktoren, wie Sekundärinfektionen, Alter, Abstammung und Vorerkrankungen, ab.
Krankheitsverlauf in drei Phasen
Die Erkrankung kann in drei Phasen unterteilt werden. In der febrilen Phase tritt typischerweise plötzlich hohes Fieber auf. Dieses kann zwei bis sieben Tage anhalten und wird von Gesichtsrötung, Erythemen, Schmerzen im ganzen Körper, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen begleitet. Bei manchen Patienten kommt es zu Halsschmerzen oder Bindehautentzündungen. Auch kleinere Blutungen, wie Zahnfleisch- oder Nasenbluten, können oft beobachtet werden. In dieser Phase ist es schwierig, Dengue von anderen febrilen Erkrankungen zu unterscheiden. Ein positiver Rumpel-Leede-Test kann den Verdacht auf Denguefieber unterstützen. Hierbei wird dem Patienten eine Blutmanschette angelegt, auf 90 mmHg aufgepumpt und nach zehn Minuten auf diesem Druck nach Petechien (stecknadelkopfgroßen Blutungen) am Arm gesucht. Werden mehr als zehn Petechien unterhalb der Stauung gefunden, ist der Test positiv. In leichteren Fällen wird die zweite, kritische Phase nicht erreicht, und eine symptomatische Therapie mit Paracetamol, Bettruhe und ausreichender Flüssigkeitsaufnahme reicht oft aus. Anzeichen für einen schweren Fall von Denguefieber sind Kreislaufprobleme, stärkere Blutungen, Bewusstseinstrübung, starke Magen-Darm-Symptomatik und Atemprobleme. In diesen Fällen ist sofort ein Arzt aufzusuchen.Nach dem Sinken des Fiebers (normalerweise zwischen Tag 3 und 7 der Erkrankung) kann sich die kritische Phase (auch als Dengue hämorrhagisches Fieber bekannt) anschließen. Diese dauert meist 24 bis 48 Stunden und wird von einer erhöhten Kapillarpermeabilität gekennzeichnet. Dies führt zum Austritt von Blutplasma in das Gewebe, zu einer Eindickung des Blutes, Störungen in der Hämostase und in schweren Fällen zum Schock.
Es treten Fieber, Abdominal-Schmerzen, häufiges Erbrechen, Blutungen und Schwierigkeiten bei der Atmung auf. Dies ist eine lebensbedrohliche Komplikation, die vor allem Kinder betrifft. Hier ist eine frühe Diagnosestellung und entsprechende Behandlung entscheidend. Hat der Patient die kritische Phase überstanden, wird in der dritten Erholungsphase über die nächsten zwei bis drei Tage das ausgetretene Plasma reabsorbiert. Das Allgemeinbefinden bessert sich, und die Symptome klingen ab. Bei manchen Menschen kommt es während dieser Phase erneut zu Ausschlägen und Juckreiz.
Computermodell zeigt, wo welches Risiko besteht
Zur Vorbeugung von Dengue-Endemien im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft wurde ein Modell erstellt, das die Wahrscheinlichkeit einer solchen Infektionswelle an den verschiedenen Austragungsorten anhand von Klimadaten und epidemiologischen Beobachtungen analysiert. Da der Lebenszyklus der Stechmücken abhängig vom vorherrschenden Wetter und dem damit verbundenen Vorhandensein von geeigneten Brutstätten ist, können meteorologische Daten statistische Vorhersagen für die nächsten drei Monate ermöglichen. So können rechtzeitig Maßnahmen zur Bekämpfung der Insekten eingeleitet werden. Das Modell berechnet die Wahrscheinlichkeit der Dengue-Inzidenz in den Kategorien „niedrig“ (unter 100 Fälle pro 100.000 Einwohner), „mittel“ (100 bis 300 Fälle) und „hoch“ (über 300 Fälle). Liegt die Wahrscheinlichkeit eines niedrigen Risikos unter 68%, wird die Warnstufe „mittel“ festgelegt. Steigt die Wahrscheinlichkeit in der Hochrisiko-Kategorie über 18%, wird eine Warnung der Stufe „hoch“ ausgegeben. Im Süden Brasiliens und Teilen des Amazonas-Regenwalds sowie in den Städten Porto Alegre, Curitiba und São Paulo sagen die Forscher ein niedriges Dengue-Risiko vorher. Das Gleiche gilt für Brasília und Cuiabá im Zentrum des Landes, allerdings könnte hier das Risiko im Juni auf „mittel“ steigen. Im Nordosten gibt es Regionen mit wahrscheinlich hohem Risiko, wie die Städte Recife (19%), Fortaleza (46%) und Natal (48%). In Rio de Janeiro, Belo Horizonte, Salvador und Manaus soll mittleres Risiko herrschen. Dieses Frühwarnsystem kann dafür sorgen, dass die Behörden vor Ort rechtzeitig die geeigneten Maßnahmen zur Kontrolle der Stechmückenpopulation wie den Einsatz von Insektiziden oder Zerstörung der Brutstätten ergreifen können.
Empfehlungen zum Mückenschutz
Aber auch der Einzelne kann zu seinem persönlichen Schutz beitragen. Zur Prävention von Mückenstichen werden tagsüber hauptsächlich Repellenzien eingesetzt. Diese werden direkt auf die Haut aufgebracht. Die WHO empfiehlt die Wirkstoffe Icaridin und Diethyltoluamid (DEET), die als Spray, Creme oder Lotion in unterschiedlichen Konzentrationen erhältlich sind. Da diese Stoffe in geringem Maße über die Haut aufgenommen werden, können sie für Säuglinge und Kleinkinder bedenklich sein. Hier werden geringere Konzentrationen eingesetzt, die aber häufiger aufgetragen werden müssen. Ätherische Öle wie Citronella oder Eukalyptus gelten als natürliche Alternative, sind jedoch auf Grund der zu geringen Wirksamkeit zur Vorbeugung von Tropenkrankheiten ungeeignet. Außerdem können sie bei manchen Personen zu Hautreizungen oder allergischen Reaktionen führen. Zusätzlich hat sich auch die Imprägnierung der Kleidung bewährt. Hierfür stehen Pyrethoide (z.B. Permethrin) oder Icaridin zur Verfügung. Grundsätzlich ist helle Kleidung auf Grund der besseren Sichtbarkeit der Stechmücken von Vorteil. Diese Maßnahmen können auch vor Infektionen schützen, die durch Zecken, Sandmücken oder Raubwanzen übertragen werden. Ferner können Moskitonetze, die oft mit Insektiziden behandelt sind, eingesetzt werden, um ruhende Personen vor Insektenstichen zu schützen. Beim Einsatz von Insektenspray, Biozidverdampfern oder Räucherspiralen in geschlossenen Räumen können empfindliche Personen mit Reizungen der Augen, der Haut und der Atemwege reagieren. Deswegen werden diese Maßnahmen von Experten kritisch beurteilt, und sie sollten nur bei massiver Belastung mit Stechmücken eingesetzt werden.
Fazit
Die Beratung zum Thema Tropenkrankheiten gewinnt durch die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien eine besondere Aktualität. Eine Reise in ein entferntes Land konfrontiert das Immunsystem mit vielen unbekannten Erregern, und Reisende müssen gut informiert sein, um sich ausreichend vor Infektionen zu schützen. Trotz der meist milden Krankheitsverläufe ist auch auf das Dengue-Risiko hinzuweisen und als Differenzialdiagnose zu anderen febrilen Erkrankungen wie Malaria in Betracht zu ziehen. Hier ist es wichtig, dass Kunden, die in die Apotheke kommen, um die Reiseapotheke aufzustocken, über die Symptome und mögliche Schutzmaßnahmen aufgeklärt werden. Dafür sind auch Merkblätter auf der Homepage des Auswärtigen Amtes zum Download verfügbar, die als Information und Gedächtnisstütze mitgegeben werden können.
Quelle
Dengue – Guidelines for diagnosis, treatment, prevention and control. World Health Organization (WHO) and the Special Programme for Research and Training in Tropical Diseases (TDR). Edition 2009.
Dengue Fieber Virus (DENV). Stellungnahmen des Arbeitskreises Blut des Bundesministeriums für Gesundheit. Bundesgesundheitsbl 2011; 54: 892–904.
Dengue-Fieber. Merkblatt des Auswärtigen Amtes.
Lowe R. Dengue outlook for the World Cup in Brazil: an early warning model framework driven by real-time seasonal climate forecasts, Lancet Infect online, 17. Mai 2014, http://dx.doi.org/10.1016/S1473-3099(14)70781-9.
Harley W. Football fans and fevers: dengue and the World Cup in Brazil, Comment, Lancet Infect online, 17. Mai 2014, http://dx.doi.org/10.1016/S1473-3099(14)70797-2.
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