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Arzneimittelrecht

Zugelassen oder registriert

Die Möglichkeiten der Verkehrsfähigkeit pflanzlicher Arzneimittel in Deutschland

Selbst für Apotheker – und für Laien ohnehin – ist nur schwer durchschaubar, mit welchem legalen Status pflanzliche Arzneimittel in Deutschland verkehrsfähig sind und wie gut deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit jeweils belegt sind. In diesem Beitrag sollen daher die Möglichkeiten der Verkehrsfähigkeit dargestellt werden. In einem folgenden Beitrag soll dann erläutert werden, welche Daten und Untersuchungen im Einzelnen Voraussetzung für die unterschiedlichen Verkehrsfähigkeiten (Zulassungsarten) sind, also wie das Evidenzniveau der unterschiedlichen Produkte ist und inwieweit Produkte mit gleichem oder unterschiedlichem legalen Status miteinander vergleichbar bzw. austauschbar sind.

Von Markus Veit

Seit Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes im Jahr 1978 muss in (West-)Deutschland für alle Arzneimittel ein Zulassungsverfahren absolviert werden. In diesem Zulassungsverfahren wird von den verantwortlichen Behörden geprüft, ob ein Arzneimittel wirksam und unbedenklich ist und in der erforderlichen pharmazeutischen Qualität vorliegt. Die dazu notwendigen Zulassungsunterlagen werden von dem pharmazeutischen Unternehmer eingereicht, der das Arzneimittel auf den Markt bringen möchte.

Für Arzneimittel, die in der Bundesrepublik Deutschland vor 1978 bzw. in der ehemaligen DDR vor der Wiedervereinigung in Verkehr waren, mussten pharmazeutische Unternehmen einen sogenannten Nachzulassungsantrag stellen, wenn das jeweilige Arzneimittel weiterhin verkehrsfähig bleiben sollte. Bis zur Bescheidung dieses Nachzulassungsantrags wurden diese Arzneimittel als „fiktiv zugelassene“ Arzneimittel bezeichnet und waren damit zunächst weiter verkehrsfähig. Im Rahmen der Nachzulassung hat das BfArM solche pflanzlichen Arzneimittel dann in einem Zulassungsverfahren auf Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und pharmazeutische Qualität geprüft. Ziel der Nachzulassung war es, auch die vor Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes auf dem Markt befindlichen Arzneimittel einem Zulassungsverfahren zu unterziehen und somit nach den jeweils aktuellen, inzwischen europäisch harmonisierten Anforderungen zu prüfen [1]. Die Nachzulassung wurde zum 31.12.2005 abgeschlossen.

Bei einigen Arzneimitteln konnten im Nachzulassungsverfahren nicht die notwendigen Nachweise für Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und pharmazeutische Qualität erbracht werden, sodass die Kriterien für die weitere Verkehrsfähigkeit nicht erfüllt waren. Die Zulassung für diese Arzneimittel wurde versagt und sie verloren ihre Verkehrsfähigkeit. Alle anderen Arzneimittel wurden, basierend auf §105 Abs. 3 AMG, nachzugelassen.

In einigen Fällen, in denen das BfArM die Nachzulassung abgelehnt hat, haben pharmazeutische Unternehmen Klage eingereicht. Wegen der aufschiebenden Wirkung dieser Klage besteht in diesen Fällen die fiktive Zulassung des Arzneimittels bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung fort. Diese – inzwischen sehr wenigen – Arzneimittel dürfen deswegen bis heute weiterhin in Verkehr gebracht werden.

Für einen Teil der Produkte wurde ein vereinfachtes Nachzulassungsverfahren geschaffen, wobei die Anforderungen an die Wirksamkeit als erfüllt galten, wenn für ein Arzneimittel auf eine Traditionsliste Bezug genommen wurde, in der für bestimmte Stoffe oder Stoffkombinationen anerkannte Anwendungsgebiete gelistet waren. Diese Liste enthielt über 1000 Stoffe und Stoffkombinationen. Zahlreiche pflanzliche Arzneimittel erhielten auf dieser Basis die Nachzulassung als „Traditionelles Arzneimittel“ (Zulassung nach § 109a AMG). Für diese Produkte musste bis zum 01.01.2009 ein Antrag auf Registrierung gestellt werden, um sie weiterhin als traditionelle Arzneimittel in den Verkehr bringen zu können.

Pflanzliche Arzneimittel können also unter verschiedenen arzneimittelrechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland verkehrsfähig sein (Überblick in Tab. 1).

Vollständiges Dossier und gemischtes Dossier

Gesetzliche Grundlage der Zulassung in Deutschland ist §21 Abs.1 AMG, die inhaltlichen Anforderungen an die Zulassungsunterlagen sind in den §§22 bis 24 festgelegt. Dies ist die nationale Umsetzung von Artikel 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel). Damit sind die Unterlagen vorgegeben, die zur Bewertung Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sowie des Nutzen-Risiko-Verhältnisses eines Arzneimittels vorgelegt werden müssen. Diese Unterlagen müssen in einem systematisch gegliederten Dossier eingereicht werden, welches aus fünf Modulen besteht:

  • Modul 1 enthält die administrativen Unterlagen, z.B. den Antrag auf Zulassung, die Herstellungserlaubnis oder die Entwürfe zur Packungsbeilage.
  • Modul 2 enthält die Sachverständigengutachten und damit die zusammenfassende Bewertung der Module 3, 4 und 5 sowie zur Nutzen-Risiko-Bewertung.
  • Modul 3 enthält die Daten zur pharmazeutischen Qualität.
  • Modul 4 enthält die Daten von präklinischen Studien zur Pharmakologie und Toxikologie; aus den toxikologischen Daten muss die Unbedenklichkeit des Arzneimittels ableitbar sein.
  • Modul 5 enthält die Daten von klinischen Studien und damit zur Wirksamkeit des Arzneimittels.

Als vollständiger Zulassungsantrag (engl. „full application“) wird ein Antrag bezeichnet, der alle diese Unterlagen (einschließlich Modul 4 und 5) enthält, ohne auf andere Zulassungsanträge zu verweisen. Deshalb wird er im Englischen auch als „stand-alone application“ bezeichnet. Unterstützend können bei solchen Anträgen bibliografische Daten zu Modul 4 und 5 eingereicht werden.

Ersetzen bibliografische Daten eigene präklinische oder klinische Studien für das antragsgegenständliche Arzneimittel, wird der Antrag als gemischter Zulassungsantrag (engl. „mixed application“) bezeichnet [2]. Historisch bedingt sind die meisten Zulassungen pflanzlicher Arzneimittel, die nicht rein bibliografischer Natur sind, solche „gemischten Zulassungsanträge“, da die produktspezifisch vorgelegten Daten nicht vollständig sind bzw. zum Zeitpunkt der Zulassung nicht vollständig waren und der eingereichte Datensatz dann durch bibliografische Daten komplettiert wurde. Es gibt in Deutschland nur ein einziges pflanzliches Arzneimittel, das aufgrund einer „stand-alone application“ verkehrsfähig ist: Das ist Veregen®, ein Grünteeextrakt zur topischen Behandlung von äußeren Genitalwarzen, der auch von der FDA in den USA mit einem vollständigen Dossier zugelassen wurde.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass es mehrere Produkte auf dem deutschen Markt gibt, die zwar mit einem unvollständigen („gemischten“) Dossier zugelassen wurden, für die aber während ihrer Vermarktungsphase erhebliche – vor allem klinische – Daten erhoben wurden, sodass für sie heute ein „quasi-vollständiges“ Dossier vorliegt. Dieser Umstand ist jedoch in vielen Fällen nicht transparent, sodass selbst Fachleute nicht sicher beurteilen können, wie vollständig diese Daten sind, insbesondere wenn es auch nicht publizierte Studien gibt.

Bibliografisches Dossier

Eine Sonderform des Zulassungsantrages wird in §22 Abs.3 Nr. 1 AMG, basierend auf Artikel 10a der Richtlinie 2001/83/EG, festgelegt. Daten zu Modul 1 bis 3 müssen demnach eingereicht werden, aber auf die Vorlage von eigenen präklinischen und klinischen Daten zu Modul 4 und 5 kann weitgehend verzichtet werden, wenn der Antragsteller nachweisen kann, dass die Wirkstoffe des Arzneimittels seit mindestens zehn Jahren innerhalb der Europäischen Gemeinschaft „allgemeine medizinische Verwendung“ finden und eine anerkannte Wirksamkeit sowie eine annehmbare Unbedenklichkeit aufweisen. Dieser Nachweis muss anhand einer ausführlichen wissenschaftlichen Bibliografie, die auf alle relevanten pharmakologisch-toxikologischen und klinischen Aspekte des Arzneimittels eingeht, erbracht werden. Aus diesem Grund wird diese Form des Antrags auch als „bibliografischer Antrag“ (engl. „bibliographic application“) bezeichnet.

Neben dem Inhalt ist ein formaler Aspekt entscheidend, denn bei der eingereichten Literatur darf es sich nur um öffentlich zugängliche und anerkannte Quellen handeln. Daten aus eigenen, mit dem antragsgegenständlichen Arzneimittel durchgeführten präklinischen und klinischen Prüfungen dürfen bei einem bibliografischen Antrag bei der Diskussion demnach nicht in Betracht gezogen werden, sonst handelt es sich formal um einen „gemischten Zulassungsantrag“. Darüber hinaus ist der Antragsteller dazu verpflichtet, positive wie negative Literaturdaten in den Nachweis mit einzubeziehen und gegebenenfalls fehlende Informationen angemessen zu diskutieren, um letztendlich die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels hinlänglich zu belegen [2].

Registrierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel und Standardzulassungen

Die Richtlinie 2004/24/EG hat die Richtlinie 2001/83/EG bezüglich der traditionellen pflanzlichen Arzneimittel geändert. Durch ihre Umsetzung in nationales Recht mit der 14. AMG-Novelle wurde für traditionell verwendete pflanzliche Arzneimittel die Möglichkeit einer Registrierung geschaffen (§39a AMG).

Wie eingangs ausgeführt, waren im Rahmen eines vereinfachten Nachzulassungsverfahrens bestimmte pflanzliche Arzneimittel in Deutschland als „fiktiv zugelassene“ traditionelle Arzneimittel mit Bezug auf eine Listenposition verkehrsfähig, für die keine Unterlagen bzw. Daten beim BfArM eingereicht werden mussten (Zulassung nach §109a AMG). Am 31.12.2008 endete gemäß §141 Abs.14 AMG die Frist, um für diese Arzneimittel einen Antrag auf Registrierung nach §39a AMG (Überführungsantrag) einzureichen. Wurde bis zu diesem Zeitpunkt kein Überführungsantrag (und kein Zulassungsantrag nach §21 AMG für ein identisches Arzneimittel) gestellt, erlosch die „fiktive Zulassung“ und somit die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels zum 30.04.2011.

Von dieser Regelung sind Arzneimittel ausgenommen, für die eine sogenannte Standardzulassung bzw. -registrierung (§36 AMG) besteht. Für diese Arzneimittel sind die erforderlichen Angaben zur Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in Form von Standardmonografien beim BfArM hinterlegt. Eine vollständige Liste dieser Arzneimittel findet sich auf den Internetseiten des BfArM. Darunter sind Baldriantinktur, Chinatinktur, Rathaniatinktur, verschiedene Ätherische Öle sowie eine Reihe von Arzneitees.

Bei der Registrierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel ist – im Unterschied zur Zulassung von Arzneimitteln – die Wirksamkeit nicht durch produktspezifische klinische Studien zu belegen. Dagegen müssen bei der Registrierung (wie auch bei der bibliografischen Zulassung) der bibliografische Nachweis der Unbedenklichkeit und der Nachweis der produktspezifischen pharmazeutischen Qualität erbracht werden. Darüber hinaus ist für traditionelle pflanzliche Arzneimittel ihre pharmakologische Wirkung oder ihre Wirksamkeit über den sogenannten Traditionsbeleg darzulegen (§39b AMG). Das heißt, dass die medizinische Verwendung des Präparates über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren – und zusätzlich über einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren in der EU – belegt ist. Außerdem müssen für eine Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Es werden Indikationen beantragt, die keiner ärztlichen Aufsicht (Diagnose, Verschreibung, Überwachung) bedürfen.
  • Es werden nur bestimmte unbedenkliche Stärken und Dosierungen beantragt.
  • Die Anwendung erfolgt nur oral, äußerlich oder inhalativ.

Alle mit Bezug auf eine Listenposition „fiktiv zugelassenen“ traditionellen Arzneimittel (gemäß §109a AMG) wurden in solche Registrierungen nach §39a–d AMG überführt oder haben ihre Verkehrsfähigkeit verloren.

Derzeit erfolgen in zunehmendem Maße auch Registrierungen von traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln, die bisher nicht auf dem Markt waren, jedoch eine tradierte Anwendung belegen können.

HMPC-Monografien und Community List

Bibliografisch zugelassene pflanzliche Arzneimittel (§22 Abs. 1 Nr. 1 AMG) und registrierte traditionelle pflanzliche Arzneimittel (§39a–d AMG) unterscheiden sich dadurch, dass bei den Ersteren die Wirksamkeit durch Literaturdaten zur allgemeinen medizinischen Verwendung und bei den Letzteren durch die Tradition der Anwendung belegt ist.

Um das für Registrierungen bzw. für bibliografische Zulassungen vorliegende Erkenntnismaterial einer europäisch harmonisierten Bewertung zu unterziehen, erarbeitet der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (Herbal Medicinal Products Committee, HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur (Europaen Medicines Agency, EMA) unter Würdigung des gesamten vorliegenden bibliografischen Erkenntnismaterials sowie basierend auf Daten, die von der Industrie zur Verfügung gestellt werden, entsprechend Artikel 16h der Richtlinie 2004/24/EG Gemeinschaftliche Pflanzenmonografien (engl. „community herbal monographs“), kurz „HMPC-Monografien“. Grundlage der HMPC-Monografien ist die Bewertung der vorliegenden Daten hinsichtlich ihrer Evidenz, d.h. ob sie ausreichen, eine „allgemeine medizinische Verwendung“ (und damit eine anerkannte Wirksamkeit) zu belegen, oder ob die Wirksamkeit nur durch die belegte 30-jährige Verwendung plausibel gemacht werden kann und deshalb keine Zulassung, sondern nur eine traditionelle Registrierung gestützt wird. Eine Reihe von HMPC-Monografien weist – zubereitungsspezifisch – beide Möglichkeiten aus.

Für nationale Zulassungsverfahren in Deutschland sind die Vorgaben der HMPC-Monografien nicht rechtsverbindlich bzw. bindend, sie müssen aber ausreichend gewürdigt werden. In vielen Fällen muss der Anstragsteller für die Registrierung eines traditionellen pflanzlichen Arzneimittels eigene produktspezifische Daten zur Genotoxizität bzw. Mutagenität vorlegen, da entsprechende Literaturdaten nicht vorhanden sind und ein genotoxisches Risiko in letzter Konsequenz nicht aufgrund der tradierten Anwendung beurteilt werden kann.

Dem HMPC obliegt es auch, den Entwurf einer Liste traditioneller pflanzlicher Stoffe und traditioneller Indikationen zur Veröffentlichung durch die Europäische Kommission zu erarbeiten („Community List“). Es handelt sich dabei um ein „lebendes Dokument“, das laufend erweitert werden soll. Die Listenpositionen umfassen

  • die Indikation,
  • die Stärke,
  • die Dosierung,
  • die Art der Anwendung sowie
  • andere für die sichere Anwendung notwendige Informationen.

Im Gegensatz zu den HMPC-Monografien, die mit der Publikation auf der EMA-Website abgeschlossen sind, werden Einträge in die Liste durch die Europäische Kommission verlautbart.

Die Vorteile eines Listeneintrags bestehen für den Antragsteller darin, dass für eine traditionelle Registrierung unter Bezug auf eine von der Europäischen Kommission verlautbarte Listenposition keine Angaben zum Nachweis der Dauer der traditionellen Anwendung und keine zusätzlichen Angaben zur Unbedenklichkeit erforderlich sind. Unter Bezug auf eine solche Listenposition kann dabei ein pflanzliches Arzneimittel in allen Mitgliedsländern der EU traditionell registriert werden. Zumindest in Deutschland besteht auch hier keine Rechtsverbindlichkeit: Das BfArM muss bei der Erteilung von Registrierungen nicht den Vorgaben der Listenposition folgen, sondern diese nur mitberücksichtigen. 


Quellen

[1] www.bfarm.de

[2] www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/zul/zulassungsarten/_node.html

 

Autor

Prof. Dr. Markus Veit

i.DRAS GmbH
international Drug Regulatory Affairs Services
Fraunhoferstr. 18b
82152 Planegg/Martinsried

Markus.Veit@i-dras.com

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