Arzneimittel und Therapie

Digoxin erhöht das Sterberisiko

Erhöhte Mortalität bei Patienten mit Vorhofflimmern

Obwohl Digoxin international in verschiedenen Leitlinien zur Behandlung von Vorhofflimmern genannt wird, liegen keine ausreichenden Daten zur Sicherheit vor. In einer groß angelegten amerikanischen Studie wurde nun die Mortalität in Zusammenhang mit der Einnahme von Digoxin bei Vorhofflimmern untersucht.


Das herzwirksame Glykosid Digoxin gehört weltweit zu den am meisten verwendeten Arzneistoffen bei der Behandlung von Vorhofflimmern. In diversen internationalen Leitlinien wird der Einsatz von Digoxin bei dieser Indikation nach wie vor genannt, obwohl die klinischen Daten zur Sicherheit unzureichend sind. Die Toxizität von Digoxin ist zwar bekannt. Dennoch gibt es nur wenige, teils widersprüchliche und veraltete Daten zur Sicherheit von Digoxin bei Vorhofflimmern. In einer Kohortenstudie wurde nun der Zusammenhang zwischen der Einnahme von Digoxin und der Mortalität bei Patienten mit Vorhofflimmern untersucht.

Die TREAT-AF-Studie

Basierend auf Daten des US-amerikanischen Gesundheitssystems für Kriegsveteranen, das das größte zusammenhängende Gesundheitssystem der Vereinigten Staaten darstellt, wurde die TREAT-AF-(The Retrospective Evaluation and Assessment of Therapies in AF)-Studie durchgeführt. In dieser retrospektiven Kohortenstudie wurden Daten von Patienten evaluiert, bei denen nicht-valvuläres Vorhofflimmern in einem Beobachtungszeitraum von 2004 bis 2008 erstmalig diagnostiziert wurde. Als primärer Endpunkt wurde die Zeitspanne bis zum Tod definiert, beginnend 90 Tage nach erstmaliger Diagnosestellung. Mittels multivariater Statistik und Propensity-Score-Matching wurde der Zusammenhang zwischen Digoxin-Einnahme und Mortalität untersucht.

Insgesamt wurden 122.465 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 72 Jahren in die Studie eingeschlossen, davon 98% Männer. 28.679 (23%) davon erhielten Digoxin zumindest während der ersten 90 Tage nach Diagnosestellung. 28.723 (24%) der Patienten starben innerhalb des Beobachtungszeitraumes. Die kumulative Mortalitätsrate war bei Digoxin-behandelten Patienten höher als bei Patienten, die kein Digoxin erhielten (95 vs. 67 pro 1000 Patientenjahre). Sowohl nach multivariater Datenauswertung (Hazard Ratio: 1,26) als auch nach Propensity-Score-Matching (Hazard Ratio: 1,21) wurde die Einnahme von Digoxin mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert. Die weitere Datenauswertung ergab, dass dieses erhöhte Risiko unabhängig von Adhärenz, Alter, Geschlecht, kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Nierenfunktion oder gleichzeitiger Einnahme von Betablockern, Amiodaron oder Warfarin war. Somit gibt das Ergebnis dieser Studie Anlass, die gängigen Empfehlungen der Fachgesellschaften zum Einsatz von Digoxin bei Vorhofflimmern zu überdenken.

„Mehr Daten, keine Antworten“

Mit dieser Schlagzeile kommentiert der Kardiologe Dr. Matthew Reynolds vom Lahey Hospital & Medical Center in Burlington, Massachusetts, diese Studie. Zwar sei die vorliegende Studie sehr gut durchgeführt und habe zahlreiche Stärken wie zum Beispiel die vergleichsweise hohe Zahl an Patienten, die 20-fach höher ist als in vorangegangenen Studien. Dennoch habe die Studie auch Schwächen, wie die unausgewogene Geschlechterverteilung und die fehlenden Informationen über Digoxin-Dosis und –Blutspiegel. Außerdem lagen den Wissenschaftlern keine Angaben zum Vorliegen oder Ausmaß einer Herzinsuffizienz vor. Aufgrund seiner Rolle bei der Behandlung der Herzinsuffizienz könnte Digoxin theoretisch vermehrt bei Hochrisikopatienten eingesetzt und somit die Daten zur Mortalität verzerrt worden sein.

Ist Digoxin obsolet?

Grundsätzlich sollte der Einsatz von Digoxin bei Vorhofflimmern mit Bedacht und Vorsicht erfolgen. Dies spiegelt sich bereits in den aktualisierten Leitlinien wider, in denen Betablocker und Calciumkanalblocker mit einem Evidenzgrad der Stufe I empfohlen werden. Für Digoxin hingegen wurde keine spezifische Empfehlung ausgesprochen, meint der Experte. Auf die Frage, ob der Einsatz von Digoxin bei Vorhofflimmern obsolet sei, meint Reynolds, dass dieser uralte Naturstoff unter gewissen Voraussetzungen (Herzinsuffizienz, schwierige Herzfrequenzkontrolle, niedriger Blutdruck) noch immer seine Berechtigung habe. 

Quelle

Turakhia MP et al. Increased Mortality Associated With Digoxin in Contemporary Patients With Atrial Fibrillation. J Am Coll Cardiol 2014;64:660-668

Reynolds MR. Outcomes With Digoxin in Atrial Fibrillation. More Data, No Answers. J Am Coll Cardiol 2014;64:669-671

 

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

Das könnte Sie auch interessieren

Alte Menschen profitieren von interdisziplinärer Zusammenarbeit

Vorhofflimmern meistern

Gescheiterte Studie gibt Rätsel auf

Dronedaron bei permanentem Vorhofflimmern

Unerfüllte Erwartungen an einen Wirkstoff

Auf- und Abstieg von Dronedaron

Ein Update zu den neuen oralen Antikoagulanzien

Neue Daten zu Dabigatran

Hintergrundwissen für die Beratung bei Dabigatran und Rivaroxaban

Neue orale Antikoagulanzien

Falsche Dosierung erhöht Sterblichkeit bei Vorhofflimmern

DOAK häufig unterdosiert

Phase-IV-Studie belegt Sicherheit und Wirksamkeit bei Patienten nach tiefer Venenthrombose

Rivaroxaban zeigt sich alltagstauglich

Komedikation mit NSAID erhöht das Risiko für Komplikationen

Gefährliche Mischung bei Vorhofflimmern

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.